Kapitel 3

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Monas PoV

In den darauffolgenden Tagen verfolgte mich immerzu der subtile Angstschimmer von Ushijima verraten worden zu sein, ich rechnete beinahe jeden Moment damit ins Direktorat gebeten zu werden nur um zu erfahren, dass ich aufgrund meiner feucht-fröhlichen Alkoholeskapaden auf dem Schulgelände der Schule verwiesen worden war. Es passierte jedoch nichts dergleichen, die ganze Woche, verging ruhig, ohne Zwischenfall, keine einzige Lehrkraft sprach mich auf meine Übertretung des Reglements an. Erst als ich am Freitagnachmittag das Klassenzimmer verlassen hatte, konnte ich aufatmen, hätte er es jemandem gemeldet, wären mir spätestens heute die Konsequenzen offenbart worden.

Ich verließ das Schulgebäude und begab mich stehenden Fußes in das Internatsgebäude der Mädchen. Freitag bedeutete für mich nicht wie für meine Mitschüler nur Wochenende, nein, in diesem magischen Wörtchen von einer Wochentags-Bezeichnung schwang für mich auch immer der Begriff des Ballettunterrichts mit. Beschwingt und leichtfüßig legte ich den kurzen Weg zurück, unsagbar leicht und bereit, in meine ganz eigene, geheime Welt des Tanzens einzutauchen.

Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag waren meine fixen Trainingstage, ich nahm an diesen Tagen immer am Ballettunterricht der örtlichen Tanzschule teil, der jeweils von 15.45h bis 18.45 dauerte. Zusätzlich dazu trainierte ich sonntags alleine immer fünf Stunden extra, für die Technik. Meine Ballettlehrerin hielt große Stücke auf mich, sie ließ mich die Räumlichkeiten am Wochenende unentgeltlich benützen, alles nur, um mich meinem Traum von einer Karriere als Primaballerina ein Stück weit näher zu bringen.

Nachdem ich meine Schuluniform gegen Bodysuit, Ballettröckchen und Joggingshose getauschte hatte, packte ich meine Trainingstasche. Meine Zimmergenossin Aoi hatte sich nach der Schule zum Schlafen hingelegt und döste ruhig weiter während ich in aller Eile alles, was ich zum Tanzen benötigte in eine Sporttasche stopfte. Sie war in meiner Parallelklasse und das absolute Gegenteil von mir: ich liebte Sport und Bewegung, konnte mir gar nicht vorstellen, irgendwann einmal nicht mehr tanzen zu können, Aoi hingegen ging mit ihren Energiereserven sehr sparsam um. Jede Bewegung, die ihr in irgendeiner Wiese zu viel oder zu anstrengend erschien, sparte sie sich. Im Sportunterricht hechelte sie immerzu vor Anstrengung, sie konnte keine 300 Meter laufen ohne einen Hustenanfalls zu bekommen. Dafür war sie eine über die Maßen begabte Künstlerin - stundenlang konnte sie am Fenster sitzen und die Natur beobachten, die sie mit nur wenigen Bleistiftstrichen so filigran und kunstvoll zu Papier brachte, wie ich es nur selten gesehen hatte. Aoi modellierte traumhafte kleine Figürchen im Caravaggio-Stil und entwarf ganze Kollektionen, für die Yves Saint Laurent gemordet hätte. Ich hatte dahingehend leider zwei linke Hände, meine Kaninchenzeichnungen als Hommage an Dürers Hasen sahen aus wie von einem Fleischer misshandelte Schildkröten, von meinen miserablen Töpferkünsten fange ich gar nicht erst an. Alles, was ich wirklich gut konnte, war Tanzen, das war auch das einzige, das ich immer gewollt hatte.

Gerade als ich die Türe hinter mir schließen wollte, wachte sie aus ihrem Schlummer auf und fragte verdutzt und schlaftrunken: "Mona? Was machst du denn? Gehst du schon wieder zum Ballett?"

Ich hielt inne, drehte mich zu ihr und lehnte mich in den Türrahmen. Sie hatte das Kissen noch im Gesicht, neben ihrem Bett lagen einige Skizzen, an denen sie erst kürzlich arbeitete.

"Ja, ich komme so gegen halb acht wieder. Bis bald!", entgegnete ich.

"Woher nimmst du bloß all diese Energie? Vormittags bist du Schülerin einer Eliteschule und nachmittags ein aufstrebendes Ballettmäuschen in geheimer Mission", meinte sie begleitet von einem tiefen Seufzen.

"Tja, von nichts kommt eben nichts...", antwortete ich und zuckte mit den Schultern.

"Ich weiß, ich weiß. Dann bis später!"

Spitzentanz - A Haikyu!! FanFictionWhere stories live. Discover now