Den ganzen Tag hatte ich an Remus Bett gesessen. Doch mit einem Blick auf die Uhr bemerkte ich, dass es Zeit wurde. „Du willst dir wirklich ansehen, wie Seidenschnabel hingerichtet wird?" Schwer seufzend stand ich vom Bett auf. „Ich hab Hagrid versprochen, ihm beizustehen. Ich muss hin." Ich wusste, er würde sich nicht dran halten, trotzdem ordnete ich ihm Bettruhe an:
„Du bleibst liegen, verstanden? Es geht dir nicht gut." Dann konnte ich ihm wenigsten vorhalten, ich hätte es ihm gesagt. „Ich hatte nicht vor, aufzustehen.", versicherte er mir. „Ist gut. Wir sehen uns später."
Auf dem Weg raus zu Hagrid begegnete ich einem hechelnden schwarzen Hund. „Was eine Überraschung.", grummelte ich und tippte mit meinem Zauberstab an das zerzauste Fell, als er ein kurzes Stück neben mir herlief. Der Hund schüttelte sich zufrieden. Endlich war er die Flöhe los. „Ich an deiner Stelle würde schnell wieder verschwinden, bevor wir noch Besuch bekommen. Du hast so nah beim Schloss sowieso überhaupt nichts zu suchen." Der Hund streckte einmal eine Schnauze nach mir aus. „Na los.", scheuchte ich ihn. Dann endlich verschwand er in den Büschen.
Stimmen näherten sich mir, also wandte ich meinen Blick von den raschelnden Ästen ab. „Ah, Madame Golding.", bemerkte Dumbledore mich, als er, der Zauberminister und der Schafrichter auf mich zu steuerten. „Hagrid wollte, dass ich dabei bin. Das macht Ihnen doch sicher nichts aus, oder?"
„Oh nein, Madame Golding. Das ist völlig in Ordnung." Zufrieden nickte ich und schloss mich dem Trupp an. Der Zauberminister sah zu mir. Ich bemerkte seinen eindringlichen Blick auf mir, also drehte ich meinen Kopf zu ihm herum. „Sind Sie und Lupin etwa nicht mehr verheiratet?", wollte er neugierig und mit einer Spur von Verwirrung wissen. „Was? Nein. Ich habe nur bemerkt, das der Ruf meines Mannes auf mich projiziert wird. Als ich den Job gewechselt habe, hab ich der Einfachheitshalber wieder meinen Mädchennamen angenommen."
„Oh, gut. Grund gütiger, Sie haben mir schon Angst eingejagt." Verwundert musterte ich Fudge von der Seite. Was sollte mir das denn sagen? Ich wandte unbehaglich meinen Blick von dem Minister ab und streifte dabei den von Professor Dumbledore, der mich mit schief gelegtem Kopf ansah, als würde er aus mir nicht schlau werden.
Ich war in Stille verfallen und hörte den Männern halbherzig beim Reden zu. Bedeutete, ich hörte sie reden, aber ich verstand sie nicht. Und es war mir auch ziemlich egal. Ich war nur hier, weil Hagrid nicht alleine sein wollte. Aus freien Stücken hätte ich mich niemals dazu bereit erklärt.
Wir überquerten die Brücke, wir wanderten über die Ländereien bis hin zu der Hütte am Waldrand. Ich hatte den Anschluss verloren. Dumbledore klopfte bereits an die Tür, da kam ich gerade erst bei Seidenschnabel an. Ich blieb stehen. Der Hippogreif verbeugte sich leicht vor mir, als er mich bemerkte. Mitleidig strich ich ihm über den Kopf. Mein Blick fiel hinter ihn auf die Ketten, die ihn fesselten. Seidenschnabel drückte seinen gefiederten Kopf gegen meine Handfläche. „Deine beste Eigenschaft wurde am Ende doch zu deinem Todesurteil.", seufzte ich. Respekt war das einzige, was er wollte. Draco hatte seine Grenze missachtete und dafür wurde nun der falsche bestraft. Es war ein tragisches Schicksal.
„Madame Golding.", rief Dumbledore mich zu ihnen, also entfernte ich mich von Seidenschnabel und trat zu den ihnen in die Hütte. „Ich dachte schon, du kommst nicht." Ich blinzelte mich zurück in die Realität. „Ich hab es dir versprochen, Hagrid.", antwortete ich lächelnd, und sah ihn mitleidig an. „Danke, dass du da bist." Ich strich ihm beruhigend über den Rücken. „Das mache ich doch gerne.", flunkerte ich. Ich wollte auf keinen Fall dabei sein, wenn ein Hippogreif ermordet wurde. Dafür hatte ich mein vorheriges Leben nicht der Rettung dieser Wesen verschrieben. Ich hätte mich mehr dafür einsetzten müssen, dass dieser Fall nicht eintritt. Aber was Lucius will, das bekommt Lucius auch. Da war ich machtlos.
Die Männer besprachen noch irgendwelchen Papierkram, bevor es soweit war. Über was exakt sie
geredet hatten konnte ich nicht zitieren. Meine Gedanken waren einzig und alleine bei Seidenschnabel. Der Schafrichter musste meine grimmigen Blicke ertragen. Aus meinem Bürofenster hatte ich ihn beobachtet. Mich ekelte es an, wie er sein Messer gewetzt hatte. Er empfand eine perverse Freude darin, das war ihm nur zu deutlich anzusehen.Als dann endlich alle Formalien geklärt waren, gingen wir raus. Dumbledore allerdings zweite uns Erdbeeren und redete ausschweifend über Professor Dippet und seine Hobbygärtnereien. Es war so ausschweifend, dass mir tatsächlich der Gedanke kam, er wollte von irgendwas ablenken. Es stellte sich heraus, dass war wirklich sein Ziel gewesen. Denn als der Zauberminister dazu drängte, die Hinrichtung durchzuführen und wir uns umdrehten, war Seidenschnabel weg. Ich sah mich suchend um doch er war nirgends zu finden. Ein kleines, siegessichere Grinsen schlich sich auf meine Lippen.
Fudge, im Gegensatz zu mir, war alles andere als glücklich über das mysteriöse Verschwinden des Hippogreifs. Er schob die Schuld auf Hagrid, behauptete, er hätte ihn befreit. Dumbledore machte ihm klar, dass das überhaupt nicht möglich sei und wandte sich an den schwarz gekleideten Mann. „Herr Schafrichter, ihre Dienste werden nun nicht mehr benötigt." Erleichtert atmete ich auf, sah zu Hagrid rüber und schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln. Der Schafrichter, dem das gar nicht passte, halbierte mit einem Schlag seiner Axt einen Kürbis.
Dumbledore lud sich selbst bei Hagrid auf Tee ein. Hagrid richtete das Angebot auch mich, aber ich hatte andere Pläne. „Kommen Sie mit uns zurück zum Schloss?", fragte Fudge mich deswegen. „Ich denke, ich werde noch ein bisschen die frische Luft genießen. Ich muss mich noch von dem Schock erholen, dass nur ein paar Minuten zuvor fast jemand hingerichtet wurde. Entschuldigen Sie mich."
Ich machte einen großen Umweg über die Ländereien in Richtung Peitschende Weide. Von weitem sah ich bereits, wie ein schwarzer, zerzauster Hund auf Ron zu rannte. Panisch lief ich schneller. Im Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung. „Du hast den schwarzen Hund also auch schon den ganzen Tag auf dem Schulgelände rumlungern gesehen?", wollte ich von Remus wissen, der in die selbe Richtung eilte wie ich. Er nickte. „Du sagtest doch, du würdest liegen bleiben."
„Die Umstände haben sich geändert."
Während wir auf die Peitschenden Weide zu hasteten, sah ich ihn von der Seite an. „Kommst du zurecht?", vergewisserte ich mich vorsichtshalber. Remus, der mühsam den Klos in seinem Hals heruntergeschluckt hatte, nickte mutig. „Ich bin Erwachsen. Ich denke, dass schaffe ich gerade so." Und schon marschierte er los. „Außerdem kann ich dich das nicht alleine machen lassen.", fügte er hinzu. „Das, ist eine Lüge.", grummelte ich.
„Wie geht es dir?", stellte er mir eine Gegenfrage. „Mir geht es fantastisch. Jemand hat Seidenschnabel befreit.", antwortete ich gut gelaunt. „Ach, wirklich?"
„Halte mich für verrückt, aber ich glaube, Hermine hat ihn befreit.", äußerte ich meine Vermutung über die Ablenkung und das darauffolgende verschwinden.
Ich zückte meinen Zauberstab und mit einem Wink dessen stand die Weide still. „Los jetzt.", scheuchte ich ihn. Nachdem ich ihm hinterher in den Tunnel hinabgeklettert war, löste ich den Zauber und hörte die Peitschende Weide ihren Job machen, als hätte sie nie damit aufgehört.
„Kümmerst du dich um Ron?", bat Remus mich, wahrscheinlich um sich davon abzuhalten, über die unendlichen Stunden in der Heulenden Hütte nachzudenken. Auch, wenn er sich an das meiste nicht mehr erinnern konnte. Ich nickte sofort. „So fest wie Sirius zugebissen hat...", schnaubte er. „Er hatte lange keinen Kontakt mehr zu Menschen, er muss erst von Neuem lernen, mit seiner Kraft umzugehen.", versuchte ich Remus zu beruhigen, während ich ihm hinterher lief. Er hatte ein ganz schönes Tempo drauf. „Aber er will doch nur Peter umbringen. Wenn er mit dem Jungen weiter so umgeht, dann bringt er auch ihn noch um." Ich verdrehte meine Augen. „Wir sind alle unglaublich wütend auf Peter. Aber Sirius... Wir können froh sein, dass er Peter nicht auch für den Tod von Adelaide verantwortlich machen kann."
„Hoffen wir, dass er es nicht tut.", widersprach Remus mir allerdings —so wie wir Sirius in Erinnerung hatten— völlig zurecht.
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GOLDING (Remus Lupin FF)
FanfictionEleonor Golding arbeitet als Vertrauenslehrerin in Hogwarts. Die ehemalige Hufflepuff liebt die Arbeit mit den Schülern. Ihr Ehemann, der als neuer Lehrer für Verteidigung Gegen die Dunklen Küste nach Hogwarts kommt, bring die ein oder andere Kompl...