Allein auf hoher See

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Endlose Dunkelheit umgab den jungen Mann und schon seit Stunden wanderte er ziellos umher. Erschöpfung machte sich in seinem Körper breit und nach einer gefühlten Ewigkeit gaben schließlich seine Beine nach. In der Ferne ertönte ein unmenschliches Schreien, das immer näher und näher kam. Plötzlich tauchte eine Schattengestalt vor ihm auf. Ihr Körper schien aus Rauch zu bestehen und dennoch wirkte er so massiv wie ein normaler Körper. Das Wesen betrachtete den Schwarzhaarigen einen Augenblick mit seinen gelb leuchtenden Augen. Dann hob es seine Klaue und stürzte sich auf ihn. Erschrocken hob er seine Arme, um sich vor dem Angriff zu schützen. Die Klauen rissen tiefe Wunden in sein Fleisch und ein unangenehmes Brennen breitete sich darin aus. Gereizt knurrte Kiyan es an und wich einem weiteren Hieb seiner Krallen aus. Einem inneren Drang folgend, stürzte er sich auf die Kreatur und riss sie zu Boden. Das Wesen schlug um sich und fügte ihm an seinem ganzen Körper Wunden zu. Doch er nahm es nicht wahr. In seinem Kopf hallte nur der Gedanke daran, dieses Wesen zu töten, wider. Aus Ermangelung an Waffen biss Kiyan ihm schließlich in die Kehle. Das Wesen schrie und wieder hallten diese unmenschlichen Schreie durch die Dunkelheit. Es versuchte, dem jungen Mann zu entkommen, doch sein Griff war zu stark. Schließlich löste es sich mit einem letzten Schrei in Rauch auf. Leise Schritte waren zu hören und nach und nach traten weitere dieser Kreaturen aus der Dunkelheit. Sie kreisten den Weißhaarigen ein. Zischten und schrien, dass es ihm in den Ohren schmerzte.

„Seid still", hauchte er.

Der junge Mann hielt sich die Ohren zu, um dem unerträglichen Lärm zu entkommen. Doch es half nicht! Es fühlte sich so an, als würden die Schreie direkt in seinem Kopf entstehen und durch seinen gesamten Körper hallen.

„Ihr sollt still sein!", schrie Kiyan sie mit aller Kraft an.

Aus dem nichts erschien ein Dolch in seiner Hand. Die pechschwarze Klinge mündete in einen weißen Griff, an dessen Ende ein detaillierter Drachenkopf zu erkennen war. Er ignorierte den Fakt, dass der Dolch soeben aus dem nichts gekommen war, und zwang sich auf die Beine. Die Waffe drohend erhoben, ließ er seinen Blick über die Kreaturen schweifen. Für einige Sekunden verstummten sie und starrten den Weißhaarigen an. Doch dann kehrte das Zischen und Schreien zurück. Diesmal war es um ein Vielfaches lauter als zuvor. Mit einem lauten Schrei, der aus tiefster Seele kam, attackierte Kiyan die Schattengestalten. Eine nach dem anderen verpuffte, sobald der Dolch sie durchstach. Immer wieder erwischten ihn ihre Klauen und fügten ihm unzählige Wunden zu. Er wusste nicht, woher diese Kraft kam, die ihn auf den Beinen hielt und es war ihm auch egal. Die Schreie sollten einfach verstummen und die Schmerzen, die sie verursachten, aufhören. Die Kraft der Wesen schwand mit jedem Weiteren von ihnen, das sich auflöste. Als die letzte Kreatur in Rauch aufging, kehrte eine wohltuende und beruhigende Stille ein. Der Körper des Weißhaarigen zitterte vor Anstrengung, aber er blieb angriffsbereit. Allerdings tauchte keins dieser Geschöpfe mehr auf. Stattdessen wich die Dunkelheit nach und nach dem Licht. Seine Umgebung wurde immer deutlicher und er ließ den Blick wandern. Bis zum Horizont erstreckte sich um ihn herum ein Meer aus Blut und Leichen. Seine Augen blieben an einem weißhaarigen Mann hängen, der nur wenige Meter von ihm entfernt, leblos am Boden lag.

„Nein", hauchte er, „Bitte nicht!"

Er stolperte schnellen Schrittes auf den Mann zu und ließ sich neben ihn auf den Boden fallen. Mit zitternder Hand griff er nach seiner Schulter, um ihn zu sich zu drehen, und...

Ein stechender Schmerz riss Kiyan aus dem Schlaf. Er brauchte ein paar Minuten, um zu realisieren, wo er war und woher die Schmerzen kamen. Er hatte sich im Schlaf unruhig hin und her gewälzt und war dabei aus dem Bett gefallen. Zu seinem Pech war er direkt auf seiner verletzten Schulter gelandet. Der junge Mann setzte sich auf und tastete vorsichtig den Verband ab. Erleichtert stellte er fest, dass die Wunde durch seinen Sturz nicht aufgegangen war. Sobald der Schmerz etwas nachließ, stand er auf und verließ den kleinen Raum. Die Sonne blendete ihn, als er an Deck trat. Mit der Hand schützte er seine Augen und ließ seinen Blick über den Horizont wandern. Die Sonne sorgte für eine angenehme Temperatur und eine sanfte Brise trieb das kleine Schiff gemütlich voran. Der Wind fühlte sich auf seinen Wangen seltsam kühl an und irritiert rieb er mit dem Handrücken darüber. Ein tiefer Seufzer entwich dem Schwarzhaarigen, als er feststellte, dass sie feucht waren.

Returning MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt