Kapitel 10

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Erschrocken betrachte ich die Stelle
an der Wand die von dem heftigen Schlag von Arian nun gekennzeichnet ist. Er hat so fest dagegen geschlagen, das die Gipsplatte geknackt hat. Zekè wird sicher nicht erfreut sein wenn er herausfindet das sein Kumpel soeben einen Teil seiner Einrichtung zerstört hat, aber die Tatsache das Arian gerade wütend vor mir steht jagt mir eine ziemliche Angst ein, von der ich nicht gedacht hätte das ich sie gegenüber ihm jemals verspüren könnte.

Seine gesamte Ausstrahlung erinnert nun an die eines wütenden Löwen und jeder Außenstehende der sich ihm jetzt in den Weg stellen würde, würde vermutlich seine gesamte Wut zu spüren bekommen. Keine Ahnung ob er überhaupt dazu fähig wäre jemanden zu verletzen, aber in diesem Moment sieht alles danach aus. Ich wage es nicht mich zu bewegen, geschweige denn etwas zu sagen und spüre lediglich wie meine Lippen zu zittern beginnen und Tränen in meine Augen steigen. Plötzlich wird mir bewusst das sein Ausraster ganz allein meine Schuld ist, hätte ich mich ihm nicht so leicht hingegeben, dann hätte er niemals so starke Gefühle für mich entwickelt und überhaupt kein Gedanken daran verschwendet mir so nahe zu kommen.

Ich bin es gewesen die an diesem einen verhängnisvollen Abend auf ihn zugegangen ist. Nur weil ich gedacht habe das Jake mich möglicherweise mit einer Klassenkameradin betrügt und ich in der Annahme war das unsere Beziehung sowieso nicht länger halten wird. Ich habe den ersten Schritt gemacht und Arian verführt, als wir völlig zugedröhnt am See gelegen haben. Er wollte das nicht, er war nur zufällig am falschen Ort zur falschen Zeit gewesen. Als ich ihm schöne Augen gemacht habe, hat alles seinen Lauf genommen und ohne zu zögern habe ich ihn anschließend geküsst. Obwohl er mich vor möglichen Konsequenzen gewarnt hat, habe ich in diesem Moment nur an mich gedacht. Ich war egoistisch und wollte mir nicht eingestehen wen ich mit meinem unüberlegten Handeln verletzen könnte.

Verdammte scheiße, jetzt gibt es keinen Weg mehr aus all dem heraus. Ich muss Jake die Wahrheit erzählen und was auch immer das zwischen mir und Arian ist sofort beenden, bevor ich mich noch mehr in seine Fängen verliere und es am Ende kein Entkommen mehr gibt. Obwohl die Vernunft in mir schreit das ich besser die Klappe halten soll, fasse ich dennoch all meinen Mut zusammen und lege seufzend die Hand auf Arians heiße Wange, die eine gefährliche rote Farbe abgenommen hat. Wie eine fürsorgliche Freundin sehe ich ihn nun an, obgleich ich eine unheimliche Furcht verspüre.

Verwirrt sieht mein Gegenüber mich an, immernoch ist seine Atmung total hektisch und sein schmerzverzerrter Blick schreit förmlich danach wie verletzt er ist. Allerdings eher innerlich, als äußerlich. ,,Es tut mir Leid" hauche ich ehrlich und beschließe just in diesem Moment nie wieder zu lügen. Kein Mensch der mir irgendwie nahe steht soll jemals wieder meinetwegen verletzt werden.

,,Alles was ich dir angetan habe tut mir Leid, ich wollte nicht das du so leidest. Ich war egoistisch und verdammt naiv zu glauben das die Wahrheit eines Tages nicht ans Licht kommen wird" spreche ich aus was ich denke, wobei meine Stimme immernoch zittert als würde ich in eiskaltem Wasser stehen. Arian scheint von meiner plötzlichen Entschuldigung nun komplett irritiert zu sein, aber wenigstens nimmt seine hektische Atmung ab und es sieht so aus als würde er sich ein wenig beruhigen.

,,Ich werde Jake alles erzählen und ich verspreche dir das ich die gesamte Schuld auf mich nehme, immerhin ist das ja irgendwo die Wahrheit" fahre ich unbeirrt fort und lächel ihn dabei erschöpft an. ,,Ich denke ich habe es verdient das alle dann sauer auf mich sein werden, diese ganze Scheiße ist auf meinem Mist gewachsen und ich werde alles wieder gerade biegen soweit es mir möglich sein wird"

Aufeinmal fängt Arian ausdruckslos an zu lachen und legt seine gesunde Hand auf meine, die immernoch auf seiner Wange ruht. Er drückt ein wenig zu, um sicher zu gehen das ich meine Hand nicht wieder löse. Auch seine Augen sind nun wässrig. ,,Naive kleine Devin, denkst du den wirklich das ich das so einfach zulassen würde? Denkst du ernsthaft ich lasse dich einfach so davon ziehen?" Seine bedrohliche Haltung jagt mir aufeinmal einen unangenehmen Schauer über meinen ganzen Rücken und zunächst realisiere ich kaum was er damit meint, bis er mit kühler Stimme fortfährt ,,Das was wir haben ist etwas besonderes, niemals habe ich eine Person so sehr geliebt wie dich. Es fühlt sich an als würdest du mich vervollständigen, du schaffst es mit nur einem Blick mich zu verzaubern. Verdammte scheiße, egal was du tust oder was du machst...Du bist das verlorene Puzzelteil das ich solange gehofft habe zu finden"

Jedes Wort von ihm trieft so voller Wahrheit das ich nicht fähig bin darauf etwas zu erwidern. Diese Geste ist weder romantisch noch auf irgendeine Art und Weise süß, um genau zu sein wirkt seine gesamte Haltung einschüchternd. Aufeinmal kommt mir wieder der Gedanke in den Sinn das er mit mir spielen kann, wie es ihm beliebt. Ich bin die Schachfigur und er ist der Spieler, der nur einen Zug machen müsste um mich komplett zu vernichten.

,,Du bist betrunken, du solltest jetzt besser nach Hause gehen" murmel ich sichtlich verängstigt und hoffe er lässt mich somit in Ruhe. Doch anscheinend ist er noch nicht bereit aufzugeben, denn er kommt mir wieder näher und drückt seine Lippen aufeinmal feste auf meine, wobei ich den Alkohol deutlich heraus schmecke, den er zuvor noch zu sich genommen hat.

Seinen Körper drückt er gegen meinen wobei es mir aufeinmal schwerer fällt normal zu atmen. Ich versuche ihn von mir zu drücken, doch er ist viel stärker als ich und bewegt sich keinen Centimeter. Es ist beinahe so als müsste ich gerade gegen einen schweren Stein ankämpfen. Als er sich kurz löst, nutze ich diesen Moment und schubse ihn mit aller Kraft von mir und treffe mit meiner Faust sein markantes Kinn. ,,Du verdammtes Arschloch, halt dich bloß fern von mir!" Ist das einzige was noch über meine bebenden Lippen kommt, ehe ich die Chance nutze um aus dem Badezimmer zu entkommen.

Bei meiner Flucht nehme ich die Umgebung kaum noch wahr, rempel irgendwelche Partygäste an und versuche die aufkommenden Tränen zurück zu halten. Allerdings schaffe ich es gerade auf die Terrasse, da übermahnen mich meine Emotionen komplett und ich fange an zu weinen wie ein hilfloses Kind. Auch wenn Jake noch im Keller ist und Arian ihm vermutlich alles erzählen wird, muss ich sofort von hier verschwinden ansonsten wird alles über mich einbrechen, wie ein Damm der nicht mehr die nötige Kraft besitzt gegen das starke Wasser anzukommen das immer mehr wird. Meine Gefühle drohen mich zu verschlingen, die Angst das ich nun alles verlieren werde ist nichtmal so groß wie der Gedanke an die Worte von Arian.

Auch wenn er betrunken war, scheint er ernst gemeint zu haben was er gesagt hat. Er liebt mich, aber nicht auf romantische Art und Weise wie ich es von Jake kenne, sondern beinahe schon krankhaft. Um Himmels Willen plötzlich wird mir alles bewusst, er sieht mich als sein Eigentum an. Die Schachfiguren von ihm haben den letzten Zug gemacht und sie haben meine Figuren mit Leichtigkeit umgetoßen und endgültig ins Verderben gestürzt.

So schnell wie es mir möglich ist laufe ich von der Terrasse runter auf die Straße und wage es nicht nocheinmal zurück zu schauen. Ich wusste das es ein Fehler war auf diese Party zu gehen, aber ich habe geglaubt vielleicht doch noch etwas retten zu können. Wie unheimlich naiv ich doch bin! Meine Eltern werden unglaublich enttäuscht sein, wenn sie erfahren was für einen Menschen sie großgezogen haben.

Plötzlich kommt mir ein Gedanke, sofort bleibe ich stehen und krame mein Handy aus meiner Hosentasche. Unter einer leeren Kaugummipackung finde ich es schließlich und tippe mit zittrigen Fingern auf den Kontakt meines Vaters. Es dauert nicht lange und ich nehme seine unglaubliche beruhigende Stimme wahr, die mich erleichtert durchatmen lässt. Auch wenn er mich wahrscheinlich hassen wird wenn er erfährt was ich getan habe, ist er in diesem Moment der einzige den ich in meiner Nähe wissen möchte.

,,Was ist los kleine Gazelle? Alles in Ordnung?" Fragt er durch den Hörer, anscheinend hat er schon geschlafen denn seine weiche Stimme klingt ein wenig kratzig und erschöpft. ,,Nein... Nicht wirklich, kannst du mich bitte abholen? Ich bin bei Zekè Allen in der Straße" kommt es aufgebracht von mir zurück. Augenblicklich ist er hellwach und antwortet mit strenger Stimme aus der plötzlich alle Müdigkeit gewichen ist ,,Was?! Du bist auf diese Party gegangen? Ich hatte es dir doch verboten!"

,,Es tut mir Leid Baba! Bitte komm mich einfach abholen ja?"

,,Ich bin in fünf Minuten bei dir" und damit hat er aufgelegt. Seufzend lasse ich mich auf dem Bordstein nieder und versenke mein verheultes Gesicht in meinen Händen. Zum Glück bin ich weit genug von dem Anwesen entfernt, so das Arian mich vorerst nicht finden wird. Damit sich Jake keine unnötigen Sorgen machen muss, schreibe ich ihm und auch Ju allerdings eine kurze Nachricht das mir aufeinmal kotzübel geworden ist und ich nun auf dem Weg nach Hause bin.

Auch wenn ich weiß was morgen in der Schule auf mich zukommen wird, bin ich einfach nur froh das ich gleich Zuhause in mein Bett kann, wo ich hoffentlich schnell verdrängen kann was eben passiert ist.





Gefährliche BegierdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt