Kapitel 8

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28. Juni 1998 (nachmittags)

Ginny lag auf dem Bett und las 'Zaubertränke für Fortgeschrittene' als es an der Tür klopfte.

"Herein", rief sie und legte das Buch zur Seite. Harry trat ins Zimmer. Bei seinem Anblick fing ihr Herz sofort an schneller zu schlagen und ihr gingen Bilder von ihrem Kuss durch den Kopf.

"Lernst du etwa jetzt schon für deinen Abschluss?", wollte Harry ungläubig wissen.

"Ja. Je früher ich anfange, desto eher bekomme ich den Schulstoff bis Ende Schuljahr in meinen Kopf", erklärte sie. Harry zog mit einer Mischung aus Bewunderung, Anerkennung und Skepsis die Augenbrauen hoch. 

"Vielleicht sollte ich auch langsam damit anfangen, meinte er dann und sah nachdenklich in die Ferne.

"Also kehrst du wirklich nach Hogwarts zurück?"

"Ja ich werde zurückkehren." Harry lachte als sie aufsprang un ihm um den Hals fiel. Ginny hatte ihm nicht wirklich geglaubt als er es heute Morgenverkündet hatte, doch jetzt wurde ihr bewusst, dass der Aurorenjob wohl wirklich sein grosser Traum war. Sie drückte ihn noch ein bisschen fester an sich und er strich ihr sanft über den Rücken.

"Ohne Dumbledore und Snape wird es zwar nicht mehr das Hogwarts sein, das ich gekannt und wo ich mich zuhause gefühlt habe, aber ich werde ja nicht der Einzige aus meinem Jahrgang sein der den Abschluss wiederholt." Ginny gab ihm voll und ganz Recht. Das letzte Jahr ohne Dumbledore war seltsam gewesen. Er war jemand der die omnipräsent gewesen war, auch wenn er sich nicht im selben Raum aufgehalten war. Dieses Gefühl von Sicherheit, das er immer vermittelt hatte, spürte Ginny zwar immer noch in sich, denn sie wusste, dass er von dort, wo er jetzt war über sie alle wachte, doch es hatte sich merklich abgeschwächt. Wie ein Echo, dass in ihr nachhallte. Sie umarmtes sich immer noch, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.

"Wird Ron ebenfalls zurückkehren?" Ginny hatte Zweifel, dass ihr Bruder das wirklich durchziehen würde. Harry schmunzelte als er ihr antwortete.

"Ja wird er. Ich vermute allerdings dass es eher an Hermine liegt. Wenn sie nicht wäre, würde er vermutlich sein Leben lang hier wohnen und sich von eurer Mutter bekochen lassen. Übrigens ist Hermine gerade eben angekommen. Sie ist drüben bei Ron falls du sie begrüssen willst."
Ginny war schon fast zur Tür raus, als ihr ein Gedanke kam. Ron fände es vermutlich nicht so toll wenn seine kleine Schwester ihn beim knutschen erwischen würde. Aus demselben Grund war Harry wohl auch zu ihr gekommen, statt seinen beste Freundin zu begrüssen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und betrat wieder ihr Zimmer, wo Harry noch immer stand und sie verwundert anblickte.

"Ich lasse den beiden lieber mal ihre verdiente Zweisamkeit", erklärte sie, wobei sie versuchte, den Gedanken an Ron, der vermutlich in diesem Augenblick seine Zunge in den Hals ihrer besten Freundin steckte, zu verdrängen. Harry lachte und antwortete dann:

"Die haben sie aber auch verdient finde ich."
Ginny nickte bestätigend. Hermine und Ron hatten sich, anders als sie und Harry schliesslich bei der Schlacht von Hogwarts zuletzt gesehen. Bei der Beerdigung der Opfer, die drei Tage nach der Schlacht stattgefunden hatte, war Hermine bereits in Australien gewesen. Auch Fred war dort beerdigt worden ebenso wie Remus und Tonks und die vielen anderen Opfer. Beim Gedanken an Remus und Tonks fiel Ginny siedend heiss etwas ein. Vor lauter Trauer um Fred hatten sie den kleinen Teddy Lupin vergessen. Ginny spürte sofort den spitzen Stachel des schlechten Gewissens, der sich nun bemerkbar machte. Sie fühlte sich schrecklich. Wie hatten sie das vergessen können! Und wie würde sich erst Harry fühlen, wenn sie es ihm sagte. Schliesslich war er Teddys Pate und würde sicher für ihn da sein wollen. Teddy befand sich genau in der gleichen Situation wie Harry vor sechzehn Jahren. Der kleine Junge hatte gerade seine Eltern verloren. Harry schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte, denn er sah sie fragend an.

"Was ist los? Stimmt etwas nicht? Hast du dir wehgetan?", wollte er besorgt wissen.

"Setz dich besser hin", meinte Ginny vorsorglich. Nicht dass er ihr noch umkippte. Sie schob ihn zu ihrem Bett, setzte sich dann neben ihn und nahm seine Hand. Sie fühlte sich weich und warm an, als er ihre drückte.

"Jetzt sag schon", drängte Harry, immer noch mit besorgter Miene. Es rührte Ginny, dass er sich Sorgen um sie machte, doch diesbezüglich konnte sie ihn zum Glück beruhigen.

"Nein ich habe mir nicht weh getan", sagte sie und Harry atmete erleichtert auf.

"Aber mir ist gerade eingefallen, dass wir Teddy ganz vergessen haben", fuhr Ginny fort und beobachtete Harry besorgt als ein Ruck durch seinen Körper ging, als ihm die ganze Tragweite dieser Aussage klar wurde. Einen Moment später sank er in sich zusammen und stützte den Kopf in seine Hände.

"Wie konnte das passieren?! Nicht mal auf der Beerdigung ist mir in den Sinn gekommen, dass da ja auch noch Teddy ist. Wie konnte mir das bloss passieren?!", murmelte er fassungslos vor sich hin. Ginny strich ihm mitfühlend über den Rücken.

"Es ist nicht nur deine Schuld. Wir anderen hätten ebenso an ihn denken sollen. Wir haben uns alle so in die Trauer um Fred gesteigert, dass wir die anderen einfach vergessen haben. Und besonders dir kann man das nun wirklich nicht zum Vorwurf machen. Immerhin warst du das letzte Jahr durchgehen auf Horkruxenjagd und hast zudem auch noch die Welt vor Lord Voldemort bewahrt. Ein einzelner Mensch kann nicht immer an alles denken und immer und überall zur Stelle sein", versuchte Ginny ihn zu beruhigen.

"Aber ich bin sein Pate! Ich hätte daran denken müssen, dass ich für ihn da sein sollte, jetzt da seine Eltern tot sind. Sirius hatte damals immerhin einen guten Grund, mich nicht zu besuchen, doch ich habe Teddy einfach vergessen." Harry war immer noch vollkommen fassungslos, doch nun gesellten sich noch das schlechte Gewissen und Wut über sich selber dazu. Er befand sich in einer Abwärtsspirale, die er wohl nicht so schnell durchbrechen würde. Ginny kannte ihn. Sobald etwas nicht so lief wie es sollte, gab er sich daran die Schuld. Ginny musste lächeln als sie das dachte, an all die guten Eigenschaften die Harry hatte. Klar hatte er auch seine Fehler, doch waren es nicht die guten Sachen, die einen Menschen ausmachen? Ginny musste ihm das irgendwie begreiflich machen, doch wie es schien würde das nicht funktionieren. In seinen Augen war es der einzige Ausweg, die Sache wieder gut zu machen. Erst dann konnte er sich selbst verzeihen.

"Komm", sagte sie und stand auf.

"Wohin gehen wir?", fragte er skeptisch, liess sich aber von ihr hochziehen.

"Lass uns deinen Patensohn besuchen." Sie streckte Harry ihre Hand entgegen und mit einem lauten Knall disapparierten sie.

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