04 Omega

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Auf dem Weg ins Haupthaus und in den großen Saal, wo alle Mitglieder dieses Hauses darauf warten, dass ihr neues Oberhaupt ihnen erklärt, wie es in Zukunft im Hause Cavendish weitergeht, erzählt uns Alpha von den gestrigen Ereignissen.

"Hier kommt ein weiteres Geheimnis von Haus Cavendish", beginnt er seine Geschichte und bringt mich zum Kichern und Griffin zum Lächeln. Wer würde glauben, dass mein Alpha so ein Witzbold sein kann? Egal. Ich würde sowieso niemandem davon erzählen und damit womöglich seinen Ruf untergraben.

"Robert James Cavendish ist nicht der Alpha-Erbe unseres Hauses. Mein Om war der Erbe, der Robert Barlowe geheiratet hat. Dieser hat nicht nur unseren Nachnamen übernommen, sondern auch noch James hinzugefügt, damit man schnell vergisst, dass er nur angeheiratet ist."

"Ein Omega-Erbe?" Das ist sicher eine Überraschung, aber Alpha nickt mit diesem dünnen Lächeln auf den Lippen, das seine Augen nicht erreicht. Das ist ein Kampf, den es noch zu kämpfen gilt, bis so etwas allgemein anerkannt werden würde.

"Lasst mich diese Geschichte richtig erzählen. Meine Eltern waren sehr ineinander verliebt und Dad schien glücklich zu sein, selbst noch als er nach dem Rücktritt meines Großvaters die Führung nur als Marionette übernahm, deren Fäden von meinem Om und Großvater gezogen wurden."

Das kann doch nur ein Märchen sein, wie man es sich unter Omegas erzählen würde, nicht mehr und nicht weniger. Ich muss sehr ungläubig dreinschauen, denn Alpha zwinkert mir verspielt zu, spricht aber schon weiter.

"Bevor er das Haus von meinem Großvater übernommen hat, hat meine Familie dafür gesorgt, dass ein großer Teil unseres Geldes und Besitzes in zwei Treuhandfonds eingebunden wurde, die in ihrem Testament an zwei verschiedene Voraussetzungen gebunden sind, bevor sie an den Erben übergehen. Einer, so entschieden sie, würde mir gegeben, sobald ich verheiratet bin und für den anderen muss ich ein Kind zeugen. Beide Fonds sind somit unerreichbar für meinen Vater."

"Jetzt verstehe ich den Deal zwischen unseren Vätern. Deiner braucht den Beweis deiner Vaterschaft und meiner einen Alpha-Erben."

"Stimmt, aber sie haben beide vergessen, uns nach unseren Wünschen zu fragen, oder?"

Alphas grimmige Worte überwältigen mich wirklich und ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber Griffin wirft eine weitere gute Frage ein.

"Warum haben sie diese Verpflichtung, ein Kind zu zeugen, gewählt? Wussten sie damals nichts von dem Gendefekt?"

Alpha seufzt schwer. "Mein Großvater war ebenfalls sehr in seinen Mann verliebt. Deshalb weiß ich, dass Liebe wichtig ist, sogar für einen Alpha. Ich bin damit aufgewachsen. Sowohl mein Om als auch mein Großvater lehrten mich, dass Liebe nicht erzwungen werden kann, jedoch Wert ist, an ihr festzuhalten, selbst wenn die Beziehung unkonventionell ist."

Er teilt einen bedeutungsvollen Blick mit Griffin, der seine Liebe für ihn zeigt, und ich verstehe ihn ein bisschen besser. Er hat sich ebenfalls für den Weg der Liebe entschieden. Dennoch ist er nicht bereit, dafür den Kampf um die Macht aufzugeben.

"Mein Großvater akzeptierte, dass sie nur eine Chance hatten, ein Kind zu bekommen und dabei seinen Mann zu verlieren. Was auch geschah, als er meinen Om zur Welt brachte. Mein Ompa opferte sein Leben unter dem Versprechen, dass sein Sohn der Erbe werden würde, selbst als Omega. Und Großvater hielt sich nicht nur an das Versprechen, sondern half meinem Om auch, einen passenden Alpha zu finden, den er nicht nur als Marionette benutzen, sondern in den er sich auch verlieben konnte. Sie hatten Glück mit meinem Vater und auch damit, dass mein Om am Tag meiner Geburt nicht starb."

Jetzt begreife ich, wieso sie glaubten, AJ dazu zwingen zu müssen, den von ihnen gewählten Weg ebenfalls einzuschlagen. Alles, damit die Linie der Cavendish-Familie nicht endet und ihre eigenen Opfer nicht umsonst waren. Das ist so traurig.

"Dad war gegen Griffin, weil es mit ihm nie ein Kind geben würde. Er wusste auch, dass ich nicht heiraten würde, bevor ich selbst zum Familienoberhaupt geworden bin. In die Ehe zwingen kann er mich ja leider nicht. Also war er auf diesen anderen Teil fixiert, nur um noch ein paar Jahre länger die Führung zu behalten."

"Also ist es wahr. Dein Haus braucht Geld und dein Vater dachte, der Vertrag mit Haus Richmond würde ihm helfen, an dieses Geld zu kommen?"

Alpha nickt grimmig. "Zumindest soweit es Dad betrifft. Meine Finanzen sind weit besser aufgestellt, doch ich halte sie bewusst vor ihm zurück. Ich möchte damit mein Haus aufbauen und es nicht zwischen seinen Fingern verrinnen sehen."

Er schüttelt den Kopf und kommt zurück zu den aktuellen Ereignissen, sein Blick stur auf den Weg vor sich gerichtet, auch wenn wir recht langsam voranschreiten und immer mal wieder stehen bleiben.

"Er hat bereits versucht, mit dem Selbsttest an den Fond zu kommen, nur um zu hören, dass er eine ärztliche Bescheinigung dafür braucht. Also kam er gestern bei OCC vorbei, um sich diese zu holen, und versuchte es erneut. Erst dann erfuhr er, dass ich meine Generalvollmacht für ihn vor langer Zeit zurückgezogen habe. Und als er Antworten verlangte, zeigte ich ihm, dass er nicht nur keine Macht mehr über mich hat, sondern dass ich seine Unterschrift nicht brauche, um ihm die Führung abzunehmen. Mit besagtem Vertrag lieferte er den schlüssigen Beweis, dass er nicht mehr richtig bei Verstand ist. Er enthält Aspekte von Sklaverei und Menschenhandel, beides ist strengstens verboten und wird schwer bestraft."

"Oh mein Gott. Du hast ihn dazu gebracht, sich einvernehmlich in die gewählte Einrichtung einweisen zu lassen und damit die Führung abzugeben, weil er sich sonst dem Gesetz hätte stellen müssen?"

Griffins schockierter Vorwurf der Erpressung erschüttert mich bis auf die Knochen, aber als ich den Schmerz in den Augen von Alpha sehe, weiß ich, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Vielleicht braucht es einen anderen Erben, um es zu verstehen. Und das tue ich, sobald ich anfange, wie besagter Erbe darüber nachzudenken.

"Nein, sein Vater hat zugestimmt, weil er sonst der Grund für den Untergang von Haus Cavendish wäre und damit könnte er niemals leben."

Alpha bleibt vor den großen Flügeltüren zur großen Halle stehen, die wir endlich erreicht haben, dreht sich um und zieht mich in seine Arme, um mich fest zu umarmen.

"Danke, Cosimo."

"Weißt du", sage ich zu Alpha, als er mich wieder loslässt. "Deine Geschichte klingt wie ein Märchen. Ein Omega-Erbe klingt genauso real wie Frauen und Einhörner."

Griffin kichert, aber Alpha sieht mich streng an.

"Du musst wissen, dass Frauen ebenfalls echt sind."

Ich keuche in gespielter Überraschung auf. "Ich weiß nichts über Frauen, ich habe noch nie eine getroffen oder auch nur aus der Ferne gesehen."

"Das wirst du bald, denn es gibt mindestens zwei von ihnen in meinem Haushalt."

Damit dreht er sich um, stößt die Türen weit auf und schreitet hoch erhobenen Hauptes hindurch. Wir folgen ihm dicht auf den Fersen. Noch bevor wir die erste Reihe der aufgereihten Bewohner erreichen, flüstert er uns über die Schulter schnell etwas zu, das nur für uns bestimmt ist.

"Das heißt, ich muss jetzt auch ein Einhorn finden, oder?"

"Es muss, so beginne ich zu glauben, mindestens eines geben!", mischt sich Griffin ein und wir müssen uns alle sehr anstrengen, nicht vor all den Leuten laut los zu lachen, von denen wir ernst genommen werden wollen. Was sind die zwei doch für Clowns. Und das ist es. Das besiegelt den Deal für mich. Was auch immer meine Zukunft bringen wird, hier und jetzt entscheide ich mich, dass sie in diesem Hause und an ihrer Seite stattfinden wird.

Albetome 2 / Beta ✔️⏯️3️⃣Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt