Frischer start in den Tag

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Nachdem ich mich gestern noch mit allen zusammen gesetzt und ausgesprochen habe, ging es uns allen besser und ich konnte beruhigt schlafen gehen.

„Stehst du auf Mira?", fragt eine bekannte Stimme, doch erhält nur ein Brummen meinerseits. „Na gut, dann eben anders.", sagt die Stimme und verlässt mein Zimmer. Ich drehe mich wieder um und ziehe die Decke über meinen Kopf. Plötzlich wird meine Decke mit einem Ruck weggezogen und kaltes Wasser plätschert auf mein Gesicht. Mit einem lauten Schrei erhebe ich mich in die Senkrechte und knalle mit Alex zusammen. „Du...", beginne ich meinen Satz, beende ihn aber nicht. „Du wolltest es nicht anders.", sagt er und hebt die Hände. „Aber du hast einen ganz schön harten Schädel. Hast wohl von deinem Vater.", lacht er und reibt dann über seine Stirn. Ich tue es ihm gleich. „Das tat weh." „Aber jetzt bist du wach.", kontert er und geht. Seufzend stehe ich auf und mache mich im Badezimmer fertig. Das warme Wasser in der Dusche tut meinem Gesicht sehr gut, welches bis eben noch gefroren war, durch das kalte Wasser. Nachdem ich im Bad fertig bin, gehe ich müde in die Küche. Alex steht an der Küchenzeile und lacht in seine Hand, als er mich sieht. Ich werfe ihn einen bösen Blick und schnappe mir ein Glas aus dem Schrank. Er hält sein Lachen immer noch inne, was sich so anhört, als würde er einen Nieser zurückhalten. Phil betrachtet uns skeptisch vom Küchentisch aus, an dem er sitzt und genüsslich seinen Kaffee schlürft. „Lass es raus. Nicht das du erstickst.", sage ich zu Alex und haue ihm auf die Brust. Dann prustet er los vor lachen und bekommt sich kaum wieder ein. Ich setze mich inzwischen zu Phil und trinke mein Glas Wasser. „Frühstück?", fragt Phil und hält mir ein Brötchen hin. „Nee, kein Hunger.", winke ich ab und trinke ein Schluck, damit ich nicht auf seine nächste frage antworten muss. „Da unterhalten wir uns nochmal drüber.", antwortet er und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf Alex, der immer noch leicht lacht und dann mit einem Hustenanfall zu kämpfen hat. Phil steht auf und geht zu ihm hin. „Hey Kumpel, was'n so witzig?", fragt er seinen Kollegen und haut ihm auf den Rücken. Alex zeigt auf mich. „Du hättest sie heute morgen sehen müssen, als das kalte Wasser ihr Gesicht traf.", lacht er wieder los. „Ach Alex.", sagt Phil, klopft ihm noch einmal auf die Schulter und geht dann nach oben.
Nachdem der Alex sich mal wieder beruhigt hat, fragt er mich, ob er mich fahren soll. Ich bejahe dies, da ich mich in der Stadt selber kaum auskenne. Einige Minuten später schultere ich meine Tasche und laufe Alex hinterher. Phil muss gleich einkaufen und Papa musste schon zum Dienst, deswegen können sie mich nicht fahren. Alex Schicht fängt erst an, wenn ich in der Schule bin.
Vor einem großen Schulgebäude halten wir an. Einen Moment lang warte ich noch, bis ich tief einatme und das Auto verlasse. „Viel Glück.", wünscht Alex mir und fährt dann los. Ich laufe in das Schulgebäude, direkt zum Sekretariat, um meinen Stundenplan zu holen. Diesen erhalte ich relativ schnell und werde dann zu einem Raum geführt. In dem Raum sitzen schon viele gleichaltrige und an der Tafel steht eine Lehrkraft. Ich laufe zu ihr und sie beginnt mich vorzustellen. Diese Situation ist mir mehr als unangenehm. 25-30 Augenpaare liegen auf mir und Mustern mich. „Also Leute, das ist Mira Fabiano. Sie kommt aus München und ist jetzt hierher gewechselt. Es wäre schön, wenn ihr sie herzlich aufnehmt.", spricht die Lehrkraft, doch niemand zeigt eine Reaktion. „Ich bin Frau Schneider.", stellt sich die Lehrerin vor und weist mich dann auf einen leeren Platz, neben einem Mädchen. Ich setze mich hin und begrüße sie freundlich. Sie guckt mich nur abgenervt an und dreht sich dann nach hinten um. „Ganz schön fett oder?", höre ich das Mädchen fragen und sehe dann ihren Finger auf mir. Okay, damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe mich nie als „Fett" gesehen, weswegen ich ihre Aussage nun in Frage stelle und mich betrachte. Nach einigen Minuten versuche ich meine Aufmerksamkeit, trotz der Aussage, wieder auf den Unterricht zu lenken. In der Stunde geht es um das Herz-Kreislauf-System, wo wir direkt Hausaufgaben bekommen. Bio war nie mein Fach, schon an meiner alten Schule war es kein Favorit von mir. Den Schultag bringe ich trotzdem schnell hinter mich und werde dann von Phil abgeholt. Ich steige in sein Auto und starre auf meine Hände, die auf meinen Beinen ruhen. „Na, wie war dein Tag?", fragt er sanft. „Gut.", antworte ich knapp und widme meine Aufmerksamkeit dem Himmel. Er fährt los und die Fahrt vergeht schweigend. Zuhause erkenne ich ein rotes Auto, welches Paula gehört. „Ist Paula da?", frage ich, nach zehn Minuten schweigen. Er nickt und schnallt sich dann ab. „Sie verbringt heute und morgen die Tage mit uns. Hoffe das ist okay?", sagt er und blickt mich fragend an. „Klar.", antworte ich und schnalle mich ebenfalls ab. Nachdem wir das Haus betreten, lege ich meine Tasche in die Ecke und gehe in die Küche, in der Paula steht und etwas kocht. „Hey kleine.", sagt sie fröhlich und begrüßt mich mit einer Umarmung. Dann drückt sie Phil einen Kuss auf und ich mache Anstalten nach oben zu gehen. Noch während sie Phil küsst, huscht ihr Blick auf mich. „Mmm, essen ist fertig.", sagt sie, noch halb mit Phil verschmolzen. Phil sieht mich, ebenfalls wie sie, prüfend an. Sie wissen, was ich sagen werde. Das kann ich an deren Blicken sehen. „Mira?", fragt Phil, doch ich sprinte nach oben. Ich kann einfach nicht essen. Der Tod meiner Mutter liegt mir unfassbar schwer im Magen und dann noch dieser miese Schultag und diese Aussage, ich sei ‚ganz schön fett'. Würde ich jetzt essen, kommt es mir sofort hoch oder ich würde es Hochwürgen, um ja nicht zuzunehmen.
„Mira?", ruft Phil nochmal von unten. „Hab Hausaufgaben!", brülle ich und lass mich auf meinen Bett nieder. Dann klopft es an meiner Tür und Phil kommt rein. Er hält meine Tasche in der Hand. „Wie willst du die denn machen, wenn deine Taschen in meiner Hand ist?", fragt er und hält die Tasche hoch. Ich klatsche mir gegen die Stirn und greife sie mir danach. „Ich muss die wirklich machen, sonst sitze ich nächste Woche noch dran.", antworte ich und krame mein Arbeitsblatt raus. „Welches Fach denn?", fragt er und setzt sich zu mir. Ich zeige ihm mein Blatt und schmeiße es dann auf meinen Schreibtisch. „Da können Paula und ich dir nach dem Essen bei helfen, wenn das das Problem ist. Ich meine, wir haben Medizin studiert und sollten uns mit dem Herz-Kreislauf-System auskenne.", sagt er lachend und legt sein Kopf schief. „Kommt ihr?", ruft Paula von unten. Phil schaut mich besorgt an. „Komm.", sagt er und hält seine Hand hin. Ich schüttle vorsichtig mit dem Kopf. „Kein Hunger." Das war wohl die unglaubwürdigste Aussage meines Lebens aber was soll ich sonst machen? Soll ich sagen ‚ich kann wegen meiner toten Mutter nicht essen' oder ‚in der Schule wurde ich als fett betitelt und möchte jetzt nichts mehr essen, damit ich abnehmen kann'. Vielleicht sollte ich das sagen, da Phil sich echt sorgen macht. Nein! Diesen Gedankengang hab ich schnell wieder weggeschüttelt. „Mira?", fragt Phil und an seinem Gesicht konnte ich sehen, dass er schon was gefragt oder gesagt hat. „Hm?", nuschele ich. „Ob du wenigstens mit runter kommst.", stellt er erneut seine Frage, obwohl es sich eher nach einer Aufforderung anhört. Genervt stehe ich auf und gehe runter. „Na endlich.", sagt Paula, als wir uns an den Tisch setzen. Paula und Phil essen eine normale Portion und ich tue mir nur ein paar Nudeln auf, damit niemand Verdacht schöpft, doch es sollte noch schlimmer kommen...

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt