Kapitel 2.0 - Lyra

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Krampfhaft wühlte ich mich durch die Schultasche, auf der Suche nach meiner Schreibfeder. Das Chaos machte auch keinen Stopp in den Schulsachen, die ich vergebens versuchte zu ordnen. Das Gemurmel was sich bis eben noch durch den gesamten Raum zog, setzte aus. Stille verbreitete sich als hätte jeder Schüler die Luft angehalten. Und vielleicht war es auch so. Mit wehendem Umhang und einem lauten Knall der Tür, die hinter ihm ins Schloss fiel, lief er nach vorne. Seine Gesichtszüge waren undurchdringlich, als täten sie es den Steinen gleich. Schon einiges war mir über den Professor zu Ohren gekommen. Fast ausschließlich nichts positiv oder Schmeichelndes in seinem Sinne. Ich war mir sicher, dass er selbst über seine Popularität in dieser Schule Bescheid wusste. Umso faszinierender empfand ich seine Gleichgültigkeit darüber. Nichts schien er an seinem Verhalten oder Auftreten zu ändern. Unnahbar nahm er jeden Raum ein, den er betrat. Sprach nicht mehr als nötig. Und doch präsentierte er Klugheit, versteckt in den Methoden in seiner Unterrichtsweise. Ich konnte nicht leugnen, dass dieser Mann der ganz in schwarz gehüllt war, Neugierde in mir weckte. Der Rest meiner Mitschüler, schien dieses Gefühl allerdings nicht mit mir zu teilen. Eingeschüchtert blickten sie zu Boden, als er den Blick hob und ihn durch die Schülerherde schweifen ließ. Es wirkte, als würde er keinen einzigen von ihnen wahrnehmen und die Gleichgültigkeit in jeden von ihnen ruhen. Doch nun erfassten sie auch mich. Pechschwarze Augen verharrten auf meinen, so wie ich auf seinen. Einen Augenblick war die Gleichgültigkeit von dannen gezogen. Der Atem hatte nun in meinen Lungen ausgesetzt, aus Angst jede Bewegung könnte mich zurück in die Realität holen. Denn ich blickte in sie wie in ein versunkenes Schloss, welches darauf wartete erkundet zu werden. Noch mehr wollte ich die Tiefe in ihnen erforschen. Sie schienen wie ein Spiegel zu sein, der die Emotionen freiließ, die sonst im Verborgenen blieben. Sah ich sie oder bildete ich das Ganze mir nur ein?

Ich blickte in eine unverständliche Realität, in der ich auf einen schmalen Grat wandelte, dabei nicht verloren zu gehen. Kein klarer Gedanke konnte noch in dem brausenden Sturm in meinem Kopf, Fuß fassen. Das Herz setzte aus und war bereit, die letzten Momente mit diesem Schwarz zu verbringen. Nein, ich wollte nicht wegsehen. Wollte nichts betrachten, welches dieser Schönheit nicht gerecht werden konnte. Was passierte hier nur?

Das konnte doch nur eine Träumerei sein, die mich glauben ließ Realität zu sein. Doch ich akzeptierte diese Illusion, die mich kurzzeitig jede Sorge vergessen ließ. Ich wollte meine Augen nicht aufschlagen und diesen Moment zu einer Erinnerung werden lassen. Nein, ich wollte nur noch einen winzigen Augenblick diese Schönheit genießen und über deren Herkunft philosophieren. Doch sie wandten sich von mir ab, wie sie es schon am gestrigen Tag getan hatten. Mieden es noch einmal zu mir zu blicken. Straften lieber andere mit einem missbilligenden Ausdruck.

Ich zwang mich von ihnen abzulassen. Mich auf das bevorstehende brauen eines Abschwelltrankes zu konzentrieren. Die Mengenangaben hatte der Professor in filigraner Schrift angeschrieben.

Ein nützlicher Trank, von dem ich schon einige Male Gebrauch gemacht hatte. Und so schüttete ich das Bergwasser rasch mit dem flüssigen Silber zusammen in den Kessel. Das schimmernde Silber bildete einen kleinen zierlichen Kreis, in dessen Mitte ich ein Stück meines Zauberstabes eintunken ließ und ihn ein paar Mal herumrührte, als würde er so einen Teig vermengen. Dampf stieg mir in die Nase und immer dickflüssiger wurde die Masse vor mir. Schnell nahm ich die Gänseblümchenwurzeln, die erst vor kurzen noch in frischer Erder geschlummert hatten.  Nun wurden sie akribisch von der scharfen Klinge eines Messers zerhackt und dann zu der silbrigen Flüssigkeit hinzugegeben. Noch zweimal im Uhrzeigersinn und einmal dagegen rührend und das mehrmals hintereinander, dann würde er die perfekte Konsistenz haben. Zum Schluss fügte ich noch die Pufferfischaugen, die mich starr und leer anstierten hinzu. Den Rest der Stunde ließ ich das innere des Kessels köcheln und füllte anschließend den erworbenen Trank in einer durchsichtigen rundlichen Phiole ab. Ich war schneller als die Mehrheit meiner Mitschüler, die noch immer an der Gänseblümchenwurzel hingen. Immer wieder richtete sich ihr kritischer Blick in den Kessel vor ihnen. Ron war einer von ihnen. Panik schlich sich in sein Gesicht. Wieder und wieder ließ er sich die Rezeptur auf seinem Pergament durch, schien den Fehler zu suchen, den er begangen hatte. Hermine trat nach vorne und gab ihren fertigen Trank bei dem Tränkemeister ab, der sie genervt anblickte. Ich trat nach ihr zu seinem Pult. Erwartend denselben Blick einzufangen, den er Hermine zugeworfen hatte. Es war scheinbar Normalität hohes Desinteresse von diesem Mann zu erfahren. Einfühlende Worte oder lob gab es in diesem Unterricht nicht, wenn man den Worten der anderen Schüler Glauben schenkte. Ich streckte meinen Arm aus, in der Hand die silbern glänzende Flüssigkeit. Er blickte von seinem Schreibtisch auf und sah mich an. Nicht genervt oder missbilligend. Nein. Dieser Blick ließ sich keiner Emotion zuordnen. Eine Gänsehaut legte sich wie ein Kühler Mantel auf meine Haut. Ließ die kleinen Härchen aufstehen. Ich räusperte mich. Irgendwie musste ich. Das war hier so skurril und abnorm. Doch wieso?

„Ich bin fertig Sir." Brachte ich mit gebrochener Stimme heraus. Immer noch durchdrang mich seine Dunkelheit. Kein Wort, keine Silbe, nur eine fast zaghafte Bewegung, die mir die Phiole aus der Hand nahm.  Danach widmete er sich wieder seinem Pergament. Ich nahm dies als Zeichen, nicht nachzufragen und mich wieder zurück auf meinen Platz zu setzen, bis der Unterricht beendet war. Natürlich konnte er es nicht unterlassen, noch einmal auf das Versagen einiger Schüler zu verweisen. Er war schier fassungslos darüber, solch einfache Tränke nicht sinngemäß auszuführen.

Jeder Schüler versuchte schnellstmöglich die Räume zu verlassen, um nicht noch mehr strafende Worte abzubekommen. Still und leise ging ich in dieser Masse unter, kam aber nicht um das Verlangen noch einmal zurückzublicken. Zu dem dort sitzenden Tränkemeister, der das Wort Mysterium zu definieren schien. Das Herz schlug wild in der Brust. War es die Aufregung? Furcht?

So viel mehr steckte dahinter und doch vermochte es keiner zu sehen. Vielleicht auch ich nicht. Ich wandte mich ab und ging hinaus, doch die Gedanken hingen den dunklen Augen nach.

Für Immer ab Jetzt (Severus Snape Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt