nächtliche Spaziergänge

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Meine Gedanken hören einfach nicht auf zu schreien. Im Schlafsaal ist es still, alle schlafen bereits tief und ein dunkelgrünes Licht fällt durch die Fenster. Ich sehe auf die Uhr: ein Uhr nachts, seit drei Stunden versuche ich zu schlafen und es wird einfach nicht besser. So kann es nicht weitergehen, ich drehe noch durch!

Leise gleite ich aus dem Bett, ziehe meine Turnschuhe an und streife meinen Mantel über. Dann schleiche ich mich aus den Schlafräumen, die Wendeltreppe nach oben. Das Feuer im Gemeinschaftsraum ist verglüht und rot flimmernd. Ich trete an die großen Fenster heran. Da wir im Keller des Schlosses sind, wurden unsere Räume direkt in den Felsen geschlagen und von Gemeinschaftsraum aus blicken wir direkt über den See und die umliegenden Ländereien. Der Regen peitscht an die Fenster.

Ich liebe diese riesigen Fenstersimse, man kann sich so gut darauf setzen und aus dem Fenster blicken. Manchmal verbringe ich stunden lesend an das Fenster gelehnt. Doch heute habe ich nicht einmal dafür genug Ruhe. Etwas treibt mich weiter und bevor ich es mir bewusst machen kann, habe ich die Tür hinter mir zugezogen und stehe im kühlen Flur, der mich sonst so zielsicher zum Unterricht führt.

Die Flure sind dunkel und kalt und ich weiß nicht einmal wonach ich suche. Ich zittere in meinem Schlafanzug. Ich stolpere ein paar Stufen herauf und streife vorsichtig die Gänge ein Stockwerk höher entlang. Hier sind wir direkt unter dem Erdboden. Man spürt förmlich das Gewicht der Welt auf einem.

Die Gänge sind dunkel und ruhig. Kein Geräusch ist zu vernehmen, einzig das leise Klopfen der Regentropfen aus der Ferne. Sie erwecken die Sehnsucht nach Luft in mir. In den Kellerräumen habe ich so oft das Gefühl zu ersticken. Auf den Mädchentoiletten gibt es ein paar Fenster, die in die Gärten hinterm Schloss führen.

Ein Ziel vor Augen stehe ich keine Minute später auf der Toilette und öffne das Fenster über mir. Es ist sehr hoch und so robbe ich kurz darauf auf dem Bauch durch das Fenster. Es ist mir nicht ganz klar, was um Himmelswillen mich geritten hat in meinem Schlafanzug auf dem Bauch durch ein Toilettenfenster zu klettern, nur um nun in einem schlammigen Feld zu stehen.

Doch der kühle Regen tut mir gut auf meiner Haut und ich atme die frische Nachtluft tief ein. Als ich so durch den Garten wandere und die Nacht genieße. Stoße ich auf einen Strauch Lavendel. Lavendel so lieblich durftend und eine der Zutaten für einen Schlaftrank. Ich schneide mir einen kleinen Strauß ab und mache mich auf den Weg zurück zu meinem Fenster und in Richtung meines Schlafsaals.

Doch kaum trete ich aus der Mädchentoilette im ersten Untergeschoss, da steht mir eine dunkle Gestalt gegenüber. Es ist Professor Snape. "Was haben Sie hier zu suchen?", raunt er mich unverblümt an. Ich starre auf den Lavendel in meiner Hand und zurück zu ihm. Angst durchfährt mich. Jeder weiß welche Strafen Snape verteilt, wenn er einen des Nächtens auf den Gängen findet.

Er reist mir meinen Lavendel aus der Hand: "Mein Büro. Sofort."

Seine ruhige Stimme durchfährt mich wie ein Blitz. Robotisch folge ich ihm in Richtung der Treppe. Meine Füße treten wie auf Watte und ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht länger tragen.

Er ist wie ein schwarzer Geist wie er lautlos in wehendem Mantel vor mir her schwebt. Mir ist kotzübel und ich wünschte der Weg wäre kürzer, was vielleicht auch meine Chancen erhöht, dass meine Ausrede, dass die Klos im Mädchentrakt nachts um 3 alle besetzt waren wahrscheinlicher erscheinen lässt. Doch mit drei weiteren Toiletten auf dem Weg, erscheint mir das wenig glaubwürdig.

Professor Snape würdigt mich keines Blickes, als er seine Bürotür öffnet und mir den Weg weist. Nachdem ich voran in sein düsteres Reich trete, kommt es mir so vor als streiche seine Hand meinen Rücken, doch in so einer Situation kann man sich so einiges einbilden.

Er schließt die Tür hinter sich und mit einem Wink flammen bestimmt zwanzig Kerzen auf. Verloren stehe ich im Raum und traue mich nicht, zu ihm aufzusehen. Mit zwei kräftigen Schritten ist er um mich herum, hinter seinem Schreibtisch und starrt mich aus seinem massiven Sessel an.

"Setzen Sie sich" Er feuert meinen Lavendel in eine Ecke seines Schreibtisches und ich lasse mich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches sinken.

"Ist Ihnen bewusst was auf ein Brechen der Hausregeln folgt?! Ein Verweis der Schule. So einfach ist das." Er sieht mich direkt an und wartet auf eine Reaktion. Das erste Mal seit einer Viertelstunde blicke ich auf, in sein Gesicht und ich bin mir sicher, dass er die Panik in meinen Augen sieht.

"Was haben Sie dort getrieben? Ich bin mir sicher, die Kräuter stammen nicht aus der Mädchentoilette."

Ich schlucke und es fällt mir schwer, mich zu überwinden auf seine Frage zu antworten.

"Ich konnte nicht schlafen." Blinzelnd versuche ich zu verbergen, dass ich jeden Moment zu heulen beginne.

"Sie konnten nicht schlafen?", spöttisch zieht er eine Augenbraue hoch.

Ich nicke und habe dann doch das Gefühl, mich weiter erklären zu müssen.

"Mein Kopf," meine Stimme bricht und ich nehme mir einige Sekunden um mich zu sammeln. "Die Gedanken in meinem Kopf sind zu laut. Ich kann sie nicht verdrängen und sie treiben mich in den Wahnsinn."

"Welche Gedanken?"

Bilde ich es mir ein, oder ist seine Stimme sanfter?

Ich beobachte eine Kerze, die züngelnd zwischen uns steht, bevor ich in sein warm erleuchtetes Gesicht blicke. Und auf einmal fühlt es sich sicher an, vertraut als würde ich mit einem Freund sprechen, der einfach nur zuhört.

"Zum größten Teil die ZAGs, es macht mich fertig auf die Ergebnisse zu warten. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, durchgefallen zu sein. Und egal wie viel ich lerne, es scheint nie genug zu sein. Ich habe das Gefühl, dass es allen anderen so viel leichter fällt als mir."

Meine Stimme ist leise und vorsichtig formuliere ich jedes einzelne Wort. Professor Snape sitzt zurückgelehnt in seinem Sessel und beobachtet mich, also spreche ich weiter.

"Ihnen scheint alles so viel einfacher zu fallen. Mit einander zu reden. Freundschaften zu schließen, Spaß zu haben. Ich hingegen überlege in jeder Sekunde, ob es schlau war das zu sagen, ob es cool wirkt oder nicht. Ob ich genauso komisch wirke, wie ich mich fühle."

Nachdem ich verstumme, steht die Stille stumm im Raum. Bis Professor Snape sich räuspert. "Morgen um 5 im kleinen Klassenzimmer."

"Ihre Strafarbeit." Er blinzelt nicht als er mir das direkt ins Gesicht sagt.

Ich komme mir dumm vor, nackt und verletzt. Kein Wort vermag mehr aus mir heraus zu kommen, als ich den Stuhl zurück schiebe und das Büro meines Hauslehrers verlasse.

Die Tür zum Gemeinschaftssaal ist schwer und massiv und mein Herz passt sich dem an. Mein Kopf ist müde, die Gedanken kreisen wie ein Schleier durch meinen Kopf, doch kein einziger lässt sich von meinem übermüdeten Geist einfangen.

In einem unersättlichen Schwarz empfängt mich der Gemeinschaftssaal und mit letzter Kraft schleppe ich mich den Gang zu meinem Schlafsaal entlang. Alle Mädchen sind bereits in tiefem Traumland, als ich mich auf mein Bett fallen lasse und meine schlammigen Turnschuhe abstreife.

Gerade als ich mich unter meine Decke kuscheln möchte, fällt mein Blick auf etwas das auf meinem Kopfkissen liegt. Noch etwas feucht von Regen, ist es mein Lavendelbund. Vorsichtig nehme ich den Strauß an mich und lasse meinen Kopf in das Kissen fallen. Er verströmt einen leichten Duft nach warmen Tagen und als ich die Augen schließe, ist es nur noch ein präsenter Gedanke.

Warum hat er das getan?

Severus Snape (Snape x Schülerin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt