(Johns POV)
„Nur noch fünf Tage, liebe Brüder, und unsere Wege trennen sich wieder. Wir haben viel zusammen erlebt, Gutes, aber vor allem Schlechtes, und ich will, dass wir denjenigen danken, die uns hierhergebracht haben. Ihretwegen dürfen wir leben, atmen, lieben. Ich will, dass mir und euch allen noch einmal bewusstwerden kann, wie viel wir denen zu verdanken haben, die heute nicht mehr hier sein können."
Zinos Worte sind dumpf und weit weg, fast unverständlich, durchdringen nur langsam mein Bewusstsein. Meine Hände umklammern die Sitzfläche meines Stuhls. Das Holz ist kalt und glatt. Zino lächelt in die Runde und dieses Lächeln ist wie eine Faust in meinem Gesicht. Ich schlucke hart, würge den Schmerz und die kalte Angst herunter, kämpfe gegen die Übelkeit an. Zinos Sätze sind wie Hände, die sich um meinen Hals legen und langsam zudrücken, immer ein bisschen fester, so lange, bis ich keine Luft mehr bekomme, bis ich nur noch ein- aber nicht mehr ausatmen kann.
„Wir können nicht jedem einzelnen gedenken, obwohl sie das alle verdient hätten, aber wir können mit dem weitermachen, was sie nicht zu Ende bringen konnten. Die Welt zu einem besseren Ort machen. Sie haben ihr Leben für unseres gegeben und dafür muss es einen Grund geben."
Ja, unglückliche Zufälle. Pech und Glück, mehr nicht.
„Ihr Tod soll nicht umsonst gewesen sein. Ich möchte, dass wir uns das versprechen. Denn so haben wir es auch damals schon gemacht. Wir haben uns Treue geschworen, die Treue bis in den Tod."Ich werde immer an deiner Seite sein, John. Und wenn ich sterbe, dann sterbe ich für dich. Aus Treue und aus Liebe. Vergiss das nicht. Ich schließe meine Augen, lasse mich von den Erinnerungen überrollen, bin wehrlos gegen die Wucht, mit der sie mich treffen. Da sind Schüsse und tote und verletzte Körper. Gesichter voller Angst. Cédric. Blut. Erleichterung. Schmerz. Cédrics Lachen. Wärme und Kälte. Und dann ist da Harry. Und sein Gesicht, als er das letzte Mal ausatmet.
Mein Stuhl rutscht quietschend über das teure Laminat, als ich aufstehe. Ich spüre die Blicke der anderen auf mir, brennend und fragend, aber ich ignoriere sie, sehe nicht zu Sherlock, nicht zu Zino, nicht zu Cédric, stehe einfach auf und gehe. Und niemand hält mich auf. Weil sie wissen, was ich gesehen habe, und gleichzeitig gar nichts wissen.Harry und ich hätten nicht dort sein dürfen. Aber wir waren es doch, weil wir den Befehl unseres Vorgesetzten missachtet hatten. Weil wir glaubten, noch etwas ausrichten zu können, sie vor dem Tod zu bewahren, einige von ihnen zu retten. Wir haben niemanden gerettet. Nicht einmal uns selbst. Cédric hat uns gewarnt. Ihr könnt umkehren, aber ihr werdet nicht zurückkommen, hat er gesagt und mich angesehen, als wollte er mich mit seinem Blick festhalten, weil er es mit seinen Händen nicht konnte. Hätte ich auf ihn gehört, wäre Harry noch am Leben. Aber weil ich das nicht getan habe, ist er es nicht mehr.
Ich werde schneller, haste durch die langen Korridore des Herrenhauses, als könnte ich den Erinnerungen entfliehen, wenn ich nur schnell genug vor ihnen davonlaufe. Natürlich funktioniert das nicht. Weil man seiner Vergangenheit nicht entkommen kann. Harry ist tot. Meinetwegen. Der Harry, der mich geliebt hat und den ich nicht geliebt habe, nicht lieben konnte. Für mich. Für das, was ich jetzt bin. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, in dem ich es verstanden habe. Mein Verstand war leer und jede Zelle meines Körpers hat das begriffen, was ich längst sehen, aber noch lange nicht glauben konnte. Ich sehe Harrys Gesicht vor mir, seine grünen Augen und seine dunklen Locken. Er hat immer gelächelt. Jetzt wird er das nie wieder tun. Und ich werde mich nie für das entschuldigen können, was ich ihm angetan habe. Ich habe ihn nicht geliebt. Nur er mich. Er hat mich viel zu sehr geliebt.
Ich bleibe ruckartig stehen, stütze mich mit beiden Händen auf meinen Knien ab, atme gegen die Übelkeit und den lähmenden Schmerz der Vergangenheit an. Ich schließe die Augen, kämpfe gegen die Tränen an, hasse mich, wünschte, ich wäre an seiner Stelle gestorben, wünschte, ich hätte ihn so sehr geliebt, wie er mich geliebt hat, weiß, dass es gut ist, dass ich es nicht getan habe, hasse mich dafür, wünschte, ihn noch einmal sehen zu können, ihm sagen zu können, wie leid es mir tut.
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PROMISE ME || Lemonleli
FanficEigentlich wollte John Sherlock nur zeigen, wie man datet. Und sich anfasst. Und ihm beweisen, dass er es schafft, ihn seinen eigenen Namen vergessen zu lassen. Dass er Sherlock dabei auch unwissentlich etwas über Gefühle und Liebe lehrt, war nicht...