Isla Manua

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Das Klingeln einer Teleschnecke ließ den schwarzhaarigen Mann von seinen Papieren aufsehen. Er nahm seine Zigarre aus dem Mund und legte sie auf den gläsernen Aschenbecher. Dann nahm er ab.

„Ja?", erklang seine basslastige Stimme.

„Sir, es tut mir leid, dass ich sie störe, aber..."

„Er ist euch also entwischt."

„J-ja Sir. Es tut mir schrecklich leid!", ertönte Vitales unterwürfige Stimme aus der Teleschnecke, „Er scheint mit der Hilfe zweier Anwohner die Insel verlassen zu haben."

Der Schwarzhaarige seufzte und rieb sich die Schläfe.

Dann sagte er: „Ihr habt diese beiden hoffentlich für ihren Verrat bestraft."

„Ist Verrat nicht ein zu starkes Wort, Sir?"

Ein Zögern war deutlich aus Vitales Stimme herauszuhören. Der Blick seines Gesprächspartners verfinsterte sich.

„Wer sich gegen mich stellt, ist ein Verräter. Du wirst sie umgehend bestrafen!"

„J-Jawohl Sir."

„Gut. Und was dieses, wie nanntest du ihn gleich?"

„Spitzohr, Sir."

„Genau. Was dieses Spitzohr angeht. Darum kümmere ich mich höchstpersönlich!"

„Persönlich? Denken sie, dass er auf Isla Manua auftaucht? Ich kann mir das nicht vorstellen."

„Nein, aber sein Bild wird an jeden verteilt. Sobald ihn jemand entdeckt, werde ich mich um ihn kümmern."

Vorsichtig fragte Vitale nach, was sein Boss dann mit dem jungen Mann vorhätte.

„Wenn so etwas noch einmal vorkommt, erfährst du es am eigenen Leib, Vitale", antwortete der Schwarzhaarige kalt und legte mit diesen Worten auf.

Er erhob sich aus seinem Sessel und ging zum Fenster. Es hatte also tatsächlich jemand gewagt, sich gegen ihn und seine Männer zu erheben. Das konnte er nicht ungestraft lassen. Am Ende kamen noch andere Leute auf die Idee, sich gegen ihn aufzulehnen. Er wandte sich vom Fenster ab und nahm das Bild in die Hand, das Vitale ihm hatte zukommen lassen. Der junge Mann darauf sah nach nichts Besonderem aus und dennoch hatte er es geschafft, Vitale zu entwischen und ihm einen ziemlichen Schrecken einzujagen.

„Du wirst mir nicht entkommen. Verlass dich darauf!"


~*~*~*~


Das Kreischen von Möwen weckte Kiyan. Er lag aus gestreckt auf den harten Planken seines Schiffs. Es war zu seiner Freude noch in einem Stück und er selbst war noch immer an Bord. Das Meer hatte ihn nicht gewaltsam mit sich gerissen und in den dunklen Fluten ertränkt. Stattdessen hatte es sich mittlerweile beruhigt. Der Himmel war zwar noch immer mit dunklen Wolken verhangen, aber außer Regen schien er im Moment nichts befürchten zu müssen. Der Schwarzhaarige war völlig durchnässt, aber das störte ihn nicht sonderlich. Er freute sich einfach, dass er noch am Leben war. Außerdem war das Dröhnen in seinem Kopf mittlerweile zu einem dumpfen Pochen geworden und würde sicherlich bald ganz aufhören. Langsam setzte er sich auf und genoss für einen Augenblick den kühlen Wind. Er schüttelte kräftig den Kopf und Tropfen stoben von seinen Haaren in alle Richtungen davon. Wieder hörte eine Möwe kreischen und ließ seinen Blick zum Ursprung des Geräuschs wandern. Oben auf dem Mast entdeckte er den weißen Vogel. Er beobachtete Kiyan einen Moment lang und flog dann davon. Neugierig stand der Schwarzhaarige auf und sah in die Richtung, in der der Vogel verschwunden war. Ganz klein am Horizont konnte er einen dunklen Punkt entdecken. Konzentriert starrte er darauf, konnte allerdings auf dieser Entfernung nichts erkennen. Schnell verschwand er im Aufbau und schnappte sich aus dem Schrank neben seinem Bett ein Fernrohr. Damit bewaffnet ging er wieder an die Reling und suchte erneut den Punkt in der Ferne. Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er den Punkt als Insel identifizierte.

Returning MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt