~Kapitel 59~

55 3 0
                                    

Laute Stimmen erklangen hinter der Tür des klinisch weißen Zimmers. Das Licht der Deckenlampe schien wieder so hell wie zuvor auch. Das hatte es schon, als wir den Keller verlassen hatten. Ich steckte meine Nase noch tiefer in die Decke in der Hoffnung alles um mich herum ausblenden zu können. Das waren mir gerade alles zu viele Eindrücke. Thea und Jessica saßen schweigend nebeneinander auf einer Liege und waren ebenfalls in Decken gewickelt. August dagegen hatte seine Decke achtlos auf den Boden fallen lassen und drehte unruhig Runden im Zimmer. Wenigstens war er nicht mehr in Schockstarre.

Doch das Warten machte uns alle trotzdem verrückt. Ich schloss müde die Augen. Mittlerweile war es bestimmt mitten in der Nacht und es wäre vermutlich gut, wenn ich ein bisschen schlafen würde. Jedoch schossen jede Mal, wenn ich die Augen zumachte, die selben Bilder wieder in meinen Kopf. Ich sah, wie Louie leblos da lag und das Monster triumphierend über seiner Beute kauerte. Ich riss meine Augen auf und versuchte meine Gedanken wieder loszuwerden. Jedoch war es dazu bereits zu spät.

Ob ich wollte oder nicht, ich versank bereits in einem Strom aus Ängsten und Vorwürfen. Wenn ich nun schneller da gewesen wäre? Was, wenn ich die anderen hätte überzeugen können? Genau genommen war das alles mal wieder nur meine Schuld. Louie hatte vorgeschlagen gemeinsam nach dem Wesen zu sehen, doch niemand hatte das mitmachen wollen. Nicht einmal ich. Nur deswegen war er alleine da unten gewesen.

„Tia?" Erschrocken blickte ich auf, doch es war nur August, der mich ansah. Unter seinen Augen waren schwarze Ringe zu erkennen und sein Gesicht war immer noch aschfahl. Er räusperte sich schwach.

„Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leid tut. Ich hätte nie gedacht, dass... dieses Wesen... Es existiert wirklich und dabei ist das eigentlich so gut wie unmöglich!" Er sprach bewusst Louie nicht an, da er wohl merkte, wie sensibel die Thematik gerade war. Dann schüttelte er entschuldigend den Kopf.

„Das... Das ist keine Ausrede. Wir hätten dir glauben oder zumindest es nicht völlig abstreiten sollen." Dankbar nickte ich August zu, der sich zusammennahm und schluckte. Vermutlich hatte er einen genauso großen Kloß im Hals wie ich. Die Türklinke wurde heruntergedrückt, weshalb wir alle ruckartig zur Tür herumfuhren. Ich erwartete fast das Ding, doch es war nur Nora. Sanft schloss sie die Tür hinter sich.

„Wie geht es euch?" Jessica sah sie mutlos an.

„Es gab schon bessere Tage." Nora kniete sich vorsichtig vor sie und nahm ihre Hände in die Hand und lächelte sanft.

„Es wird wieder gut werden, ihr werdet sehen. Mittlerweile hat jeder mitbekommen, was passiert ist und das Monster wird nicht mehr weit kommen. Alle halten Ausschau nach ihm und wenn wir es haben, wird es in einen Käfig gesteckt und wegtransportiert." Ich wollte sie verzweifelt anfahren, dass das alles nicht so einfach war, doch als ich ihr schwaches Lächeln sah, hielt ich mich zurück. Nora war genauso mutlos wie wir alle, doch sie versuchte uns trotzdem aufzuheitern. Sie ließ ihren Blick durch die Runde schweifen.

„Es tut mir so leid, was passiert ist. Er war euch sicher wichtig..." Mit einem bitteren Geschmack im Mund wandte ich mich ab. Ich wollte nicht an Louie erinnert werden. Nora schien das zu verstehen, denn sie stoppte mitten in ihrem Satz. Seufzend richtete sie sich auf und deutete Richtung Tür.

„Mr. Wood bringt gleich eure Bettwäsche her."

„Warum?" Meine Stimme war kratzig und nicht mehr als ein jämmerliches Quietschen. Ich wollte nicht hierbleiben. Lieber wollte ich so tun, als wäre alles normal. Als wäre Louie nur im Nebenzimmer und würde gerade mit August um das Hochbett streiten. Nora blickte mich verständnisvoll an.

„Wir müssen erst absichern, dass dieses Monster sich nicht in der Nähe eurer Zimmer befindet. Einige von uns durchsuchen schon alles in der Nähe, doch sie sind mit dem Teil der Einrichtung, in dem sich eure Zimmer befinden, vermutlich erst morgen fertig." Sie nickte uns ein letztes Mal zu, bevor sie den Raum verließ.

„So ist es sicherer." Schweigend drückte ich mein Gesicht in die Decke. Meine Augen wurden wieder feucht, doch dieses Mal hielt ich die Tränen nicht zurück. Leise schluchzte ich in den weichen Stoff. Ein Rascheln ertönte aus Jessicas und Theas Richtung und ich spürte, wie sich ein Arm um mich legte. Mit verschwommenem Blick erkannte ich Thea. Ob sie sich selbst oder mich zu trösten versuchte, wusste ich allerdings nicht.

Nach einer Weile öffnete sich die Tür erneut mit einem leisen Quietschen. Mr. Wood steckte seinen Kopf durch die Tür und schwang diese im nächsten Moment komplett auf. Er gab den Blick auf einen Wagen mit unseren Bettdecken und Kopfkissen frei.

„Matratzen kann ich leider nicht so einfach besorgen, aber ich denke, für eine Nacht geht es auch so." Zielstrebig verteilte er die Sachen zwischen uns und sah aufmunternd in die Runde.

„Soll ich irgendwem einen warmen Kakao oder Kaffee machen? Meine heiße Schokolade ist die Beste, das sagt zumindest Shane immer." Wir schüttelten bedrückt die Köpfe. Vermutlich wäre seine nächste Frage gewesen, wer Abendessen haben wollte. Doch diese erübrigte sich so ziemlich. Mr. Wood kratzte sich ratlos am Kopf.

„Okay... sagt Bescheid, wenn ihr was braucht. Ms. Turner schläft im Nebenzimmer und ihr könnt sie jederzeit wecken, wenn noch etwas sein sollte." Noch nie hatte ich mich so klein gefühlt. Mr. Wood behandelte uns wie Schüler auf ihrer ersten Klassenfahrt, doch das war sogar in gewisser Weise angenehm. Zu wissen, dass andere sich kümmern würden, gab mir ein beruhigendes Gefühl.

Die Tür schloss sich leise wieder, als Mr. Wood das Zimmer schließlich verließ.

Area 51 - Don't trust anybody! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt