Es vergingen einige Tage, ohne irgendein nennenswertes Ereignis. Bis auf die Geheimniskrämerei rund um meine Ballerina-Karriere war mein Leben eigentlich ziemlich langweilig - an den Wochenenden lernte ich für die Schule, tanzte oder unternahm etwas mit Aoi, wenn diese nicht gerade übers Wochenende nach Hause gefahren war.
Am Samstag telefonierte ich mit meinem Vater. Ich sprach viel öfter mit ihm als mit meiner Mutter, was vermutlich daran lag, dass er mich in allem was ich jemals begonnen habe, immer unterstützt hat. Mona will Bogenschießen? Papa bringt sie zum Training. Mona will reiten? Papa fährt einmal pro Woche mit Mona auf den Reiterhof. Mona will Ballett tanzen? Papa kauft ihr ein Tutu.
Egal was es war, wann es war, er hat mir immer den Rücken frei gehalten. Meine Mutter war da anders: Mit dem Reiten und dem Bogenschießen hatte sie noch kein Problem, aber als ich mit dem Ballett anfangen wollte, da gingen sämtliche Pferde mit ihr durch."Nein, mit Ballett fängst du mir nicht an, Kleines", hatte sie gesagt und mir den Kopf getätschelt als ich darum bat in die Tanzstunde in der örtlichen Musikschule gehen zu dürfen.
"Ach komm schon, Liebes. Wenn sie doch so gerne tanzen möchte", hatte mein Vater eingewandt.
"Kenjiro, ich verbiete es. Ich war lange genug ein Teil dieses Konstrukts aus physischem Schmerz und Leistungsdruck um zu wissen, dass sie Ballett nur kaputt machen wird."
"Sie ist sechs Jahre alt. Wer sagt denn, dass sie irgendwann Ballerina werden will? Letztes Jahr wollte sie noch Traumfängerin werden und gestern hat sie mir gesagt sie möchte irgendwann Raupenzüchterin werden. Nur weil sie jetzt gerne mit dem Ballett anfangen will, heißt das nicht, dass sie den gleichen Fehler wie du machen wird."
"Sie ist MEINE Tochter, sie WIRD Ballerina werden wollen. Ich weiß das."
"Sie ist auch MEINE Tochter, und ich will nicht, dass du ihr ihre kindliche Freude am Tanzen kaputt machst."
Ich kann mich noch erinnern, dass ich an diesem Punkt zu weinen begonnen habe, weil ich es nicht aushielt, dass meine Eltern sich wegen mir stritten. Schlussendlich setzte sich mein Vater durch und ich durfte mit dem Ballett anfangen. Bis ich 14 war, erlaubte es mir meine Mutter. Als es aber darum ging, dass ich intensiver trainieren und mehr Zeit auf Spitze verbringen wollte, hatten wir einen riesigen Streit, der darin mündete, dass ich nicht mehr tanzen durfte. Meine Mutter hat mir nie verraten warum sie das Ballett so sehr hasst. Alles was ich weiß ist, dass sie selbst eine überaus berühmte Ballerina war und einige schlechte Erfahrungen in der Welt des Tanzes gemacht hat. So ging dann die Geheimniskrämerei los, denn mein Vater wollte auf keinen Fall, dass ich etwas, was ich so sehr liebte, aufgeben müsste. Er begann mich heimlich zum Ballett zu bringen, monatlich einen gewissen Betrag für meine Ausrüstung auf die Seite zu legen und meine Ballettsachen bei seiner Mutter, meiner Oma zu waschen. Meiner Mutter erzählte ich, ich wäre einem Debattierclub beigetreten, der sich dreimal die Woche trifft, und zack, wir hatten eine perfekte Lüge.
Regelmäßig sprach ich mit meinem Vater über die Possibilität meine Mutter doch einzuweihen, doch mein Vater wehrte sich vehement. Nicht weil er meiner Mutter nicht die Wahrheit sagen wollte, sondern weil er wusste wie sie reagieren würde. Es gab nichts was sie mehr verabscheute als den Gedanken, dass ich in diesem Leben Tänzerin werden würde. Sie wäre nicht enttäuscht darüber, dass wir sie nunmehr drei Jahre lang belogen hatten, sondern darüber, dass ich entgegen ihres guten Willens doch ein Leben in dieser Welt gewählt hatte, von der sie so bitter enttäuscht worden war. Als ich sie während unsere Streits vor drei Jahren darauf ansprach, warum sie das Tanzen so sehr hasste, antwortete sie nur: "Weil es mein gesamtes Leben damals zerstört hat."
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Spitzentanz - A Haikyu!! FanFiction
FanfictionMona Akayama ist eine Schülerin im zweiten Jahr der Shiratorizawa Akademie und sozusagen nebenberuflich insgeheim Ballerina. Als sie mit einer Bierdose in der Hand ihre Pirouetten in der Nähe einer der Sporthallen dreht, wird jemand ganz besonderes...