Kapitel 11

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Rumps! Mit einem gezielten Hieb versetze ich dem Boxsack vor mir einen Stoß, so heftig, dass die Feder ein leises Knacken von sich gibt. Mein Atem geht schleppend, ich spüre das Herz in meiner Brust Blut durch meine Adern pumpen, während meine Faust ein weiteres Mal auf den Boxsack zu saust und meine Faust sich in das weiche Leder bohrt, wie eine Pfeilspitze in eine Zielscheibe.

Es ist ein gutes Gefühl, dass sich in meinem Körper breit macht, während mein Adrenalinspiegel in die Höhe zu schießen scheint.

Kickboxen, war das, was andere sicher als Yoga bezeichnen würden. Nicht, dass ich mich als eine der Frauen bezeichnet hätte, die schon früh um 05 Uhr morgens zehn To-Dos von ihrer Liste abgehakt hatten und dann einen "kleinen Morgenspaziergang" machten, um in Schwung zu kommen - Im Gegenteil. Mein Schlaf ist mir heilig und mit Sicherheit der größte Sportmuffel auf Erden, auch wenn ich bei der Polizei arbeite - doch wenn ich mich dann mal aufraffen kann, zum Training zu gehen, genieße ich es jedes Mal. Vor allem, weil ich in diesen Momenten einfach abschalten kann. Abschalten, einfach alles um mich herum vergessen, das ist genau das, was ich gerade auch versuche und der einzige Grund, warum ich an einem Sonntagmorgen gegen 08:00 Uhr im Trainingscenter des Police Departments auf einen Boxsack eindresche.

Als ich heute früh die Tür zur Halle aufgeschlossen hatte, hatte mich nur gähnende Leere erwartet, perfekt um den Kopf frei zu kriegen. Perfekt, um zu vergessen, was vorgestern passiert ist und perfekt, um nicht daran erinnert zu werden, dass wir mittlerweile September haben und der Tag, vor dem ich mich seit Beginn des Jahres fürchte, immer näher rückt.

Ich hatte mir die Kopfhörer in die Ohren gestöpselt, Musik gestartet und einfach mit dem Training angefangen. Es gab wirklich eine Menge, was ich zu verarbeiten hatte. Allen voran die spärlichen Ergebnisse, die die bisherigen Ermittlungen geliefert hatten.

Den gestrigen Tag hatte ich ausschließlich damit verbracht, nach Travis Baker zu recherchieren. Ich hatte Akten gewälzt, mich regelrecht in Arbeit vergraben, versucht, irgendeine Verbindung zu einem alten Fall zu finden oder an eine Adresse zu kommen und eine Streife zum Memorial Park geschickt. Keine neuen Erkenntnisse, Nichts, aber auch gar nichts Brauchbares hatte ich über ihn gefunden. In den Akten tauchte sein Name einmal auf, wegen eines Falls von Sachbeschädigung vor sechs Jahren, der dadurch nicht nur verjährt wäre, sondern auch mit einer geringen Geldstrafe beglichen wurde. Und selbst da, konnte ich mir nicht mal sicher sein, dass es sich um den Mann handelte, den ich suchte. Es gab in Bellflower erstaunlich viele Menschen, die sich Travis Baker nannten. Es ist einfach frustrierend. Genauso wie die Worte von Nathaniel, die immer wieder durch meinen Kopf spuken, seit er am Freitag einfach in der Dunkelheit verschwunden ist. Nur schwarz und weiß. Pff. Von wegen, Nur weil ich Recht von Unrecht unterscheiden kann, heißt das noch lange nicht, dass ich jeden verurteile, der meine Meinung nicht teilt. Ich denke eben nur, dass es andere Wege gibt, um seine Probleme zu lösen, als Pillen zu schlucken. Oder sie in seinem Fall zu verkaufen. Und dann vergleicht er mich auch noch mit McLoud, ausgerechnet mit MCLOUD! Für wen hält er sich eigentlich, mir sowas zu unterstellen?

Mit einem weiteren dumpfen Laut trifft mein Fuß auf den unteren Teil des Sacks. Schwer atmend richte ich mich auf und streiche mir eine lose Strähne aus der Stirn. Inzwischen müsste ich schon seit zirka einer Stunde trainieren und die Übungen haben es in sich. So heftig hatte ich das Ganze nicht mehr in Erinnerung. Meine Muskeln brennen wie Feuer, trotzdem denke ich noch nicht daran aufzuhören. Nicht jetzt, ich brauche nur eine Pause.

Ich greife nach meiner Wasserflasche, die ich am Rand der Halle abgestellt hatte, und nehme einen großen Schluck, während ich einen der Kopfhörer aus meinem Ohr ziehe. Die Playlist ist schon lange zuende. Mein Atem geht flach, meine Wangen glühen und der Schweiß steht mir auf der Stirn, aber trotzdem bin ich ziemlich stolz auf mich, dass ich mich doch zum Sport aufgerafft habe. Bis zu dem Gefühl, in dem man sich nur noch auf die Technik und das Gefühl des eigenen Körpers fokussiert, in dem man alles um sich herum vergisst wie in einem Rausch. Die kühle Flüssigkeit rinnt meine Kehle hinab, als ich einen gierigen Schluck hinunterstürze, aber nachdem ich meinen Durst gestillt habe, lege ich Kopfhörer und Flasche zur Seite und ziehe meinen Zopf noch mal fester. Ich bin hier noch nicht fertig, noch lange nicht. Also auf zur zweiten Runde!

The DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt