Kapitel 7

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Irgendwann verabschiede ich mich von Anna. Nicht etwa, weil uns der Gesprächsstoff ausgegangen wäre, das tat er nämlich irgendwie nie, doch leider hatten wir beide noch einen Tag voll mit Arbeit vor uns. Arbeit, der ich lieber aus dem Weg gehen würde, aber meine Professionalität steht dann doch über einer bedeutungslosen Highschool Fehde. Zumal in diesem Fall eindeutig ich diejenige bin, die am längeren Hebel sitzt. Seufzend stelle ich den Motor meines Wagens ab, ziehe meinen Zopfgummi noch mal fest und steige dann aus. Mit dem halbvollen Kaffeebecher in der Hand mache ich mich auf den Weg zum Eingang des 173. Heute herrscht wieder reges Treiben auf dem Revier. Der Parkplatz ist voll und als ich die Tür aufstoße, kann ich bereits auf dem Gang Geräusche aus den umliegenden Zimmern hören. Mit langen Schritten steuere ich das Büro meines Chefs an. Dass mein Herz dabei ein bisschen zu schnell klopft, versuche ich absichtlich zu ignorieren. Normalerweise freute ich mich meistens auf die Arbeit, vor allem jetzt, wo wir einen neuen Ansatz für den Fall haben, aber die Vorstellung, Nathaniel heute wieder zu begegnen, trübt meine Euphorie dann doch etwas. Noch ein letztes Mal hole ich tief Luft, bevor ich an die Bürotür des Chiefs klopfe. "Herein!" Jeffs Stimme ist durchdringend, fast schon etwas harsch, doch mittlerweile kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass mein Chef zwar nach außen hin etwas brummig wirken konnte, aber an sich einen weichen Kern hatte. Also schiebe ich auch ohne große Umschweife die Tür auf.

Jeff sitzt hinter einem Berg von Akten, hat den Blick fest auf das Dokument auf seinem Tisch gerichtet. Er schaut nicht auf, auch nicht als ich den Raum betrete und die Tür hinter mir zuziehe, sondern hebt nur eine Hand. "Geben Sie mir noch eine Sekunde, Walker," fordert er, bevor ich überhaupt dazu komme, den Mund aufzumachen. Stattdessen stehe ich nur da und beobachte meinen Chef dabei, wie er eine Hand hebt und weiter hektisch auf seinem Papier herum kritzelt. Erst als er damit fertig ist, lässt er seine Hand wieder langsam sinken und hebt nun auch den Kopf, um mich anzusehen. Der Blick in seinen Augen wirkt fast ein bisschen gestresst, trotzdem schafft er es irgendwie, ein halbwegs freundliches Lächeln aufzusetzen. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, zieht ein paar Mappen aus dem Aktenstapel hervor und reicht sie mir über den Tisch. "Ich war so frei, ein paar der Akten zusammenzustellen, für die sie gestern die Einsicht angefordert haben," meint er jetzt und deutet auf einen der leeren Stühle vor dem massiven Schreibtisch. Ich schaue ein wenig überrascht. Normalerweise machte mein Vorgesetzter keine Schreibtischarbeit für irgendeinen Detective, zumal ich eigentlich nicht vorgehabt hatte, mich noch tiefer in die schändliche Vergangenheit meines "neuen Partners" hineinzulesen. Ich hatte bereits gestern Nacht genug über Nathaniels Vorstrafen gelesen, um zu wissen, dass es sich um keinen Serienmörder handelte, vor dem ich mich zu Tode fürchten musste. Und dennoch wusste ich genug, um etwas gegen ihn in der Hand zu haben, nur für alle Fälle. Doch auch das sage ich nicht, sondern nicke nur dankend und nehme nun wirklich auf dem Stuhl Platz. Heute trage ich wieder Jeans und eine helle Bluse, worin ich mich deutlich besser fühle als in dem hautengen Fummel von Gestern. Trotzdem sehe ich meinen Chief noch immer abwartend an.

"Ich habe heute früh mit Brown telefoniert," erklärt Jeff mir jetzt und tippt mit dem Stift auf das Papier vor seiner Nase. "Sie war, naja... sagen wir skeptisch. Aber nachdem ich ihr versichert habe, dass ich einen meiner besten Detectives auf den Fall angesetzt habe, hat sie Ihrem Vorschlag zugestimmt. Der Deal steht. Glückwunsch." Er schiebt mir das Dokument über den Tisch zu. Ich beuge mich vor und studiere kurz die Konditionen, zu denen die Staatsanwältin den Deal festgesetzt hat. Langsam nicke ich, lasse das Blatt sinken und lehne mich wieder in meinem Stuhl nach hinten. "Danke, Jeff," sage ich gedehnt, doch mein Chef schüttelt den Kopf. "Bedanken Sie sich nicht, Walker, zeigen Sie mir nur, dass die großen Stücke, die ich auf Sie gehalten habe, gerechtfertigt waren." Schnell nicke ich. "Aber natürlich! Wie ich schon sagte, ich werde Sie nicht -", ein Klopfen an der Tür unterbricht mich. Anders als ich, wartete derjenige aber nicht,bis er hereingebeten wird. Stattdessen wird die Klinke ganz selbstverständlich heruntergedrückt. "Sorry, man sagte mir, ich sollte hierher kommen. Ich hab den Raum nicht sofort gefunden." ertönt Nathaniels Stimme wenig enthusiastisch hinter mir, sodass ich mich nun doch umdrehe. Das leise Seufzen kann ich mir dabei nicht ganz verkneifen. Der hat mir ja nun wirklich gerade noch gefehlt. Mein Blick fällt trotzdem ganz automatisch auf den hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann im Türrahmen. Im Gegensatz zu gestern trägt er heute keinen Kapuzenpulli, sondern ein T- Shirt und Jeans, aber die Müdigkeit, steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

The DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt