Die Wahrheit in der Pflicht

324 20 8
                                    

Kleine Info vorneweg: Ich weiß nicht, wann das nächste Mal etwas von mir kommen wird, ob es diese Woche oder erst nächsten Monat sein wird. Mein Pferd ist gestern gestorben. Also bitte ich um etwas Zeit und hoffe, dass das in Ordnung ist.

(Johns POV)

Sherlock sieht mich an. Sein Blick ist lang und tief und etwas in meinem Inneren zieht sich unvermittelt zusammen. Ich will wegschauen, aber ich bin wie gelähmt. Mein Herz pocht laut und schnell in meiner Brust. Das Blut rauscht in meinen Ohren, mein Hals ist trocken, meine Haut kribbelt, ein elektrisches Surren liegt in der Luft. Der Moment dehnt sich aus, wird immer länger und unerträglich. Meine Gedanken überschlagen sich, finden keinen Platz in meinem Kopf, in dem schon zu viele von ihnen sind. Alles Mögliche schießt mir durch den Kopf. Aber ich kann mit nichts davon etwas anfangen. Da sind Hintergrundgeräusche. Die leise Musik, Stimmengewirr, das Flüstern der anderen. Und mein rasendes Herz. Ich schlucke, mein Blick berührt Sherlocks Lippen.

Ich habe schon einmal jemanden geküsst, wispert seine Stimme in meinem Kopf. Aber nicht ... so. Ich war fünfzehn und ich wünschte, ich hätte es nie getan. So etwas ist schwachsinnig.
Wir müssen das nicht tun. Es ist nur ein dummes Spiel und er mein bester Freund. Ich sollte ihn nicht küssen. Das macht man nicht. Oder will ich es nur nicht?

Sherlock und ich tauschen einen langen Blick. Meine Gefühle spiegeln sich in seinen Augen, Unsicherheit, Zweifel, die Frage, was das mit uns verändern wird. Helles Blau strahlt mir entgegen und mein Mund wird trocken. Dann strecke ich meine Hände nach ihm aus, lege sie auf seine Wangen. Die Haut unter meinen Fingern ist weich und zart, ich spüre seine Bartstoppeln und seinen warmen Atem auf meinem Mund. Sherlock blinzelt, bewegt keinen einzigen Muskeln, ich komme ihm noch näher, er wird unscharf, ich befeuchte nervös meine Lippen. Seine Nasenspitze berührt meine. Mein Daumen streichelt über seine Wange, ich bemerke es kaum, kann nicht steuern, was mein Körper tut. Ich spüre, wie Sherlock zittert, aber vielleicht bin ich es auch, der das tut. Ich ziehe ihn vorsichtig zu mir, dann neige ich den Kopf und mein Mund trifft auf seinen.

Ich spüre nicht mehr als die Wärme seiner Lippen, der Kuss ist so zart, dass ich nicht einmal weiß, ob man ihn einen nennen kann. Ich warte ab und darauf, dass Sherlock sich verkrampft, mich von sich stößt, mich fragt, wieso ich überhaupt bei diesem bescheuerten Spiel mitmache. Aber nichts davon passiert. Ich ziehe ihn an mich, atme unruhig gegen seine Lippen, küsse ihn erneut, so vorsichtig und sanft, wie ich es noch nie getan habe, frage mich, ob er es so mag, ob es ihm gefällt oder zu viel ist. Meine Finger finden den Weg in seine Haare, ich halte ihn fest, vertiefe den Kuss. Sherlocks Hände greifen nach mir und in meinen Pullover, bringen uns näher zusammen, ich spüre, wie sein Körper unter meinen Fingerspitzen vibriert. Dann erwidert er den Kuss, öffnet schüchtern seine Lippen. Meine Zungenspitze berührt seine, zaghaft, fragend, jedes Härchen an meinem Körper richtet sich auf. In meiner Brust beginnt es zu ziehen, mein Kopf ist leer, mein Herzschlag laut und schnell. Ich rieche Minze und Kaffee, schmecke Himbeeren und die cremige Mousse der Nachspeise.

Und dann ist es plötzlich vorbei. Wir sehen einander an, ich spüre Sherlocks schnellen Atem auf meinem Gesicht, halte seines noch immer fest. Ich kann die anderen Grölen und Pfeifen hören, aber es ist alles unendlich weit weg. Nur Sherlock, der ist mir noch immer ganz nah. Und mit ihm sind da auf einmal Gefühle, von denen ich mir nicht erklären kann, woher sie auf einmal kommen.


-


Sherlock und ich liegen auf dem Bett. Ich habe ihm den Rücken zugedreht, weil ich mir sicher bin, seinem Blick nicht standhalten zu können. Nicht jetzt. Nicht danach. Es ist nicht so, dass es sich nach so viel mehr angefühlt hat. Nach dem, was ich fühle, wenn ich Frauen küsse. Nach der Lust auf mehr, nach ein bisschen Erregung, nach dem Ziehen im Bauch und Brennen auf der Haut. Aber das ändert nichts daran, dass es eben auch nicht nichts gewesen ist.
Die Stille ist aufgeladen, surrt, ein Knistern liegt in der Luft. Ein Gefühl wie eine Gänsehaut, die mich erschaudern und mein Herz stolpern lässt. Ich will etwas sagen, aber ich kann es nicht. Seit dem Kuss umhüllt uns eine Blase des Schweigens und ich bin nicht dazu imstande, sie zu brechen. Eigentlich bin ich zu gar nichts mehr imstande. Mein Kopf ist überladen von Gedanken, mein Verstand aufgewühlt, mein Herz orientierungslos und mein Körper erschöpft. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mit Sherlock reden? Oder würde das die ganze Situation noch seltsamer machen als sie ohnehin schon ist?

PROMISE ME || LemonleliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt