7. Ausbruch

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Einen weiteren Arbeitstag würde Remus sicherlich nicht aushalten, das stand fest. Er könnte zwar auf die Wölfe warten und einen Plan mit ihnen aushecken, das würde aber zu lange dauern. Remus musste mal an sich denken und an Grant, der Zuhause auf ihn wartete. Also legte er sich am Abend wieder mit Carlos in das harte Bett, schloss die Augen und tat so, als würde er schon schlafen.

Sobald keine Geräusche der Wölfe oder Halb-Elfen mehr ertönten und auch der Atem seines Gegenübers gleichmäßiger wurde, öffnete Remus die Augen. Das Wolfsein brachte ihn wenige Vorteile, aber einer davon war, das er auch im Dunkeln fantastisch sehen konnte. Zumindest trat er so nicht auf irgendwelche Körperteile, Schuhe oder kaputte Holzdielen und weckte somit auch niemanden.

Gerade war er an der verriegelten Tür angekommen, da schreckte ihn eine dunkle Stimme auf. „Wo willst du hin?"
Blitzschnell drehte Remus sich um und entdeckte eine Gestalt mit verschränken Armen hinter sich. Es war Carlos, konnte er erkennen und atmete durch. „Verdammt, erschreck mich nicht so.."
Der Wolf trat an ihn heran und musterte ihn mit den Katzenaugen, die in der Nacht gelb leuchteten. Plötzlich fühlte Remus sich schuldig, ihn nicht mit eingeweiht zu haben, nun, wo ihr Schicksal das Selbe sein würde.

Ohne ein Wort zu sagen trat Carlos gefährlich nah an ihm vorbei zur Tür, strich mit seiner Hand drüber und drückte dann dagegen. Nichts passierte. „Schon klar, es liegt ein Zauber darauf. Damit hättest du rechnen müssen."

Remus schaute ihn mit großen Augen an und fragte sich, was er tun würde, wenn er jetzt allein wäre. „Kannst.. du es öffnen?"

„Eventuell kann ich das. Wölfe sind auch magische Wesen, die meisten haben sogar das Zeug zum Zauberer. Ich habe mich schon immer gefragt, wieso wir in einer Welt skurriler Tatsachen weggesperrt werden."

Nachdenklich nickte Remus und lehnte sich an die Innenwand der Barracke. Er war sehr müde und wollte einfach nur noch über den Zaun springen und durch den Wald laufen, um in der Dämmerung vielleicht wieder unter normalen Menschen zu sein. Gleichzeitig kam ihm jetzt die Frage auf, ob er selbst das Zeug zum Zauberer hatte oder jemals einen ausführen können würde. Nun überließ er das erstmal Carlos.

Der stemmte seine Hände gegen die Tür, brabbelte leise etwas, das sich spanisch anhörte und plötzlich funkelte ein grüner Nebel durch die Luft und die Tür flog auf. „Wow", staunte Remus, ohne nachzudenken. Er wusste zwar, das solche Magie existierte, hatte sie aber noch nie zu Gesicht bekommen.

„Viel Glück, Lupin", sagte Carlos und schlurfte wieder zurück in sein Bett, das er jetzt für sich hatte. Verdutzt kratzte sich Remus sich am Kopf und drehte sich zu ihm. „Wieso hast du mir geholfen? Willst du nicht mitkommen?"
Er verstand nicht, wieso der Anführer so verständnisvoll und hilfsbereit war, obwohl sie sich erst seit einem Tag kannten.

„Ich gehe nicht ohne mein Rudel, ohne meine Familie. Wenn du dich in den Tod stürzen willst, viel Spaß und wenn du es schaffen solltest bin ich unglaublich froh für dich."

Da Remus darauf nichts geistreiches sagen konnte und ein unangenehmes Schuldgefühl seinem Magen plagte, nickte er stumm und verließ die Baracke dann endgültig.

Kein Soldat wachte davor, wahrscheinlich vertrauten sie ihrem Zauber zu sehr und machte sich keine Gedanken über einen versuchten Ausbruch. Er schaute sich genaustens um, schlich dann um das Gebäude und atmete die kalte Nachtluft tief ein.
Der Zaun hatte zwischen dem Tor eine Lücke, die keinen Stacheldraht besaß. Dorthin müsste er laufen, sich drüberhechten und dann weglaufen. Es waren einige Meter aber diese würde er in wenigen Sekunden überbrücken, wenn er nur schnell genug lief.

Die Uhr schlug gerade 3 Uhr und das erschien Remus als perfektes Ablenkungsmanöver, also rannte er beim 2ten Schlag so schnell er konnte los über den Hof. Seine Beine beschleunigten ihn nicht so wie er sich das vorgestellt hatte, doch trotzdem kam er voran.
Der nächste Schlag klang in seinen Ohren, gefolgt von einer Sirene. Verdammt, er hatte die Wachtürme vergessen, die an allen Seiten angebracht waren. Wie zum Teufel konnte er daran nicht denken?!

Den Tod in den Augen rannte er weiter und hoffte, er hätte doch eine Chance darauf, es zu schaffen. Vielleicht war er einfach schneller als die Soldaten, die erst ihre Waffen laden müssten, bevor sie ihn erschossen. Der Wind peitschte in sein Gesicht und ließ ihn kaum atmen, dabei war er so laut, das die Sirene nur ein Nebengeräusch in Remus Ohren war.
Was würde Carlos jetzt denken, der im Bett lag und gewusst hatte, was passieren würde. Hatte er ihn etwa deswegen geholfen? Wollte er ihn vielleicht einfach loswerden? War er jetzt schadenfroh?

Remus streckte die Arme nach vorne.
Der Zaun fühlte sich so nah an, das er jeden Moment danach greifen konnte. Fast war er da, aber falsch gedacht.
Anstelle eines Kugelregens hörte er nur die Schritte und fühlte, wie er zu Boden gerissen und fest mit den Schultern in die Erde gedrückt wurde.

Das war's.
Der letzte Augenblick war eine Demütigung und sein Tod eine Schande. Er würde Grant niemals wieder sehen, nie wieder Whisky schmecken, oder ein Buch lesen. Die Sonnenaufgänge in New York waren jetzt nur noch ein Wunschdenken seiner Erinnerung und er würde Bowie niemals live sehen können.

Aber irgendwie starb er einfach nicht. Es wurde viel ruhiger und er traute sich, seine zusammengekniffenen Lider zu öffnen.

Da waren die grauen Augen, die er schon so erforscht hatte, das er sie überall wieder erkennen würde. Zwar ein bisschen müder als zuvor, aber dennoch voller Emotionen. Er konnte sie sehen und lesen, wie ein offenes Heft. Er würde doch nicht sterben. Sirius würde ihn nicht töten.

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Guten Morgen!
Wars bei euch gestern auch so unglaublich warm? Ich hatte schon richtige Sommer-Feelings! xD Habt einen schönen Tag und genießt das Wetter.

Der Zug ins Paradies - ||Wolfstar||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt