Ein Bild, welches man lieber vergessen will

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Es ist Papas Handy, wo er sofort rangeht. „Ah okay...verstehe...mhm...ja klar...okay...ja mach ich...bis gleich...auf Wiedersehen.", hört man ihn sprechen, bis er auflegt. „Ich muss zur Wache. Es gab einen Unfall mit dem RTW und jetzt benötigen die einen Ersatz. Ich arbeite bis heute Mitternacht.", sagt Papa, als er unsere fragenden Blicke bemerkt. Dann flitzt er schon nach oben und kommt kurze Zeit später in Dienstkleidung wieder nach unten und drückt mir einen Kuss auf. An der Tür nimmt er seinen Schlüssel, dreht sich nochmal um und zeigt auf die Infusion. „Das lässt du jetzt machen!", sagt er bestimmt und geht.
„Du hast ihn gehört.", sagt Phil entschuldigend und hebt die Hände. Augenrollend lasse ich mich auf einem Stuhl nieder, weigere mich aber, meinen Arm auf den Tisch zu legen. Phil setzt sich neben mich und Paula setzt sich auf den Tisch. „Komm schon Mira. Was spricht denn eigentlich dagegen? Sonst dürfen wir das doch auch machen.", fragt sie mich besorgt. „Wie gesagt, ich brauche keine, weil es mir gut geht.", antworte ich, langsam schon genervt. Eigentlich weiß ich selber nicht genau, wieso ich die Infusion ablehne, da mir ja schon noch schwindelig ist und ich weiß, dass die mir helfen würde. Aber wenn ich jetzt einknicke, wissen die, dass sie recht haben und versuchen es dann die nächsten Male wieder. Dann herrscht einige Zeit stille. Ich schaue hoch und sehe, wie Phil und Paula sich einen besorgten Blick zuwerfen. Dann sehen beide zu mir. „Mira, erbrichst du dich, weil du wieder abnehmen willst? Erst wolltest du nicht essen und dann finden wir dich nach dem Erbrechen wieder.", stellt Paula besorgt fest. Sofort schüttle ich meinen Kopf, bis es nicht mehr geht. „Nein, wirklich nicht. Ich hatte heute einfach nicht sonderlich Appetit und dann wurde mir plötzlich schlecht. Wirklich Paula. Ich habe euch versprochen, dass ich das nicht mehr mache und das meine ich ernst. Bitte glaube mir.", flehe ich sie an. „Okay, ich glaube dir. Ich würde es trotzdem für gut heißen, wenn du dir den Zugang legen lässt.", antwortet sie sanft. Plötzlich kommt Alex dazu. „Komm schon Mira. Ich musste letztens auch als Nadelkissen dienen.", sagt er lachend und kniet sich zu mir. Nach ein paar mal schniefen streicht er mir übers Bein. „Soll ich das machen? Hast du Angst vor Phil und Paula? Also ich hätte es.", sagt er lachend. Ich zwinge mich auch zu einem Lächeln und schüttle dann mit dem Kopf. „Ne du, lass mal. Nicht, dass deine Bazillen dann in meinem Blut sind.", antworte ich. Er nickt lächelnd und steht dann auf. „Okay.", sagt er und geht in die Küche. „Na gut. Macht, was ihr nicht lassen könnt.", entscheide ich mich schlussendlich und hole meinen Arm aus meinem Ärmel. Phil beginnt mit dem Stauband, dann folgt das desinfizieren und schlussendlich holt er die Nadel hervor. „Weg gucken Mira.", sagt er, was ich auch mache. Ich kann das einfach nicht bei mir selber sehen. Als ich Phil letztens den Zugang gelegt habe, hatte ich keine Probleme damit aber bei mir selber ist das immer Next Level. „Einmal tief Luft holen.", sagt er und drückt dann die Nadel durch meine Haut. „Das war's schon.", sagt er lächelnd und befestigt die Infusion. Ich bedanke mich und setze mich dann, samt Infusion zu Alex auf die Couch.

Etwa zwei Stunden später geht es mir deutlich besser und auch die Bauchschmerzen sind weg. Die haben wohl etwas Schmerzmittel in die Infusion gerührt. Wir sitzen alle auf der Couch, bis mein Magen anfängt laut zu knurren. Trotz der Fernseher Geräusche liegt die ganze Aufmerksamkeit auf mir. „Hat da jemand Hunger?", fragt Phil lachend. Ich halte mir den Bauch und nicke. Auch Alex hält sich hungrig den Bauch. „Gut, dann lass uns was machen.", schlägt Paula vor. „Ich helfe dir.", sage ich und stehe auf. Sofort hält mich Phil an der Hand zurück. Ich gucke ihn verwirrt an, woraufhin er auf den Zugang deutet. „Die können wir erstmal abmachen. Du kriegst später noch eine zum schlafen gehen.", sagt er und zieht die Infusion ab. Den Zugang lässt er für später drinnen.
Danach gehe ich zu Paula in die Küche und bereite mit ihr Brotscheiben vor. Zuletzt kommt noch die Auflage aus dem Kühlschrank auf den Tisch und dann werden Phil und Alex hergerufen. Essen fühlt sich noch komisch an, da mein Magen, den ganzen Tag, so gut wie leer war. „Geht's? Oder wird dir schlecht?", fragt Phil, der das wohl bemerkt hat. „Bis jetzt gehts noch.", antworte ich und beiße ins Brot. Nach zwei Scheiben bin ich satt und lehne mich zurück.

Nach dem Essen legt sich Alex wieder hin, da seine Grippe ihn noch etwas fertig macht. Ich gehe in mein Zimmer und suche meine Schulsachen für morgen raus. Als ich das erledigt habe, fällt mir ein, dass morgen wieder Training ist. Mist, die lassen das doch nie zu. Egal, ich muss fragen, also entscheide ich mich wieder nach unten zu gehen. Komischerweise ist Alex nirgendwo aufzufinden, weswegen mein Blick zur Küche schweift, in der...ich glaube ich traue meinen Augen nicht. Paula sitzt auf dem Küchentisch und man sieht Phil vor ihr stehen. Meine Augen tun mir sehr leid, dass sie das sehen müssen. Schließlich drehe ich mich angewidert um und gehe die Stufen langsam nach oben. „Mira!?", sagt Paula erschrocken, woraufhin ich mich wieder umdrehe und anfange zu lächeln. „Heyyy.", sage ich, da mir nichts besseres einfällt. „Was gibts?", fragt sie und sieht mich fragend an. Ich frage mich, was passiert wäre, hätte sie mich nicht entdeckt. Aua, das hätte mein Gehirn nie verarbeiten können. Zum Glück waren sie noch angezogen. „Ähm.", stottere ich, da mich dieser Gedanke ziemlich aus der Bahn geworfen hat. „Oh Mira.", lacht Phil. „Du dachtest doch nicht etwa, dass Paula und ich...das wir hier...", stammelt er und lacht los. Auch Paula lacht. Was ist denn jetzt so witzig? Ich habe sie fast bei etwas erwischt, was meine jungen Augen lieber nicht sehen sollen. „Ich habe Paula nur mit etwas überrascht.", sagt Phil. „Das macht es nicht wirklich besser.", sage ich, da meine Gedanken immer mehr werden. „Paula, zeig es ihr.", sagt Phil. Paula streckt mir die Hand aus und ich sehe einen funkelnden Ring. „W-was?", mir fällt die Kinnlade runter. Hat Phil ihr gerade so einen Geschmacklosen Antrag auf dem Küchentisch gemacht? „Wir sind verlobt.", erklärt Phil glücklich. „Ja, den Teil habe ich schon verstanden. Aber wieso machst du ihr einen Antrag auf dem Küchentisch? Sowas sollte doch eigentlich romantisch sein.", antworte ich und gehe näher auf die beiden zu. Okay sie wollten also nicht miteinander schlafen, sondern er hat ihr nur einen Antrag gemacht. Gut, meine Gedanken sortieren sich wieder. „Ja, das hatte ich auch vor aber Paula hat den Tisch abgewischt und ich habe die Teller abgeräumt, dabei ist mir der Ring auf den Boden gefallen, weil ich ihn in der Tasche von meinem Hoodie hatte. Ja und dann hab ich ihr den Antrag gemacht. Ich weiß, ziemlich unromantisch aber trotzdem liebe ich sie.", erklärt Phil mir einen halben Roman. Ich nicke und überlege, weshalb ich eigentlich hergekommen bin.
Nach ein paar Minuten fällt es mir wieder ein. „Achso ihr seid ja Ärzte.", beginne ich. „Ja, zumindest steht das so auf Papier.", lacht Phil. Ich werfe ihn einen schiefen Blick zu. „Also ich weiß, dass ihr mir das eh nicht erlaubt aber darf ich morgen zum Training?", stelle ich meine Frage. Phil sieht zu Paula, die die Schultern hebt. „Von mir aus. Wenn's dir soweit gut geht.", sagt er woraufhin ich ihn glücklich um den Hals falle. Dies mache ich auch bei Paula und renne glücklich in Richtung Treppe. „Aber denk dran, dass du gleich noch die Infusion bekommst.", sagt Phil. Ich nicke und will weiter rennen. „Wo ist das wandelnde Virus eigentlich?", frage ich, womit ich Alex meine. Beide lachen los, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legt. „Wenn du mich meinst, ich bin hier.", sagt Alex, der hinter mir auf der Treppe steht. Ich lache und gehe weiter in mein Zimmer.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt