Der Anfang vom Ende

627 34 43
                                    

Kurz und knapp: Ich bin zurück, habe Zitronen dabei und wäre bereit, sie in nächster Zeit an euch zu verteilen ... :)

(Johns POV)

Vielleicht ist das keine gute Idee gewesen. Ganz bestimmt ist sie das nicht. Ich will nicht. Ich will meinen Koffer nehmen und zurück zum Flughafen fahren, um in den nächsten Flieger zu steigen und nach Hause zu fliegen. Aber es geht nicht um das, was ich will, sondern um das, was ich muss.
Zwei Jahre. Fast zwei Jahre ist es her und es ist immer noch zu früh. Ich kann mich nicht damit auseinandersetzen, kann die Erinnerungen an diese Zeit nicht ertragen, weil mich die Gefühle dabei überfordern. Sagen tue ich das nicht. Ich sage gar nichts. Seit wir uns auf den Weg nach Chester gemacht haben, habe ich kein Wort mehr gesagt. Weil ich nicht wusste, was. Und wie.

Das Taxi wird langsamer, biegt in eine schmale Allee ab, kitschig rosarote Kirschbäume ziehen an uns vorbei, verschwimmen vor meinen Augen zu einem verwaschenen Gemisch aus Grün- und Rosatönen. Ich bin müde, aber das beklemmende Gefühl in mir hält mich wach, so wie es das auch schon in der vergangenen Nacht getan hat. Ich schlucke und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie verkrampft ich bin, wippe nervös mit den Füßen, knabbere an meinen Fingernägeln. Ich spüre Sherlocks Blick auf mir und wie er mich durchbohrt. Ich weiß, dass er mich schon durchschaut hatte, als ich den Brief geöffnet habe. Dass er da schon das wusste, was ich nicht wahrhaben wollte, noch immer nicht wahrhaben will. Dass mir diese Woche alles abverlangen wird. Und dass ich dafür nicht bereit bin, es wahrscheinlich nie sein werde.

„Alles in Ordnung, John?", fragt Sherlock plötzlich und bricht damit das laute Schweigen, das seit Stunden über uns liegt. Ich werfe ihm einen raschen Seitenblick zu. Er hat letzte Nacht auch nicht schlafen können, den Grund dafür habe ich nicht wissen wollen. Ich bin zu beschäftigt mit mir selbst gewesen.
„John?"
Ich zucke zusammen, nur ein wenig, aber genug, damit Sherlock es bemerkt. Seine Augen bohren sich in mein Gesicht. In dem dämmrigen Licht wirkt ihr karibisches Blau beinahe silbern. Ich schlucke, dann nicke ich, weil ich nicht will, dass er mir das anhört, was ich lieber für mich behalte. Dass ich Angst habe. Und falle. Seit Stunden. In dasselbe schwarze Loch, was mich nach meiner Rückkehr wie eine eiskalte Faust umklammert und festgehalten hat.

Ich sehe Sherlock an, dass er noch etwas sagen will, aber er entscheidet sich dagegen und ich bin dankbar dafür, dass er nicht weiter nachfragt. Das hätte er sowieso nicht nötig. Ich wende meinen Blick wieder von ihm ab und der weiten Auffahrt zu. Gestutzte Grünflächen, blühende Obstbäume, rechts und links ein Meer aus Büschen und Blumenbeeten, vor uns ein großer Springbrunnen. Das Herrenhaus ragt beinahe bedrohlich dahinter auf und wirft lange Schatten auf den von alten Laternen beleuchteten Vorgarten. Der Anblick ist romantisch und gleichzeitig absurd beklemmend und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich das Anwesen eher in die Kategorie kitschiger Liebesfilm mit zu viel Romantik oder Thriller mit Bergen von zerstückelten Leichen einordnen soll.

„John?" Wieder ist es Sherlocks tiefe Stimme, die mich aus meinen Gedanken reißt. „Wir müssen aussteigen."

Ich nicke hastig und folge ihm mit weichen Knien aus dem Taxi, drücke dem Fahrer das Geld in die Hand und nehme Sherlock meinen Koffer ab, den er mir auffordernd entgegenhält. Meine Handflächen sind nass und ich umklammere den Griff noch etwas fester, damit er mir nicht aus der Hand gleitet. Ich will da nicht rein. Ich will, dass wir heute schon wieder fahren. Dass ich diese Woche einfach überspringen kann, so wie Sherlock das immer bei langweiligen Filmen tut. Wenn der eine nicht gut ist, startet man einfach den nächsten. Aber das kann ich nicht. Obwohl ich eindeutig in einem ziemlich schlechten Film stecke.

„Sie hätten nicht Ja sagen müssen", sagt Sherlock plötzlich leise neben mir und sein Blick ist unerwartet tief, beinahe mitfühlend.
„Aber ich hätte auch nicht Nein sagen dürfen", erwidere ich ebenso leise und schenke ihm ein schiefes Lächeln. „Und so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Das sind meine Freunde, keine Serienmörder."

PROMISE ME || LemonleliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt