Liebes Tagebuch,
gestern war nicht viel los. Nachdem ich aufgrund Schwindel die Basilika San Francesco schon um 11Uhr verlassen hatte, ging ich zurück zum Hotel und aß dort im Restaurant eine Pizza Margarita. Anschließend machte ich einen ausgiebigen Mittagsschlaf, es ging mir direkt besser. Am Abend telefonierte ich noch 2h mit meiner besten Freundin Laura. Sie hatte sich frisch verlobt und war daher total aus dem Häuschen. Ich freute mich sehr für sie. Laura und Kyle waren schon seit Kindertagen ein Paar. Er hatte sie jahrelang auf diesen Antrag warten lassen. Aber wie meine Großmutter immer gesagt hatte: ,,Auf etwas Gutes, kann man warten.'' Ich vermisse sie sehr. Wäre sie gestern dabei gewesen, hätte sie dem italienischen Soldaten ihre ganze Lebensgeschichte erzählt. Dabei wäre es ihr egal gewesen, ob er hätte weiterarbeiten müssen. Sie hatte einfach ein Fabel für Italiener. Vermutlich hätte sie versucht mich mit ihm zu verkuppeln. Dabei wäre es ihr egal gewesen, ob ich nun schon Eriks Frau gewesen wäre oder Single. Bei so etwas jazze sie keine Schmerzgrenze. Oma war einfach speziell. Dafür liebte ich sie sehr.
Eriks Frau wurde ich nie. Tja liebes Tagebuch, da hat mir das Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht. Oft sitze ich da und denke, was wäre wenn. Was wäre, wenn wir damals nicht die Autobahn entlanggefahren wären? Was wäre, wenn der Geisterfahrer nur 1km vorher von der Polizei geschnappt geworden wäre? Was wäre, wenn ich auch angeschnallt gewesen wäre? Wer weiß wo ich heute stehen würde. Vielleicht vor dem Altar, vielleicht vor Gott, vielleicht vor meinem Büro.
Ich atmete tief durch. Ich wusste ich sollte diese Gedanken nicht so nah an mich ran lassen. Doch diese Fragen kamen immer wieder. Es war ein endloser Teufelskreis, dem ich nicht entfliehen konnte. Zumindest versuchte ich es.
Damit mir das heute gelingen würde, hatte ich mich heute früh bei einer Plantagenbesichtigung von Olivenbäumen angemeldet. Es war anscheinend ein absolutes touristisches Highlight, das ich mir nicht entgehen lassen durfte. Die Führung sollte am frühen Nachmittag beginnen und erst nach Sonnenuntergang enden. Sie beinhaltet eine 2 Stündige Führung und Wanderung durch die Plantagen, mit natürlich allen wichtigen Informationen zum Anbau, Pflege, Ernte und der Verarbeitung zu Olivenöl und weiteren Produkten. Am Ende der Tour wird noch eine Olivenöl-Verkostung mit einem leichten italienischen Abendessen verbunden. Zum Sonnenuntergang bietet das kleine Kloster am Fuße der Stadt einen kleinen Gottesdienst an. Ein Bruder des Klosterordens salbt dort dann die Hände mit frischem Olivenöl. Dies soll die Seele reinigen. Naja, ich habe 70€ dafür gezahlt, mal schauen ob dieser Ausflug so beflügelnd sein soll, wie die Broschüre es beschreibt.
Nach einem kleinen Spaziergang am Morgen, durch die Gassen von Assisi und einem kleinen Mittagessen in einem Restaurant, packte ich meine Tasche mit genügend Wasser und einem Snack für die Wanderung. Ich zog mir passendes Schuhwerk an und setzte mir eine Cap auf. Als ich in den Spiegel sah, musste ich grinsen. Ich war wirklich DER Vorzeigetourist. Es fehlte nur noch die Kamera um meinen Hals. Diese musste ich aber leider durch mein Handy ersetzen.
Um Punkt 14:30Uhr standen alle Teilnehmer am Treffpunkt vor dem Stadttor bereit. Ein älteres Ehepaar, war ebenfalls typisch Touristisch gekleidet. Woran ich schon von weitem sah, dass sie auch Deutsche sein mussten. Eine kleine Familie nahm auch teil. Die Eltern waren ebenfalls die klassischen Touristen, wobei die zwei Teenager für eine 2 Stündige Wanderung und für einen Gottesdienst eher weniger passend gekleidet waren. Vermutlich hatten sie sich diesen Urlaub anders vorgestellt. Sie sahen nämlich nicht wirklich begeistert aus, sich nun 2h lang Informationen zu Olivenbäumen anzuhören. Ich selbst war nicht wahnsinnig begeistert, da ich zu Oliven jetzt nicht den Wahnsinns Draht hatte. Ich mochte Oliven und auch Olivenöl, aber ich war jetzt nicht grade total verrückt danach. Aber eine Weile mit anderen Menschen zu verbringen und auf andere Gedanken zu kommen, auch wenn diese sich dann um Oliven drehen würden, war deutlich besser, als mich in der nächsten Kirche einer Panikattacke zu unterwerfen.
DU LIEST GERADE
Die Suche nach Dir
RomansaWarum musste er sterben? Warum konnte nicht stattdessen ich tot sein? Nach einem turbulenten Winter, welcher für Jenna schon seit 2 Jahren andauerte, erhoffte sie sich die Fragen die sie quälten in der Klosterstadt Assisi, hoch oben in der Toscana...