Kapitel 1 | Lyra

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Dunkelheit umfing Lyra. Seit sie auf der Welt war, hatte sie nie die Farben gesehen, die ihre Schwester sah. Sie war blind. Niemand wusste etwas davon, außer ihre Schwester Ameih. Nicht einmal ihre Mutter oder ihr Vater wussten, dass sie anders war.

Ihr wurde schlagartig schlecht, als sie an die Prüfungen ihres Stammes dachte, die sie und ihre Schwester bald absolvieren werden müssen. Die Prüfungen von Sonne und Mond. Dann würde ihr Geheimnis auffliegen. Das Geheimnis, das sie und Ameih bis jetzt so gut beschützt hatten.

Schritte unterbrachen ihre Gedanken. Ihre Schwester betrat das Tipi. Lyra spürte, dass Ameih bedrückt war, weshalb sie zu ihr ging und ihr eine Hand auf die Schulter legte. „Was ist los?", fragte sie „Mir kannst du alles sagen, das weißt du."

„Ja", sagte Ameih, doch weiter kam sie nicht, da ihr Vater Tenebrae das Tipi betrat. Auch er wirkte traurig. ‚Was ist nur los?', fragte sich Lyra. Plötzlich hörte sie Ameihs kraftlose Stimme neben ihrem Ohr: „Kaila ist gestorben. Man hat sie tot im Wald aufgefunden, mit einem Pfeil in der Brust. Es heißt, dass es die Verbannten waren."

Eisige Kälte breitete sich in Lyras Körper aus. „Nein! Das, das kann nicht sein! Sie kann nicht tot sein!", schrie sie. Kaila, ihre Mutter. Sie hatte sie zwar nie mit eigenen Augen gesehen und hatte nur von Geschichten des Schamanen oder der Beschreibung ihrer Schwester erfahren, wie sie aussah, doch sie hatte sie über alles geliebt. Lyra hätte niemals gedacht, dass sich ein Verlust so schmerzhaft anfühlen würde.

Tenebrae räusperte sich. Er hatte sich neben sie gesetzt, während sie in Gedanken von ihrer Mutter versunken war. Er legte einen Arm um sie und den anderen um ihre Schwester.

Ihr Vater atmete tief ein und sprach dann: „Es ist ein großer Verlust für uns, dass sie gestorben ist. Kaila war ein gutes Stammesmitglied, sowie eine wunderbare Ehefrau und eine liebevolle Mutter. Sie wandelt jetzt bei unseren Ahnen und wird für immer in unseren Herzen weiterleben."

Lyra war erstaunt über die Worte ihres Vaters. Sie hatte ihn immer als unemotionalen, fast gefühlslosen Mann erlebt, doch anscheinend hatte er auch eine andere Seite, zumindest auf Hinsicht von Kaila. Auch wenn sie nicht immer den Eindruck hatte, anscheinend hatte ihr Vater ihre Mutter wirklich geliebt.

Kaila war in Lyras Vorstellungen eine wunderschöne Frau. Meist hatte ihr Ameih von ihr erzählt. In den Geschichten von ihrer Schwester klang alles so lebhaft, doch in den Geschichten des Schamanen, dessen Worte viele Stammesmitglieder gerne lauschten, waren alle Worte stumpf und leblos.

Ameih beschrieb ihre Mutter immer als wunderschöne, großgewachsene Frau, mit langen schwarzen Haaren, die im Sonnenlicht dunkelblau schimmerten und eisblauen Augen, die aussahen, als würden sie aus tausenden Sternen und dem Blau des hellsten Eises bestehen.

Doch wenn der Schamane etwas über ihre Mutter erzählte war Kaila einfach nur eine Frau unter vielen, mit matten, schwarzen Haaren und stumpfen, blauen Augen. Doch Lyra schenkte der Beschreibung ihrer Schwester mehr Glauben.

Sie vermisste jetzt schon die Umarmungen ihrer Mutter, ihren Geruch, ihre Nähe. Sie versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. ‚Wie werde ich jemals wieder glücklich sein können?', fragte sie sich. Ohne die Liebe, ohne die Wärme ihrer Mutter - wie sollte sie so die Kälte der Welt überleben?

Sie merkte, wie ihr Vater aufstand, das Tipi verlies und sie mit ihrer schluchzenden Schwester alleine lies.

Nach ein paar Minuten spürte Lyra, wie ihre Schwester sie sanft in die Arme nahm. „Sie wird für immer in unseren Herzen weiterleben", wisperte Ameih. Die Umarmung ihrer Schwester gab Lyra Kraft. Kraft, um sich gegen die Welt behaupten zu können, auch ohne ihre Mutter. „Du hast Recht", antwortete Lyra leise „das wird sie".

Nachdem sie ein paar Minuten in der Umarmung verweilten, lösten sie sich langsam aus der Umarmung. Lyra spürte am Gesicht ihrer Schwester nasse Tränen. Sie wischte sie weg und nahm dann Ameihs Hand in ihre.

„Es wird niemals wieder so sein wie früher, doch das heißt nicht, dass unser Leben jetzt schlechter sein wird", sagte Lyra und hoffte, ihrer Schwester so Mut und neue Kraft geben zu können.

„Du hast Recht",wisperte Ameih noch etwas kraftlos, doch Lyra spürte, dass ihre Schwester lächelte „doch die, die ihr das angetan haben, werden dafür bezahlen!"

Hey Leute!

Willkommen beim ersten Kapitel! Also an alle, die jetzt verwirrt sind, weil das mal der Prolog war: Ja, es war zuerst das erste Kapitel mit nem anderen Prolog, dann war das der Prolog und jetzt ist es wieder das erste Kapitel mit dem neuen Prolog. Ich weiß, kompliziert. Also, ich hoffe, euch hats gefallen und gebt der Geschichte bitte eine Chance. Außerdem werden die anderen Kapitel alle länger sein, das hier ist das einzige, das so kurz ist. Joa, nachdem ich jetzt schon zum dritten Mal das Nachwort für dieses Kapitel schreibe, ist es glaub ich auch mal genug.

Tschüss dann, man liest sich,
~ Pinnwand

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