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Ehe Lyanh den Blick über das Gemenge an Menschentrauben schweifen lassen konnte, vereinnahmte etwas anderes unweigerlich seine Aufmerksamkeit:
Im hinteren Teil des Festsaals thronte eine prächtige Tanne, die mit silbernen Girlanden und glänzenden Silberkugeln geschmückt war: Dies war das Sinnbild von Arzas, dem alljährlichen Auftakt der winterlichen Feierlichkeiten.

Der unverkennbare Geruch des Tannengrüns drang zu ihm herüber, Erinnerungen an seine Kindheit heraufbeschwörend, in der seine Schwester und er noch eine innige Beziehung gepflegt hatten und nahezu unzertrennlich gewesen waren.

Lyanh machte in unmittelbarer Nähe der Tanne zunächst den dunklen Schopf von Leeras Gemahl Kine aus, der sich mit einem breitschultrigen Mann mittleren Alters und schütterem Haar unterhielt. Beide führten sie ihre Weingläser an die Lippen, als er sich ihnen näherte. Mit einem Mal stand sein Körper unter Strom.

Krampfhaft presste er den Kiefer zusammen, zwang sich dazu, die in seinem Rachen aufsteigende Galle wieder hinunter zu befördern, als Kine ihn erblickte, und er jenes berechnende Funkeln in dessen kohlrabenschwarzen Augen aufblitzen sah.

Bis heute war es ihm unerklärlich, was seine Schwester an diesem Taugenichts für begehrenswert erachtete; doch lebte sie stets nach ihren eigenen Regeln und Normen, geleitet von ihrer unbezwinglichen Dickköpfigkeit und störrischem Stolz.

Seit Langem schon hatte er es vermieden, sich in ihr Leben einzumischen, wenngleich ihm missfiel, in welch verschwenderischem Stil sie es führte. Geschweige denn mit wem. Kine war kein Romantiker, obwohl Leera sich immer gewünscht hatte, ihren Finger mit dem Ring eines solchen zu zieren.

Kines Blicke hingegen wiesen ein berechnendes Lodern tiefster Schwärze auf, die ihn jedes Mal aufs Neue dazu veranlassten, dass seine Finger unruhig zuckten, bereit, diese um das Heft des Schwertes an seiner Hüfte zu schließen und kampfeswillig zu zücken.

Viele Jahre lang hatte Zereon ihn in der Schwertführung und im Nahkampf ausgebildet und ihn immer davor gewarnt, dass der eigene Körper drohende Gefahr sofort als solche auszumachen imstande war. Manchmal war er versucht, das Eisen in Kines ungeschützte Brust zu schlagen. Denn was er hinter dem Schleier aus Ignoranz zu lauern sehen glaubte, erfasste seinen Leib mit unheilvollen Schaudern.

Abgesehen davon hatte Kine ihr nicht viel zu bieten, außer guten Verbindungen zu den angesehensten Männern in Fangorah, mit denen indessen auch er selbst verkehrte und Handelsabkommen erarbeitete, um den Wohlstand seines Reiches zu sichern. Er war also auch hinsichtlich dessen kein herausragender Mann mit Alleinstellungsmerkmal.

Wie oft hatte er schon darüber sinniert, was seine Schwester wohl zu einer Eheschließung mit einem Mann ohne Charme, Klasse und Extravaganz bewogen haben mochte, der nicht einmal die banale Schwertführung beherrschte? Nein, dieser Mann war schon im Kindesalter maßlos verwöhnt worden und jeglicher Form der körperlichen Anstrengung ferngeblieben. Vermutlich hatte er nicht einmal eine Waffe in den Händen gehalten.

ARZAS || short story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt