Kapitel 1 (04/04)

8 3 0
                                    


Erschrocken fuhr Tavis herum. Das Kästchen entglitt ihm und fiel scheppernd zu Boden, während eine kleine Gestalt aus dem Schatten trat.

„Jetzt sitzt der Dieb in der Falle, mhh. Erst bist du mir entwischt. Hast dich wie ein Wiesel davongestohlen. Aber lange konntest du Mock nicht täuschen. Ich habe dich beobachtet, kleiner Dieb. Du bist geschickt, doch ich wusste, wo du hinwillst." Ein leises Glucksen drang aus seiner Kehle. „Und nun ist Schluss mit dem Spielchen, mhh."

Tavis wich zurück. Im schwachen Licht sah er, wie der Almuni näherkam.

„Das Wiesel ist überrascht?" Spott mischte sich in die Stimme der Kreatur. „Ich bin untröstlich. Du hast so glücklich ausgesehen, mhh. Hattest die Beute direkt vor der Nase und doch stehst du jetzt mit leeren Händen da."

„Was willst du von mir?", presste Tavis hervor.

„Was Mock will? Was macht man bloß mit einem Dieb, der die Herrin bestiehlt, mhh?" Ein Kichern drang aus seinem Mund, als amüsierte er sich köstlich. Seine Augen, zwei schmale Schlitze, in denen giftgrüne Pupillen ruhten, verfolgten jede von Tavis' Bewegungen. „Die Stadtwache wurde gerufen, kleines Wiesel. Sie kommt und holt dich, sperrt dich in einen Käfig, wo du hingehörst. Doch vorher ...", er lächelte bösartig, „vorher habe ich ein wenig Spaß mit dir."

Tavis wich zurück. Seine Gedanken rasten und suchten nach einem Ausweg. Das Fenster war noch immer offen. Aber konnte er springen? Staub und Asche, da breche ich mir alle Knochen. Die einzige Alternative war die Tür. Wenn er es schaffte, den Alm beiseitezustoßen, konnte er ...

„Du wirst mir nicht entkommen", knurrte Mock, als hatte er die Gedanken des Diebs erraten. Auch wenn er deutlich kleiner war als der Mensch, besaß er einen stämmigen, kraftvollen Körper und Krallen, die Tavis gefährlich werden konnten. Sie schimmerten im fahlen Mondlicht, Werkzeuge, um zu verletzen, stumpfe Dolche, die Blut sehen wollten. Dann sprang er. Wie ein Raubtier, das aus seiner Deckung kam, sprang der Alm so plötzlich nach vorn, dass Tavis kaum eine Sekunde blieb, um zu reagieren. Er spürte, wie Mocks Krallen ihn um Haaresbreite verfehlten. In letzter Sekunde wich er dem Angriff aus und hechtete über das Bett, um Abstand zu gewinnen.

Finster blickte ihm die Kreatur hinterher.

„Hör mal", sagte Tavis und hob die Hände. „Im Grunde ist doch gar nichts geschehen. Ich verschwinde einfach wieder und ..." Er hatte den Satz nicht beendet, da schoss Mock erneut auf ihn zu. Der Alm fauchte gefährlich. Wie ein Wolf auf Beutejagd, bewegte er sich durch den Raum und hieb mit seinen Krallen nach Tavis' Kehle.

Also keine Spielchen mehr, dachte der Dieb. Die Wachen waren jetzt sein geringstes Problem. Als Mock ihn fast erreicht hatte, duckte er sich zur Seite weg. Eine Klaue streifte seinen Mantel. Doch so schnell sich der Alm auch bewegte, Tavis wich ihm ein weiteres Mal aus. Er wirbelte um Mock herum, verpasste ihm einen Schlag in den Rücken und sah zu, wie die Kreatur in den Spiegel krachte.

Das war seine Chance. Das Klirren von Glas dröhnte in seinen Ohren. Scherben regneten auf den Almuni hinab. Er nutzte die Gelegenheit und rannte zum Ausgang. Nur weg von hier. Das war alles, was jetzt zählte. Er riss die Tür auf, drängte hinaus auf den Flur, und wähnte sich bereits in Sicherheit. Doch gerade, als er den Raum verließ, erwischte ihn ein Schlag, so heftig und brutal, dass er für einen Moment das Bewusstsein verlor. Als er seine Augen wieder öffnete, tanzten Sterne vor seinem Gesicht. Etwas Unbändiges hatte ihn erwischt. Wie ein Orkan, der aus dem Nichts aufgetaucht war, hatte dieses Etwas ihn gepackt und gegen die Wand geschleudert. Das Nächste, woran er sich erinnerte, war, wie er dumpf auf dem Boden aufschlug. Er hörte ein Knacken in seiner Brust. Wilder Schmerz schoss durch seinen Körper.

Tavis Quint - Der ZauberdiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt