07 Beta

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"Hast du deinen eigenen Treuhandfond bekommen?"
Cosimos Frage beim Abendessen beeindruckt mich und ich sehe ihn neugierig an. Diese Frage ist tiefgründig, denn es geht hier nicht nur um das Geld, sondern auch um meinen Stand im Hause Cavendish und wie AJ mich behandelt. Mein Freund hat recht, dieser Omega ist schlau und er kann gut mit Menschen umgehen. Er sieht hinter ihre Masken, das hat er heute Morgen schon mit Henno bewiesen, und er weiß, wie man mit ihnen spricht, um ihr Vertrauen zu gewinnen. So wie jetzt mit mir.
"Das habe ich. Aber nur einen Kleinen. Das lag zum Teil daran, weil Robert mich nicht offiziell in die Familie eingeladen hat, also hat AJ selbst einen für mich erstellt, aus seinem eigenen Vermögen. Aber hauptsächlich, weil ich autark bin und weil wir uns entschieden haben, eine Familie zu sein. Wir sind ein gleichberechtigtes Team und ich will mich mit meinem eigenen Geld einbringen."

Er neigt seinen Kopf zur Seite und beobachtet mich intensiv, bevor er wieder spricht. "Ihr müsst nicht verheiratet sein, um euch aneinander zu binden, oder?"
Ich nicke und lächle, froh, dass er es gleich verstanden hat. "Dazu wird es irgendwann auch kommen, aber es wird nichts ändern. Kein Papier wird für uns einen Unterschied machen, das haben wir schon vor einer Weile beschlossen."
Cosimos Lächeln wird ein wenig traurig und er seufzt. "Ich freue mich für dich, aber ich beneide euch beide gleichzeitig. In meinen Büchern lese ich so oft von Liebe wie dieser und manchmal träume ich davon, es selbst zu erleben. Aber ich hätte nie gedacht, dass so etwas real sein könnte, besonders mit einem Alpha."
Ich lächle ihn offen an und wünschte, ich könnte ihm das geben. "Ich habe es auch lange nicht geglaubt und neige noch immer dazu, ab und an daran zu zweifeln. Zu schön, um wahr zu sein, oder? Aber er hat mir bisher nie das Gegenteil bewiesen."
"Ich glaube nicht, dass er dich und deine Liebe jemals loslassen wird, Griffin. Er ist Hals über Kopf in dich verliebt. Du müsstest ihn schon verraten, damit er sich von dir abwendet, aber auch das wird nie passieren, denke ich. Alles, was ich tun kann, ist nicht zwischen euch beiden zu kommen. Aber so nahe wie ihr euch steht, denke ich nicht, dass ich dazwischen passen würde. Nicht, dass ich mir sowas wünsche. Ich schwöre dir, euch beide als meine Freunde zu haben ist genug. Wirklich!"

Immer aufgewühlter und unruhiger wird er mit jedem Wort und so lege ich meine Hand auf seinen Arm, um ihn zu beruhigen. "Das wissen wir und wir vertrauen dir, Cosimo. AJ mag dich, das kann man sehen und ich mag dich auch. Du bist kein soziales Projekt von uns oder so etwas. Mich würde nicht mal wundern, wenn er eines Tages mit dem Antrag ernst macht und dich wirklich heiratet. Aber wenn er das tut, dann nicht als Posse, sondern weil er dich wirklich heiraten will und es würde nichts daran ändern, dass er mich ebenfalls heiraten würde. Vielleicht sogar uns beide gleichzeitig."
Cosimo starrt mich ungläubig an, kommt aber langsam zur wesentlichen Erkenntnis dabei. Ich kann ihm dabei zusehen, wie meine Worte immer tiefer in ihn eindringen, bis er die Botschaft versteht.
"Danke schön!" Das ist schließlich alles, was er dazu sagt und ich nicke.
"Gern geschehen."
Mit meinen Worten habe ich ihn erneut in unsere Familie eingeladen und das nicht nur, weil ich weiß, dass es das ist, was AJ will. Ich will es auch.

Nachdem die leeren Suppenteller gegen die Hauptmahlzeit ausgetauscht sind, wechsle ich das Thema. "Was denkst du, wird dein Vater jetzt tun? Glaubst du, Adoption ist eine Option für ihn?"
Cosimo hustet und verschluckt sich an seinem Wasser. Nachdem er wieder zu Atem gekommen ist, schüttelt er heftig den Kopf. "Niemals. Vielleicht, wenn es irgendwo eine Familie mit einem Hauch von Richmond-Genen gäbe, aber er ist der letzte Richmond, also nein."
Dann neigt er den Kopf und blinzelt schnell, als ihm eine andere Idee kommt. "Eher würde er mit einem Konstrukt arbeiten wie in diesem Haus mit Alphas Eltern."
Er zittert und zeigt weitere Anzeichen von Angst, die ich sofort verjagen will. Es fällt mir zum Glück nicht schwer, seine Gedankengänge nachzuvollziehen, daher weiß ich auch, wie ich ihm helfen kann.
"Aber das ist jetzt auch keine Möglichkeit mehr für ihn. Er hat bei dir versagt und damit das Recht als Vormund auf dich verloren. Du darfst vielleicht noch nicht alleine leben, aber es ist jetzt deine eigene Entscheidung, wen du für deine Führung auswählst. AJ kann diese Rolle für dich übernehmen, selbst wenn du dich gegen das Kind entscheidest. Er hat dir genau das bereits angeboten. Und es gibt weitere Möglichkeiten."
"Ja, zum Beispiel OCC.", erinnert er sich und ich nicke bestärkend. Sicherheit ist es, was Cosimo am meisten benötigt.

"Also, welche Optionen sind ihm geblieben? Er ist vielleicht nicht so alt wie Robert, aber wenn er noch rechtzeitig einen Erben heranziehen möchte, bleiben ihm nicht mehr allzu viele Jahre, oder?"
Cosimo runzelt die Stirn und zieht die Augenbrauen zusammen, während er seine Angst vergisst und weiter über das Problem seines Vaters nachdenkt.
"Um die Wahrheit zu sagen, ich verstehe meinen Vater nicht wirklich. Nach meiner Geburt hat er die erste Hitze meines Oms genutzt, um es noch einmal zu versuchen. Nachdem es aber zu keiner neuen Schwangerschaft gekommen ist, fanden die Ärzte heraus, dass mein Om eine Infektion in seinem Eierstock hatte. Sie konnten sein Leben retten, aber nicht den Eierstock. Deshalb ist er seitdem unfruchtbar."

Er macht eine Pause, während wir unsere Teller füllen und auch unsere Gläser mit Wasser auffüllen, bevor er fortfährt.
"Es war eine sexuell übertragbare Krankheit. Mein Papa wurde getestet und es gab keine Anzeichen einer Infektion bei ihm, also vermutete er, dass mein Om ihn betrügt. Aber ein weiterer Test bewies, dass er und ich Vater und Sohn sind und es gab im ganzen Haus Richmond niemanden mit dieser Krankheit und auch sonst kein Beweis für Betrug. Es gibt andere Möglichkeiten, diese spezielle Krankheit zu bekommen, aber weil mein Om das Haus so gut wie nie verlässt, hielt Papa das für einen zu großen Zufall. Deshalb fing er an, meinen Om auszuspionieren. Als ob er ihn nur loswerden könnte, wenn er ihm Untreue nachweisen kann."

Ich höre aufmerksam zu und versuche, die neuen Fakten mit altbekanntem Wissen zu verbinden. "Vielleicht hat es etwas mit Haus de Audley oder seinem Cousin zu tun, der im Haus Richmond wohnt."
Cosimo gefällt diese Idee und er spielt sie in seinem Kopf durch, während er spielerisch und gedankenverloren an seiner Gabel leckt. So, so süß.
"Om war definitiv viel entspannter, als er hörte, dass dieser Cousin immer noch bei ihm ist. Vielleicht hatte Papa diese Tatsache bewusst geheim gehalten, um mehr Macht über seinen Ehemann zu bekommen?", beginnt er laut zu überlegen, was es einfach macht, seinen Gedankengängen und somit diesem Gespräch zu folgen.
"Ich habe einmal für ein anderes der hohen Häuser gearbeitet und war überrascht, dass es dort einen Vertrag zwischen den Häusern gab, der vor der Hochzeit ihres Omegas mit einem anderen Alpha unterschrieben wurde. Wenn es zwischen Richmond und de Audley etwas ähnliches gibt, könnte es ihm teuer zu stehen kommen, wenn er sich scheiden lässt oder einen anderen Omega aufnimmt. Untreue könnte der eine Grund sein, der einem der Parteien die Macht gibt, den anderen zu verlassen."

Cosimo erstrahlt wie die Sonne, als er zu begreifen beginnt. "Das muss ich unbedingt auch recherchieren. Jetzt muss ich wirklich mit meinem Om oder diesem Cousin sprechen. Verdammt. Om hat mir einmal gesagt, dass er sich sofort in den starken und gutaussehenden Alpha verliebt hat, den er unter der Aufsicht seiner Familie getroffen hat, aber ich dachte immer, das sei nur ein Strohfeuer gewesen. Und obwohl ich andererseits fest davon überzeugt bin, dass Papa überhaupt nicht lieben kann, so dachte ich doch, er hätte zumindest ein paar Gefühle für seinen Mann, sonst hätte er ihn doch längst verjagt. Aber unter diesen Überlegungen stellen sich die Dinge ganz anders dar, oder?"

Als Bert, der junge Beta der uns bedient, reinkommt um das Geschirr einzusammeln, machen wir eine Pause und entscheiden uns beide gegen einen Nachtisch. Wir warten geduldig eine weitere Minute, bis wir wieder allein sind, bevor wir das Gespräch fortsetzen.

"Mit der Möglichkeit eines solchen Vertrages machen Papas Handlungen viel mehr Sinn. Möglicherweise ging es immer nur darum, seine Oms zu bestechen und zu erpressen, damit sie tun, was er von ihnen will."
Ich lächle ihm aufmunternd zu und greife nach der Fernbedienung, um den Fernseher für die Abendnachrichten einzuschalten.
"Vielleicht können wir auch mit jemandem aus Silkos Familie sprechen. Soweit ich weiß könnte sich so ein Vertrag auch auf die Kinder des Omegas auswirken, besonders wenn sie ebenfalls Omegas sind."
"Wie ich!" Er grinst breit und ich tue es ihm gleich.
"Wie du."

Dann drücke ich den Knopf und der Fernseher erwacht mit der Einführungsmelodie der 8-Uhr-Nachrichten zu leben. Perfekt.

Albetome 2 / Beta ✔️⏯️3️⃣Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt