Kapitel 270

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Es ist bereits halb acht, als wir endlich am Stadion ankommen.
Draußen ist es dunkel und der Wind frischt auf. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke nach oben und eile den anderen mit meinen Krücken hinterher.
Keven verschwindet in seiner Kabine, der Rest von uns geht zur Haubtribüne hinüber und findet sich auf den Plätzen ein.
Lia glänzt heute in einem Trikot mit der Nummer 31, ich dagegen halte mich mit meiner Winterjacke neutral.

Unsere Eltern sind gespannt, freuen sich sichtlich auf diesen Abend den wir nach langer Zeit mal wieder als gesamte Familie verbringen.
Es ist wirklich schön.

Lachend deute ich nach oben auf die Leinwand.
Lia und ich sind dort gerade in groß für das ganze Stadion zu sehen, lachend winken wir.
Ich beuge mich leicht zu ihr, drücke ihr einen Kuss auf die Wange, das Stadion klatscht.
Naja eigentlich bin ich hier ja der Konkurrent.

"Steht morgen bestimmt in der Zeitung" flüstert Lia mir zu, als wir vom Bildschirm verschwunden sind.
"Ziemlich sicher" lachend verschränke ich unsere Finger miteinander.

Keven winkt uns kurz, als er aus dem Tunnel kommt. Unterhalten werden wir uns jedoch später.
Meine Dortmunder Jungs erscheinen ebenfalls auf dem Feld, das Spiel wird bald angepfiffen.

Bereits in den ersten Minuten geht es hier in Bochum rund.
Die Führung erziehlt Bochum bereits in der fünften Minute, Karim in der siebten dann mit dem Ausgleich.
Schon jetzt steht mein Körper unter Strom, ich bin angespannt.

Danach hagelt es eigentlich nur noch gelbe Karten bis zur Pause.
Tore gibt es keine mehr.
Keven winkt uns kurz, als er im Tunnel verschwindet.
Ich winke nicht zurück, meine Stimmung ist eher mies.

"Was macht dein Bein?" will Lia in der Halbzeitpause wissen, streicht vorsichtig darüber.
"Es geht" antworte ich "Der Knöchel ist schlimmer."
Lia nickt, tätschelt mein Bein.
"Damit solltest du aber vielleicht aufhören" gequält sehe ich meine Frau an.
Sie überlegt kurz, dann dämmert es ihr offenbar.
Ihre Augen weiten sich erschrocken, sofort zieht sie ihre Hand weg und läuft leicht rot an.
"Danke" entgegne ich lachend und lege einen Arm um sie.

"Weißt du" sagt sie dann lachend "Manche Mädchen weinen zuhause bestimmt jedes Mal, wenn sie uns zusammen sehen."
"Ziemlich sicher" antworte ich.

Dann wird das Spiel fortgesetzt und startet ziemlich bald mit einer fragwürdigen Szene.
"Das war doch Elfmeter" brülle ich und rege mich richtig auf.
Die Leute auf der Tribüne neben mir sehen mich schief von der Seite an.
Gut, in der Bochumer Kurve sollte ich wahrscheinlich nicht so laut schreien.

Leise lachend drückt Lia mich auf meinen Platz zurück.
"Das war wirklich Elfmeter" murmle ich.
Wir sehen uns das Spiel weiter an und leiden weiter.

Tor erziehlt, natürlich Abseits. Was denn auch sonst?
Handspiel? Nicht gesehen?

Es heißt zittern, zumindest für uns Dortmunder.
Meine Eltern versuchen das ganze eher neutral zu sehen, Lia ist damit beschäftigt mich zu beruhigen.
Ja ich rege mich wirklich ziemlich auf.

In der Nachspielzeit setzen wir auch noch jede Chance in den Sand.
Das wars hier mal würde ich sagen.

Von der Meisterschaft haben wir uns gerade ein gutes Stück entfernt.
Jetzt heißt es zittern und abwarten, Bayern spielt erst am Sonntag.

Wütend schreite ich von der Tribüne so gut das eben mit Krücken geht und gehe erstmal aufs Klo.

Lia und den Rest finde ich in der VIP Lounge wieder, Keven fehlt noch.
Missmutig lasse ich mich auf meinen Stuhl neben Lia fallen und seufze laut.
Sie greift einfach nur nach meiner Hand und streichelt behutsam darüber.
Mein Puls senkt sich automatisch herab und die Wut verpufft.

Diese Frau ist einfach ein Engel.

"Na Nico" lachend packt mein Bruder meine Schulter.
"Du Arschloch" antworte ich nur.
"Es wäre sehr schön, wenn wir den Fußball jetzt beiseite legen" entgegnet meine Mutter und was Mama sagt gilt.

Der Weg nach Hause ist ja zum Glück kurz, daher bleiben wir noch zum Essen.
Mein Bruder lädt uns ein und ich hoffe mal das nicht er kocht sondern Melissa.
Die sieht mir dann doch ein bisschen talentierter aus.

Kurzerhand stellt sich dann doch Mama an den Herd.
Es ist schon ziemlich spät und wir sind alle einfach nur müde.
Kevens Geburtstagsessen will sie trotzdem nicht auslassen.

Es gibt Schnitzel und Spätzle für alle.
Typisch schwäbisch eben.

"Sieht super aus Mama" Keven reibt sich die Hände, als Mama die vollen Schüsseln auf dem Tisch abstellt.
Lachend strecke ich sofort eine Hand danach aus und will mir das Essen auf den Teller schöpfen.
"Untersteh dich" sagt meine Mutter streng "Dein Bruder darf zuerst."
Grinsend nimmt Keven mir den Löffel aus der Hand und häuft das Essen auf seinen Teller.
"Lass was übrig man" murmle ich missmutig, Keven lacht nur.
"Genau" entgegnet Marvin "Andere haben auch Hunger."

Keven lässt uns dann doch tatsächlich etwas übrig, reicht den Löffel weiter. Dann herrscht erstmal Stille, alle genießen das super leckere Essen von Mama.

"Ich finds schön das wir mal wieder alle zusammen sitzen" sicherlich gerührt ergreift sie die Hand von meinem Vater "Meine kleinen Jungs werden erwachsen."
"Keven ist alt Mama" entgegne ich lachend.
"Du bist auch alt" murmelt er.

Diskussionen können wir leider nicht beginnen, Mama unterbricht uns lieber und möchte über meine anstehende Hochzeit reden.

"Hast du schon ein Kleid Liebes?" lächelnd blickt sie Lia an.
"Nein" sie schüttelt den Kopf "Wahrscheinlich kaufe ich das erst im Mai."
"Wie solls denn aussehen?" hackt Marvin nach.
"Das beantworte ich vor Nico nicht" Lia lacht.
"Wieso denn?" Marvin lacht leise.
"Weil er das nicht wissen soll" Lia zuckt mit den Schultern "Es bringt Unglück."
"Richtig" fügt meine Mutter an "Der Bräutigam darf das Kleid erst am Hochzeitstag sehen."

"Warum hattest du nicht so ein schönes weißes Kleid Mama?" frage ich.
"Ich war mit deinem Bruder schwanger Nico" sie lacht.
"Achso" antworte ich und esse weiter.

Plötzlich sehen allerdings alle meine Frau an.
"Nein" antwortet sie "NEIN ich bin nicht schwanger und NEIN das werde ich vor der Hochzeit auch nicht werden."
"Keiner hat das gefragt Lia" Keven lacht leise.
"Aber eure Blicke sagen das ihr Deppen" murmle ich.

"Will jemand Nachtisch?" mein Vater mischt sich ein und wechselt zum Glück das Thema.
"Klar gerne" ertönt es von allen.
Zufrieden räumt meine Mutter den Tisch ab und bringt den restlichen Geburtstagskuchen.

"Was ist eigentlich so eine typische Tradition in eurer Familie?" überlegt Lia dann laut.
"Fusball" ertönt es sofort von allen am Tisch und sie lacht leise.
"Das sieht man" antwortet Lia.

"Ne so ne richtige Tradition haben wir eigentlich nicht" ich zucke mit den Schultern "Der Fußball war immer präsent."
"Ist doch auch schön" Lia lächelt.

"Können wir Lia jetzt die Geschichte von Nicos erstem Mal erzählen?" Keven grinst.
"Nein" antworte ich und meine Mutter zum Glück auch, danke Welt.
Lia schmunzelt nur amüsiert.
"Das heben wir uns besser für ein anderes Mal auf" Marvin grinst.

Zum Glück ergreift mein anderer Cousin dann das Wort und löchert uns weiter bezüglich der Hochzeit.

"Es fehlt nicht mehr viel" entgegne ich lächelnd.
"Eigentlich nur noch Catering und unsere Kleidung" fügt Lia an.
"Das geht so schnell" flüstert meine Mutter "In ein paar Wochen heiratet ihr schon."

Und dann fällt mir etwas ein.
Scheiße.

"Nico?" mein Bruder sieht mich verwirrt an.
"Äh" sage ich "Ab dem 12. Juni sind wieder Länderspiele."
Meine Stimme wird gegen Ende hin immer leiser.
"Oh" Keven lacht.
"Dann müssen wir es wohl verschieben" Lia seufzt, ein bisschen traurig.
"Ich kann auch" setze ich an.
"Ist in Ordnung Nico" Lia drückt meine Hand "Wir verschieben es auf Juli."
"Okay" entgegne ich und fühle mich sofort ein bisschen schlecht.
"Es ist wirklich in Ordnung" sie lächelt.
Gott, diese Frau ist das wunderbarste Wesen auf der ganzen Welt.

"Also dann wohl Juli" Keven lacht "Auch nicht mehr weit."
"Das ist wirklich Wahnsinn" Lia lacht leise.
"Nico ist plötzlich so erwachsen" Keven schmunzelt.
"Und das noch vor dir" ich strecke ihm die Zunge raus.

Alle am Tisch sehen sich an und brechen in Gelächter aus.
Laut und schallend.
Es kommt tief aus unserem Herzen.

Highway to love Part 2 | Nico SchlotterbeckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt