~Kapitel 9~

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Ich sah Louie verständnislos an. „Was soll ich mir anhören? Außer Rauschen gibt es da nicht viel zu verstehen." Louie zog seine Hände zurück und hielt sich das Gerät mit nachdenklichem Blick ans Ohr. Schließlich schüttelte Louie das Radio ein bisschen, doch auch das machte es nicht viel besser. Er fing an zu schmollen und sah mich ärgerlich an. Was hatte ich ihm denn jetzt schon wieder getan?

„Du hast es kaputt gemacht! Von wegen, du hast es repariert." Ich sparte mir eine Antwort und beobachtete Louie, wie er weiter an der Antenne rum bog. Man sah ihm sichtlich die Erleichterung an, als die Stimme deutlicher wurde und man sogar einige Worte verstehen konnte. Nicht, dass ich jetzt wusste, worum es ging, aber zumindest war es genug, dass ich mir sicher sein konnte, dass das Radio nicht zerstört war. Das ‚ich habs dir ja gesagt' ließ ich weg. Ich deutete auf das kleine Gerät in Louies Hand.

„Also, erklärst du mir jetzt endlich, was das alles zu bedeuten hat oder soll ich morgen wiederkommen?" Wenn ich ehrlich war, hätte ich damit aber auch kein Problem gehabt. Dann könnte ich nämlich direkt die Chance nutzen und bei Louie mitessen. Wenn seine Eltern eines gut konnten, dann war das kochen.

Er wedelte mit dem Gerät über unseren Köpfen umher, sodass er fast die niedrige Decke berührte, dann ließ er den Arm wieder sinken und lief zu der Holzleiter in seinem Zimmer, die weiter nach oben zu dem Teleskop führte.

„Ich hab' hier keinen Empfang." Mit diesen Worten stieg er auf die ersten Sprossen, die unter seinem Gewicht knarzten und er kletterte flink die Leiter hoch und verschwand in dem dachbodenähnlichen Raum. Kopfschüttelnd folgte ich ihm. Als ich mich auf den verstaubten Holzboden, der dringend mal wieder geputzt werden könnte, hievte, stand Louie bereits neben dem riesigen Teleskop.

Neben dem großen technischen Gerät wirkte Louies schmächtige Statur nochmal zerbrechlicher. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und schob das quietschende große Dachfenster noch weiter auf. Das Teleskop ragte bereits an einer Stelle aus dem Fenster und so musste Louie den Spalt nur noch vergrößern. Dann schnappte er sich zwei der Kartons auf einem orientalischen Teppich und schleppte sie unter das Fenster. Dort ließ er sie auf den Boden fallen.

Einer der Kartons brach dabei an der Seite ein und eine lange kaputte Lichterkette rutschte heraus. Wann Louies Familie die wohl das letzte Mal benutzt hatte? Es konnte gut sein, dass das schon Ewigkeiten her war, denn sein Vater hatte die Angewohnheit alles aufzuheben. Und Aufräumen war auch nicht gerade die Stärke von Familie Parker.

Wenn ich mich so umblickte, entdeckte ich einige leere Kaffeetassen und Schokoriegel. Daneben befand sich ein leerer Pizzakarton. Das hieß zum Einen, dass Louie so ziemlich hier oben neben seinen Gerätschaften, von denen hier alles voll war, lebte und zum anderen, dass er Schokoriegel gehabt hatte und mir nichts gesagt hatte.

„Wann hattest du vor mir was abzugeben? Ich glaube, ich habe gerade beschlossen, dass ich doch wieder bei dem Bau deiner Erfindungen helfen will." Louie, der bis gerade noch mit dem Teleskop beschäftigt gewesen war, drehte belustigt zu mir um.

„Nein danke, du machst mehr kaputt, als das du reparierst!" Ich zog gespielt beleidigt eine Schnute, doch ich wusste, das mein bester Freund eigentlich recht hatte.

„Hallo? Ich hab dein Radio-Dingsbums angeschaltet!" Dieses lief immer noch im Hintergrund, da wir uns beide sicher waren, dass es nicht so einfach wieder angehen würde, wenn es erneut aus wäre.

„Apropos, wenn du dann mitkommen würdest..." Er deutete aus dem Fenster und ich blickte ihn verwirrt und belustigt an.

„Ich spring nicht vom Dach, falls du das meinst. Wenn du runter willst, kannst du ja gerne da durch gehen, aber ich ziehe die sichere Variante, genannt Treppe, vor."

„Ich will doch nicht runter, sondern hoch!" Ich blickte ihn entsetzt an.

„Spinnst du? Auf keinen Fall klettere ich aufs Dach!" Louie war bereits dabei die Kisten empor zu klettern, die unter seinem Gewicht ein wenig einsanken. Dann drückte er sich mit einem Satz im Fensterrahmen ab und schob sich unter der Fensterscheibe durch. Seine Füße verschwanden schließlich auch aus meinem Sichtfeld.

„Kommst du oder soll ich bis morgen warten?" Er spielte auf meine Anmerkung von vorhin an und ich konnte jetzt unmöglich einen Rückzieher machen. Ich redete mir ein, dass ich keine Höhenangst hatte, dass ich nur nicht lebensmüde war.

Nachdem ich einige Zeit mit mir selbst gerungen hatte, die sich wie eine Ewigkeit angefühlt hatte, entschied ich mich schließlich einfach die Zähne zusammen zu beißen. Ich war kein Feigling und Louie sollte das auch nicht denken! Vorsichtig schob ich mich an einer großen blinkenden Metallbox vorbei. In diesem Haus hielt man sich am besten von allem Elektronischen fern.

Ich setzte langsam einen Fuß auf den Ersten der Kartons und zog mich mit den Händen hoch zum Fenster. Die Kiste wackelte gefährlich und als ich mich schließlich abstieß, brach sie wie vorhergesagt zusammen. Ich spürte einige spitze Gegenstände an meinem Fuß und presste die Lippen aufeinander, um nicht aufzuquieken.

Kennt ihr das, wenn ihr auf einen Legostein tretet und dann auf einem Bein durchs ganze Zimmer hüpft? Ja, genau so eine Situation war das gerade und es war definitiv nicht gerade angenehm. Ich ignorierte den Schmerz und streckte den Kopf aus dem Fenster raus.

Ein warmer Windhauch zerzauste meine schwarzen Locken und ich blickte auf die Stadt, welche von hier oben klein und unscheinbar wirkte. Noch ein Ruck und auch meine Füße waren auf den Dachziegeln.

Und während ich hier verkrampft hockte, kletterte Louie übers Dach, als wäre es nur eine Bank in einem Park.

Area 51 - Don't trust anybody! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt