Kapitel 162.1

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Lias P.O.V

Ich atme tief durch.
Und nochmal.
Und gleich nochmal ein drittes mal.

Ich bin ein bisschen nervös.
Stehe seit bestimmt fünf Minuten vor dieser Tür.
Die Stimmen in dem Raum dahinter plappern aufgeregt durcheinander.

Ich atme ein letztes mal tief durch.
Und öffne die Türe.

Ich befinde mich im Dortmunder Ärztehaus am Phönixsee.
In einem kleinen Seminarraum.

Und als ich eintrete verstummen die Gespräche sofort.
Die Kinder sehen mich mit großen Augen an.
Fast alle sind im Teenageralter oder schon fast erwachsen.

"Hallo" sage ich und setze mich auf den einzig freien Stuhl.
Gott wieso musste ich dieses Strickkleid anziehen.
Jeder starrt.
"Hallo" kommt es schüchtern von ein paar zurück.

"Bist du unsere Betreuerin?" frägt ein Mädchen schüchtern.
Ich schätze sie auf circa sechzehn.
"Ja" antworte ich "Die bin ich."

Alle sehen mich immer noch an.

"Wie ihr wisst sind wir heute hier um über Depressionen zu sprechen" ich atme durch "Darüber, wie ihr euch fühlt und was ihr dagegen tun könnt."
"Das ist gut" entgegnet ein Junge.
Alle nicken.

"Ich denke wir sollten uns alle mal kurz vorstellen" Ich lächle in die Runde.

"Kann ich anfangen?" ein Mädchen meldet sich sofort.
"Natürlich" ich nicke ihr aufmunternd zu.

"Ich bin Julie" sagt sie "Ich bin achtzehn und ich habe seit etwa drei Jahren Depressionen. Früher habe ich gerne gelesen"
Alle nicken.

Es geh reihum.

"Alex, sechzehn, Depressionen seit einem Jahr, mag Fußball."
"Lola, vierzehn, Depressionen seit etwa zwei Jahren, liebt Pferde."
"Maja, ebenfalls sechzehn, Depressionen seit einem halben Jahr, hört gerne Musik."
"Nick, siebzehn, Depressionen seit einem Jahr, spielt gerne Fußball."

Und dann kommen wir auch schon bei der letzten Person an.

"Und du?" frage ich.
Der junge Mann grinst, setzt sich gerader hin.

"Ich bin Luke" sagt er "Ich bin neunzehn. Bist du Single?"
Er mustert mich von oben bis unten.
Alle lachen leise.

"Hallo Luke" antworte ich "Ich bin zwanzig und nein ich bin nicht Single."
Alle lachen nur noch mehr.

"Ich mag die Gruppe hier" sagt Julie schüchtern.
Ich nicke.

"Dürfen wir was fragen?" wendet Nick sich an mich.
"Klar" antworte ich.

"Du bist die Schwester von Raum oder?"
"Das ist richtig" ich lache leise.
"Also die Freundin von Schlotterbeck?" hackt Alex nach.
"Korrekt" entgegne ich.
"Der BvB Fußballer?" Luke staunt.
Ich nicke.

Und dann glotzen erstmal alle.

"Wenn ihr nett seid bringe ich ihn vielleicht mal mit" Ich zucke mit den Schultern.
Alle nicken sofort begeistert.
"Er hat tolle Oberarme" flüstert ein Mädchen dem anderen zu.
Ich lache leise, da haben sie recht.

"Dann lasst uns mal anfangen."

Ich verteile ein paar Stifte und Papier.

"Jeder schreibt bitte einmal auf, wie ihr euch heute morgen gefühlt habt."
"Muss das sein?" murmelt Alex.
"Muss sein" ich lache leise.

Und dann hört man nur noch Stifte, die über Papier kratzen.

Nach zehn Minuten sind alle fertig.

"Möchte jemand erzählen?" frage ich in die Runde.

Lola nickt.
Ausgerechnet die jüngste traut sich als erstes.

"Ich konnte heute morgen kaum aufstehen" flüstert sie leise "Wollte einfach nur im Bett liegen bleiben."

"Geht es noch jemandem so?" frage ich sanft nach.
Nach und nach heben ein paar der anderen zögerlich ihre Hand.
Ich nicke.

Ermuntere Lola weiter zu reden.

"Ich hatte keinen Appetit" murmelt sie "Es ist mir schwer gefallen überhaupt zu entscheiden was ich hier her anziehen soll."

Ich nicke erneut.

"Oftmals hilft es, wenn man sich schon abends überlegt was man anziehen möchte" sage ich "Sich etwas überlegt, warum man morgen aufstehen sollte. Wieso es sich lohnt."

"Hilft das wirklich?" frägt Maja.
"An manchen Tagen" antworte ich ehrlich "An den besonders schweren Tagen braucht man manchmal den Schubs einer anderen Person."

"Meine Mutter weiß nicht, dass ich depressiv bin" murmelt Alex.

"Hast du Angst vor ihrer Reaktion?" frage ich.
Er nickt.

"Ich hatte auch Angst" antworte ich ehrlich "Aber mit der Zeit merkt man einfach, was für eine große Unterstützung andere Leute sein können."
Vereinzelt nicken ein paar.

"Es muss nicht die Mutter sein, sondern kann auch eine Tante, Onkel, Oma oder sogar Freunde sein" fahre ich fort "Mir hat das zum Beispiel sehr geholfen einfach mit jemandem reden zu können."

Lola nickt.
"Mir auch" sagt sie "Meine Mama hilft mir sehr."
"Wichtig ist das das jeder für sich selber entscheiden muss, was er oder sie für richtig hält" füge ich an.

Alle nicken.

"Warum bist du depressiv Lia?" Maja sieht mich an.
Und die Frage sieht mir nach allgemeinem Interesse aus, also werde ich sie wohl beantworten müssen.

"Mein Ex Freund hat mich nicht gut behandelt" setze ich an "Häusliche Gewalt ist hier sicherlich allen ein Begriff."
Schock macht sich breit.

"Und daher kämpfe ich mit allem, womit ihr auch zu kämpfen habt. Die Traurigkeit, Antriebslosigkeit und die Dämonen meiner Vergangenheit."

Keiner sagt was.
"Es tut mir leid" Luke räuspert sich, die anderen nicken einfach nur.

"Unsere Zeit ist leider schon um" entschuldigend blicke ich in die Runde.

"Können wir denn wieder kommen?" frägt Maja vorsichtig.
"Natürlich" entgegne ich sofort "Jeder der möchte."

Sie lächelt mich an.

"Bis zum nächsten Treffen versucht ihr mal etwas zu finden, für das es sich am nächsten Tag aufzustehen lohnt."

Alle nicken.

"Kann ich für nächstes mal Kuchen mitbringen?" Luke meldet sich zu Wort.
Erstaunt sehen ihn alle an.
"Klar" antworte ich "Kuchen ist immer gut."

Verabschieden sich lachend.

Der Raum leert sich.

Seufzend stelle ich die Stühle wieder beiseite.

Na das war doch mal ein guter Anfang.

"Lia?" eine zarte Stimme ertönt.
"Ja?" ich drehe mich herum.
Lola steht in der Tür.

"Danke" flüstert sie, rennt auf mich zu und umarmt mich fest.

Erschrocken sehe ich sie an.
Dann lege ich meine Arme um ihren Rücken.
Und drücke sie fest.

Selbst, wenn wir hier nur kleine Fortschritte machen.
Ein Fortschritt ist ein Fortschritt.

Ich freue mich Menschen helfen zu können.

Und vielleicht.
Vielleicht hilft es mir ja sogar selbst.

(Yeah u thought.
Morgen geht der Spaß mit Nico und Co wieder weiter :))

Highway to love Part 2 | Nico SchlotterbeckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt