Die Reise beginnt

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Kiyan bereute es sofort, dass er seinen Gegner für einen kurzen Augenblick aus den Augen ließ. Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, schon traf ihn ein schwerer Schlag in den Magen und die Waffen lösten sich mit einem kreischenden Geräusch voneinander. Keuchend ging der Schwarzhaarige in die Knie. Die Dielen knarrten leise, als der Muskelprotz zu einem weiteren Angriff ausholte. Bei dem Versuch auszuweichen, schnitt die Klinge tief in Kiyans Schulter und ein zorniges, animalisches Knurren drang aus seiner Kehle. Seine Augen hatten mittlerweile ein tiefes Violett mit einem leichten Rotstich angenommen und sein Angreifer wich beunruhigt zurück.

„Kiyan, du musst ruhig bleiben", rief John ihm zu.

Sorge und ein Hauch von Angst schwangen in seiner Stimme mit. Er wollte diesen Kampf um Kiyans Willen beenden, doch Vitale gab ihm keine Chance dazu. Selbst dazu, das Notizbuch in Ruhe zu lassen, konnte er der Anzugträger nicht bewegen.

Die Worte des Wirts drangen nur schwach zu dem jungen Mann durch.

„Jetzt mach das Spitzohr endlich fertig, Anthony", warf Vitale nun ungeduldig ein, „Das kann ja nun wirklich nicht so schwer sein!"

Energisch schüttelte Kiyan den Kopf und versuchte so, das betäubende Gefühl, das sich langsam in seinem Kopf breitmachte, zu vertreiben. Plötzlich schoss erneut die Klinge seines Gegners auf ihn zu und einem Impuls folgend riss er seine Pistole schützend nach oben. Durch die Wucht des Angriffs wurde sie ihm aus der Hand geschlagen und rutschte über die Dielen, bis sie von der Theke gestoppt wurde.

„Ha, na also. Geht doch!", lachte Vitale auf und warf das Notizbuch achtlos auf den Boden.

Für einen kurzen Moment war Kiyan wie erstarrt, doch dann nahmen seine Augen endgültig eine blutrote Farbe an und seine Haare wurden schneeweiß. Wieder entwich ihm ein bedrohliches Knurren. Den nächsten Angriff mit dem Säbel fing er mit der bloßen Hand ab. Den Schmerz, als die Klinge tief ins Fleisch schnitt, nahm er kaum wahr. Mit der anderen Hand holte er zum Schlag aus und schmetterte sie seinem Gegner mitten ins Gesicht. Die Nase gab ein unschönes Knacken von sich und der Mann taumelte nach hinten. Rückwärts stolperte er über einen der Stühle und schlug mit dem Kopf gegen den Tisch von Brexton und seinen Freunden. Die drei Männer waren mittlerweile dahinter in Deckung gegangen und beobachteten, mit blassen Gesichtern, die Szenerie vor ihnen.

Kiyan hob geschickt mit seinem Schwanz den Säbel auf und ging dann damit auf Vitale zu. Dieser richtete seinen Revolver mit zitternder Hand auf ihn und drückte ab. Nahezu spielend wich der, nun Weißhaarige, den Schüssen aus, bis er direkt vor dem Kleineren stand. Er zielte auf die Kehle des Anzugträgers und holte zum tödlichen Schlag aus.

„Kiyan, nicht! Deinem Notizbuch ist nichts passiert, siehst du?"

John hatte rasch das schwarze Buch aufgehoben und den Staub abgewischt. Nun streckte er es dem jungen Mann entgegen, der seinen Angriff nur wenige Zentimeter vor Vitale stoppte. Sein Blick richtete sich auf den Wirt und der finstere Ausdruck in Kiyans Gesicht jagte diesem eine Gänsehaut über den Rücken. Vitales Beine quittierten ihren Dienst und zitternd krabbelte er außer Reichweite. In einem unbeobachteten Moment verschwand er heimlich zur Tür hinaus.

Kiyans Gedanken wurden langsam wieder klarer und plötzlich spürte er, wie eine Welle der Erschöpfung über ihn hereinbrach. Er fasste sich benommen an den Kopf und taumelte gegen den Wirt.

„John, was...", setzte er an, doch seine Stimme brach weg.

„Alles gut, mach dir keine Sorgen, Kleiner!"

John half dem Schwarzhaarigen auf den nächstbesten Stuhl und gab ihm das Notizbuch. Der junge Mann drückte es an sich, schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch.

Returning MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt