Kapitel 15

16 4 2
                                    

Zehn Minuten vor 17 Uhr stehe ich auf dem Parkplatz vor dem Flux. Es kommt mir ein bisschen vor, als hätte ich ein Dejavu, während ich in die Dunkelheit starre und darauf warte, dass Nate endlich auftaucht. Es ist immer noch kalt, aber heute bin ich besser vorbereitet. Zumindest scheint der Wind heute nicht ganz so eisig durch meine Klamotten zu dringen. Vielleicht lag das auch daran, dass ich mich jetzt wirklich etwas wärmer angezogen hatte. Die Bluse, hatte ich gegen einen einfachen, dunkelgrünen Pullover und eine Mom Jeans getauscht, die nicht nur bequemer, sondern auch deutlich wärmer waren. Die Polizeijacke hatte ich zuhause gelassen und gegen eine Jeansjacke getauscht. Man spürte den Herbst schon an die Tür klopfen. Auch war ich heute mit meinem Wagen und nicht mit dem Dienstauto unterwegs, was jedoch nichts damit zu tun hatte, dass ich Nathaniels "gut gemeinten Rat" nachgekommen war. Ich war vielleicht blond, aber nicht blöd. Wenn ich beim ersten Mal schon gewusst hätte, in was für eine Gegend wir fahren würden, hätte ich mich beim ersten Mal direkt an den unausgesprochenen Dresscode gehalten. Irgendwie weiß ich noch nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Ich traue dem Frieden nicht. Sicher, ich hatte mich heute entschuldigt, aber dass jetzt auf einmal alles gut sein soll, fällt mir irgendwie schwer zu glauben.

Gerade will ich mein Handy aus der Hosentasche ziehen, als eine Gestalt auf mich zukommt. Die Silhouette des jungen Mannes, die sich jetzt zielstrebig auf mich zubewegt, hatte mir bei meinem letzten Besuch im Flux noch Angst gemacht, doch jetzt glaube ich, Nathaniel bereits zu erkennen, als er um die Straßenecke biegt und noch ein gutes Stück von mir entfernt ist. Er hat die Hände in der Tasche seines Hoodies vergraben, den er unter seiner Jacke trägt. Dass ich jetzt keine Zigarette entdecke, an der er im Sekundentakt zieht, wundert mich fast schon ein wenig. Doch ich kommentiere das nicht. Wahrscheinlich sollte ich mich eher glücklich schätzen, dass er für ein paar Sekunden mal nicht seine Umwelt verpestete und mich dem Dunst seiner Abgase aussetzte. Das würde mein Leben auf jeden Fall um ein paar Minuten verlängern.

"Du bist ja schon da," begrüßt er mich, kaum dass er in Hörweite ist und zieht die Hände aus der Tasche seines Hoodies. "Man könnte fast meinen, du stellst mir nach. Hast du mich nach heute Morgen schon wieder so sehr vermisst?" Augenrollend löse ich mich aus meiner Position und überbrücke so die letzten Meter zwischen uns. An das, was heute Morgen passiert ist, will ich mir wirklich keine Gedanken machen. Nates nackter, tätowierter Körper würde wahrscheinlich noch Gegenstand einiger meiner schlimmsten Albträume werden. Unter die Top 5 meiner peinlichsten Erlebnisse schaffte es dieser Moment auf jeden Fall.

Zum Glück laufe ich nicht schon wieder bei dem Gedanken daran rot an.

"Ich muss dich enttäuschen, das ist einfach meine gute Erziehung. Lieber überpünktlich als zu spät, aber das kann man nur behaupten, wenn man zumindest ab und an mal pünktlich ist." erwidere ich wenig beeindruckt, während mein Blick kurz über den Dunkelhaarigen gleitet. Grauer Hoodie, dunkle Jeans, abgewetzte Turnschuhe. "Ach komm schon, kann ja nicht jeder so ein Streber sein wie du. Ich habe mich wirklich beeilt und das nur dir zuliebe. Dass könntest du etwas mehr wertschätzen. Ich bin nur hier, weil ich dir einen Gefallen tue," behauptet er mit einem kleinen Schmunzeln, das fast schon neckisch wirken könnte, wenn es nicht Nate wäre, mit dem ich hier stehe. Sicher, er wollte nur mir einen Gefallen tun. Klar.

"Jaja," sage ich, "Was auch immer, lass uns jetzt keine Zeit verlieren. Ich bin immerhin nicht im Dienst und die Polizei bezahlt nur ungern Überstunden." scherze ich matt und nicke in Richtung des Eingangs der kleinen Bar. Je schneller wir es hinter uns bringen würden, umso besser, denn der Gedanke, jetzt in diese Bar zu gehen, behagt mir irgendwie nicht. Vor allem nicht nach unserem letzten Besuch. Nate rollt nochmal mit den Augen, setzt sich aber in Bewegung. "Alles klar, dann los. Bringen wir es hinter uns. "

***

Die Bar scheint heute noch weniger gut besucht als bei unserem letzten Besuch. Ob das an dem Umstand liegt, dass es erst Nachmittag ist, oder weil es unter der Woche ist, ist schwer zu sagen. Weder auf den Hockern, noch an den Tischen sehe ich vereinzelte Gäste sitzen, nur in den Ecken lungern ein paar kaum wahrnehmbare Gestalten herum, die einsam in ein Glas Bier murmeln. Selbst der Billardtisch ist unbesetzt. Dafür ist der miefige Kneipengeruch noch da und steigt mir sofort in die Nase.

The DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt