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»Steh auf.« Kematians Stimme war ruhig, aber bestimmt.
Eigentlich wollte sie sich nicht erheben. Eigentlich wollte sie liegen bleiben und sich eine Pause gönnen. Ihr Körper schmerzte, jeder Muskel schrie, sie sollte doch endlich aufgeben. Aber sie durfte nicht.
Sie stemmte die Arme in den Boden und quälte sich zurück auf ihre Beine. Staub und Erde hafteten an dem dunklen Stoff ihrer Kleidung. Die roten Haare trug sie zwar zusammengebunden, aber einige Locken hatten sich aus dem Zopf gelöst und klebten an ihrer Stirn.
»Du lässt rechts deine Deckung fallen, wenn du mit links blockst«, sagte Kematian und Sorah nahm sich einen Augenblick Zeit, während er erklärte, zu Atem zu kommen.
»Selbst wenn du mit beiden Händen blockst«, fuhr er fort, »darfst du deine Seite nicht offen lassen. Und wenn du nicht weißt, wie du richtig blockst, dann weiche aus. Die wenigsten Menschen, denen du auf der Straße begegnest, wissen, das sie ebenfalls ihre Beine im Kampf einsetzen können.«
Sie schnaubte. Wäre auch zu einfach, wenn er ihr beibringen würde, vernünftig zu blocken.
Er ignorierte ihren offenen Unmut und sagte: »Noch einmal.«
Sorah hatte nicht lang genug rasten können, um ein wenig zu Kräften gekommen zu sein. Doch zumindest waren seine Worte irgendwie in ihrem Kopf angekommen und nicht nur einmal hindurchgerauscht.
Sie trainierten fast jeden Tag. Schwertkampf und waffenlosen Kampf im Wechsel. Kematian hatte ihr erklärt, dass der waffenlose Kampf zwar unscheinbar klang, aber, selbst wenn jeder Gegner ein Schwert trug, ebenso tödlich sein konnte, wenn man wusste, wie man es richtig anstellte.
Und der entscheidende Vorteil beim waffenlosen Kampf: Man musste keine Klinge mit sich führen. Selbst wenn man im Schlaf überrascht würde, könnte man einen Gegner besiegen.
Manchmal gönnte er ihr einen Tag in der Woche Rast und am Anfang hatte er noch Bogenschießen oder Giftkunde in den Lehrplan geschoben, beides aber größtenteils fallengelassen.
Das Bogenschießen, da sie für sein Empfinden schon gut genug darin war und sie in anderen Bereichen größere Schwierigkeiten hatte.
Giftkunde, da sie sich beim ersten Mal beinahe umgebracht hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass sie beim Arbeiten mit giftigen Kräutern immer Handschuhe tragen und sich niemals ins Gesicht fassen oder ihre Finger ablecken sollte. Nur hatte Kematian es ihr im Vorfeld nicht gesagt. Er hatte sie erst darüber in Kenntnis gesetzt, nachdem er die Katastrophe gerade rechtzeitig abgewendet hatte und aufgehört hatte, sie ›dämlich‹ und ›unfähig‹ zu nennen.
Aber wer wäre sie schon, sich über seine Lehrmethoden aufzuregen? Sie war schließlich nur mehrfach fast daran gestorben.
Sie hob ihre Fäuste und beugte leicht die Knie. Kematian hatte ihr die Haltung gezeigt, er selbst nutzte sie jedoch nie.
Wie zuvor schlug er von links zu. Seine Bewegungen schnell. Kaum konnte Sorah sie wahrnehmen.
Gerade rechtzeitig blockte sie ab. Seine Faust traf ihre Unterarme und die darauf gelegenen blauen Flecken.
Sorah biss die Zähne zusammen und schluckte jeden Schmerzenslaut hinunter. Denn lange Zeit würde Kematian ihr nicht für ihr stummes Leid geben. Sein heutiges Ziel war es, ihr beizubringen, ihre Deckung nicht offen zu lassen. Wenn sie also nicht wollte, dass er ihr eine Rippe brach ...
Während sie seine Faust noch abhielt, drehte sie sich schon nach rechts, um dort ebenfalls zu blocken.
Ihre Füße verloren den Halt. Sie landete hart auf dem Rücken und ihr Kopf schlug auf dem Boden auf.
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The Tale of Sorah
FantasySorah ist ein Rabe in Ausbildung und eigentlich nicht für das Leben eines Attentäters geeignet. Ihre rebellische Natur und ihr Unwille, Befehlen zu folgen, machen es ihr schwer, sich den Assassinen anzupassen. Dennoch verbringt sie mehrere Monate be...