Kapitel 22 I Ameih

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Schon seit einiger Zeit saß Ameih im Tipi des Häuptlings. Sie fand es recht amüsant, wie der Häuptling und der Schamane Pläne überlegten, sie am besten zu foltern und danach natürlich langsam und schmerzhaft Sterben zu lassen. Vielleicht nicht sonderlich amüsant für jemanden, der wirklich sterben würde - das wäre eher grausam -, aber für jemanden, der genau wusste, dass ihm dieses Schicksal nicht zuteil werden würde, war es doch recht lustig mitanzusehen, wie sich zwei verhasste Menschen so umsonst Gedanken machten. Ihr Plan war einfach zu gut, um ihn ausschlagen zu können.

Nach einer Weile schließlich, nachdem Häuptling und Schamane schon einige Foltermethoden wie Vierteilen (wie genau wollen die das bitteschön anstellen?) und langsam nacheinander all ihre Gliedmaßen abschneiden, bis sie schließlich starb (wie unkreativ ist das denn?), diskutiert hatten, räusperte sich Ameih und setzte sich auf. „Wenn ich auch mal etwas sagen könnte. Eure Diskussion über Foltermethoden ist zwar hochinteressant“, das war sie nicht, aber irgendwie muss man sich ja einschleimen, „ aber ich glaube, sie ist unnötig. Ich bin nicht hier, um zu sterben. Ich bin hier, um euch ein Angebot zu unterbreiten.“

Gehässig lachte der Häuptling auf. „ Ach ja?  Und was denkst du zu haben, was wir nicht haben und trotzdem wollen? “ Ameih grinste nur schief. Na da fielen ihr viele Dinge ein. Doch die sagte sie nicht. Sie durfte das jetzt nicht vermasseln. Wenn Sie die beiden Stammesoberhäupter allzu sehr beleidigen würde, würden sie vermutlich nicht auf sie hören, einfach nur, weil sie ihren Stolz verletzt hatte. Der Stolz von alten Männern kann fragil sein, da muss man aufpassen, was man sagt.

Ameih sagte deshalb einfach nur: „Ich habe den Schlüssel zur Vernichtung der Verbannten.“ Nun, das hatten wohl weder der Häuptling noch der Schamane erwartet, jedenfalls herrschte erst einmal Stille und die beiden machten eher etwas ungläubige Gesichter. Da das Mädchen nicht wollte, dass die Stammesoberhäupter ihre wirklich nicht glaubten, warf sie schnell hinterher, um sich zu erklären: „Nachdem wir es geschafft haben zu fliehen, sind wir in den Wald geflohen. Es war nicht lange, bis meine Schwester und ich, den Verbannten begegnet sind. Sie haben es geschafft, Lyra zu manipulieren. Ich war anfangs auch unter ihrem Bann, doch ich schaffte es, mich zu befreien, doch für Lyra war es leider zu spät. Ich weiß, wo das Lager der Verbannten ist. Ich weiß auch, wie viele es sind, wie Sie denken und wo ihre Schwächen liegen. Mit meiner Hilfe könnt ihr sie besiegen. Ihr braucht mich.“

Still tauschten der Häuptling und der Schamane Blicke aus. Sie schienen auch ohne Worte kommunizieren zu können. „ Nun, kleine Verräterin. Woher sollen wir wissen, dass du die Wahrheit sagst? Du kannst dir das alles auch sehr einfach nur ausgedacht haben in der Hoffnung, das wird ihr blind vertrauen. Hast du Beweise? “, fragte der Schamane.

Ameih zögerte kurz. Wieviel konnte sie verraten, ohne sich in Gefahr zu bringen? Direkte Beweise hatte sie keine, aber das Wissen über verbannte, se kein Außenstehende haben konnte. Schließlich gab sie zu: „ Beweise habe ich nicht. Aber vor gut sechs Jahren wurde ein Mädchen verbannt, Da es sonnengeboren war. Im Stamm wurde erzählt, es sei gestorben, aber es lebt jetzt bei den Verbannten. Könnte ich das wissen, ohne dass ich bei ihnen gewesen bin?“ Der Häuptling nickte nachdenklich. „ Dieses Wissen kannst du tatsächlich nur bei den Verbannten erlangt haben. Du kannst froh sein, dass wir diese Pest schon seit Jahren los haben möchten. Nur das hält uns davon ab, dich deinen Verrat büßen zu lassen. Du wirst leben. Vorerst. Nun spricht, wo halten sich die Verbannten auf? Je schneller wir sie beseitigen, desto besser für uns alle.“

Ameih lachte auf. Dachte der Häuptling wirklich, sie wäre so dumm, so naiv, dass sie ihm den Standort des Lagers einfach so mitteilen würde? Sie würde auf der Stelle wieder gefangengenommen und umgebracht werden, sobald sich herausgestellt hätte, dass sie die Wahrheit sprach. Nein, sie würde das Lager noch nicht preisgeben. Sie wäre dumm, dem Häuptling zu vertrauen und das war sie nicht. Sie ließ sich nicht blenden, von niemandem. Wieder von dem Stamm, noch von den Verbannten. Ihr Lachen verschmälerte sich zu einem spöttischen Lächeln.

„Noch werde ich den Aufenthaltsort der Verbannten nicht preisgeben. Ich kann euch noch da nicht vertrauen. Ich werde euch, wenn es bei der Zeit ist, selbst hinführen. Die Verbannten sind wenige, aber sie sind gute Krieger. Damit wir den Überraschungsmoment auf unserer Seite haben, dürfen nicht zu viele das Lager angreifen. 12 der besten Krieger des Stammes sollten ausreichen. Mir ist es egal wer, Hauptsache es sind die Besten. In sieben Sonnen werden wir angreifen. Das ist genug Zeit zur Vorbereitung und um die Verbannten nach meiner Flucht in Sicherheit zu wiegen. Ach ja, und beim Angriff gehört Lyra mir. Ich werde diejenige sein, die Ihr ein Ende bereiten wird.“ 

Der Häuptling und der Schamane waren von ihren Forderungen sichtlich unbegeistert. Doch sie hatten keine andere Wahl, wenn sie die Verbannten unter der Erde sehen wollten. Der Häuptling stimmte widerwillig zu und damit war es entschieden: Die Verbannten würden den achten Sonnenaufgang nicht mehr erleben.

Natürlich würde Ameih ihre Schwester nicht umbringen. Nein, Lyra wird ihr dankbar sein, dass sie sie aus den Fängen der Verbannten befreit hatte. Doch das mussten der Häuptling und der Schamane nicht wissen. Es war sicherer, wenn sie dachten, dass sie ihren Tod wollte.

Sie wurde aus dem Tipi des Häuptlings entlassen. Im Stamm herrschte reges Treiben. Kinder, die bei ihrer Ankunft von besorgten Müttern in ihre Tipis gedrängt wurden, spielten wieder draußen und lachten unbekümmert. Eine Gruppe Jäger brachte gerade einen frisch erlegten Bison ins Lager und wurde von allen freudig umrundet.

Als würde niemand das Schicksal kennen, dass sie erleiden würde, während sie ein bisschen anders geboren worden. Nein, Ameih würde die Verbannten nicht verteidigen. Aber der Stamm war auch weit weg von dem, was sie „Gut“ nennen würde.

Die Tatsache, dass sie ungefesselt und wohlbehalten aus dem Tipi des Häuptlings kam, wurde von einigen aufmerksamen Stammesmitgliedern mit einem unruhigen Murmeln wahrgenommen, aber niemand kam ihr zu nahe. Der Schamane und der Häuptling hatten beschlossen, dass sie mit Margo in einem Tipi bleiben würde, mit der Begründung, dass dieser sie im Auge behalten und im Notfall bei einem Fluchtversuch ausschalten können würde.

Ameih wusste, dass sich der Krieger vor Wut kaum zurückhalten konnte, als ihm diese Entscheidung mitgeteilt wurde, auch wenn sich dieser keine negative Reaktion hatte anmerken lassen. Er hatte auch keine Lust, Babysitter zu spielen. Wenigstens würde er etwas leiden, was ihr zumindest etwas Freude bereitete.

In seinem Tipi bekam sie natürlich einen Schlafplatz so weit wie möglich von seinem entfernt. Was ihr auch recht so war. Jeder Zentimeter dem sie ihm beim Schlafen näher war, war ein schlechter Zentimeter. Aufgrund seines Babysitter – Dienstes, den Margo trotz allem sehr ernst nahm  - er wollte ja schließlich ihrem Anführer gefallen – bestand der Krieger darauf, dass sie sich außerhalb seines Tipis nur mit ihm bewegen konnte. Da sie keine Lust auf Ärger hatte und von ihrer Flucht sowieso noch erschöpft war, erhob sie keine Einwände und verbrachte den Rest ihres Tages in seinem Tipi.

Morgen würde sie schauen, was sich alles im Stamm verändert hatte.


Heyy,

nach gut zwei Jahren kommt auch mal wieder ein Kapitel. Ich war mal wieder motiviert und hatte Zeit. Anways, mehr hab ich nicht zu sagen. Bis irgendwann mal!

~Pinnwand

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 13, 2023 ⏰

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