Die Schritte von Kiyan und Kalana echoten durch die Finsternis, die in den Minen herrschte. Nur hier und da passierten sie kleine Lämpchen, die ganz schwach leuchteten. Am liebsten hätte er eines davon mitgenommen, doch sie waren fest mit der Wand verankert und hingen zudem an langen Kabeln, die von Lampe zu Lampe gingen. Die Tatsache, dass in einer verlassenen Mine Strom floss, weckte Misstrauen in dem jungen Mann und bevor sie in den Lichtkegel von einem Lämpchen traten, lauschte er in die Dunkelheit. Allerdings liefen sie nun schon eine Weile, ohne ein weiteres leuchtendes Lämpchen zu passieren.
„Sind die hier kaputt oder hat jemand den Strom abgestellt?", überlegte Kalana laut und war gerade wirklich froh, dass sie dank ihrer Abstammung trotzdem halbwegs etwas erahnen konnte. Neugierig musterte sie die Minenwände, ließ ihre Hand darüber gleiten und entdeckte ab und zu eine der Lampen. Immer wieder glitt ihr Blick zu ihrem Begleiter, der nachdenklich sein Kinn auf seinen Daumen stützte und mit dem Zeigefinger gegen seine Lippen klopfte.
„Wir sind zwei Mal nach rechts abgebogen, danach einmal links und dann wieder rechts", murmelte Kiyan hochkonzentriert vor sich hin, während er abwesend vor sich hinstarrte, „Dann sind wir geradeaus, obwohl wir nach links gemusst hätten..."
Er hob den Kopf an und warf einen finsteren Blick auf Kalana, die ihn erst unschuldig anklimperte und dann scheinbar ganz fasziniert die Wand neben sich betrachtete. Ein schweres Seufzen kam über seine Lippen und er rief die Karte vom Eingang der Mine nochmal vor seinem inneren Auge auf. Im Augenblick war er wirklich froh, dass er sich Dinge so gut merken konnte. Jedenfalls für gewöhnlich. Auf einmal gabelte sich der Weg vor ihnen und sie blieben stehen. Die Blauhaarige sah kurz zu ihm, ehe sie ihren Blick über die beiden Gänge schweifen ließ. Wenn sie genau hinsah, konnte sie in beiden Gängen ein schwaches Leuchten und weitere Abzweigungen erkennen.
„Wo lang jetzt?", fragte sie fast schon beiläufig nach.
„Wenn wir hier den linken Gang nehmen und dann bei der zweiten Abzweigung innerhalb des Tunnels ebenfalls und anschließend nach rechts gehen...", zeichnete der junge Mann nachdenklich mit seinem Finger ihren Weg auf eine imaginäre Karte in der Luft, „Dann müssten wir eigentlich wieder auf dem richtigen Weg s..."
„Uh! Da hinten funkelt was!", kam es freudig von der Halbelfe neben ihm, was ihn erschrocken zu ihr herumfahren ließ.
Er wollte nach ihr greifen, aber noch bevor er sie zu fassen bekam, verschwand sie in den rechten Tunnel.
„Das ist doch nicht ihr Ernst...schon wieder?!", knurrte er genervt und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Sein Blick fiel auf den Tunnel, den sie eigentlich nehmen sollten und kurz war er gewillt, einfach ohne die Blauhaarige weiterzugehen. Allerdings war sie nur hier drin, weil sie unbedingt bei ihm mitsegeln wollte. Er wollte sich einreden, dass sie selbst schuld wäre, wenn sie trotz seines Neins mit in die Mine kam und sich dann dort verliefe. Doch dennoch war er der Grund für ihren Aufenthalt hier drin. Kiyan stieß ein genervtes Knurren aus. Er fühlte sich für sie verantwortlich und das ging ihm deutlich gegen den Strich.
„Da hinten glitzert es auch! Hey, Kiyan, schau mal!", erklang ihre leiser werdende Stimme aus dem Tunnel.
Erneut kam ein tiefes Seufzen über seine Lippen, ehe er ihr in den rechten Gang folgte.
„Wenn sie das noch ein paar Mal macht, verlier ich ganz sicher den Überblick...", brummte er unzufrieden und schloss langsam zu ihr auf.
„Wow! Siehst du das?", deutete die junge Frau auf eine Stelle im Gestein, die durch das Lämpchen, das hier hing und schwach leuchtete, golden glänzte, „Das ist eine Goldader!"
Ihre Augen funkelten fasziniert, als sie das Gestein betrachtete und mit den Fingern vorsichtig darüberfuhr.
„Das ist unglaublich! Ich hab gelesen, dass die Minen hier schon vor langer Zeit stillgelegt wurden, weil sie angeblich völlig erschöpft seien", fuhr sie aufgeregt fort und sah zu Kiyan, „Und jetzt stolpern wir zufällig über eine Goldader!"
Der Schwarzhaarige verzog skeptisch das Gesicht und stellte sich neben sie, betrachtete ebenfalls das goldglänzende Gestein.
„Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss", wandte er sich an Kalana, nachdem er es eine Weile gemustert hatte, „Aber das ist kein Gold."
„Nicht?", sah sie ihn überrascht an, „Aber es glänzt doch..."
„Golden?", beendete Kiyan ihren Satz, „Ja, das schon. Aber das ist Pyrit und kein Gold."
Ihr fragender Blick ließ ihn etwas schmunzeln.
„Umgangssprachlich nennt man es auch Katzen- oder Narrengold", erklärte er ihr, während er sich ein Stück von ihr entfernte und zu dem Tunnel sah, aus dem sie gerade gekommen waren, „Es hat dieselbe Farbe ist aber ein gänzlich anderes Mineral. Da das hier alte Minen sind, ist es nicht besonders ungewöhnlich, dass man hier Pyrit findet. In der Regel wird es immer von anderen Mineralien begleitet, wenn es irgendwo vorkommt. Soweit ich weiß, zählen Kupfer und Gold auch zu den möglichen Begleitern von Pyrit."
„Du kennst dich damit ja echt gut aus!", gab die Halbelfe anerkennend von sich.
Sie drehte sich zu ihm um und musterte ihn erneut mit einem faszinierten Blick. Je länger sie in der Gesellschaft dieses Mannes war, desto neugieriger machte er sie. Er war nicht nur ein Halbling, dessen zweite Hälfte sie nicht zuzuordnen wusste. Er war auch sonst eine überaus interessante und irgendwie auch geheimnisvolle Persönlichkeit.
„Wie kommt es, dass du dich damit auskennst?", hakte sie neugierig nach, was seinen Blick von den Gängen wieder zu ihr wandern ließ.
Er öffnete den Mund, um ihr zu antworten und stutzte. Nachdenklich sah er für einen Moment an die Decke.
„Gute Frage...woher weiß ich so viel darüber? Ich hab in den letzten drei Jahren keine Bücher angefasst, in denen es um sowas ging!", schoss es ihm erstaunt durch den Kopf.
„Ganz ehrlich", sah er die Blauhaarige wieder an und zuckte mit den Schultern, als er weitersprach, „Ich hab keine Ahnung!"
„Wie jetzt?", blinzelte sie ihn verwirrt an, „Wie kann das denn sein? Du kennst dich mit etwas aus, aber weißt nicht wieso?"
„Das hat seine Gründe, aber die gehen dich nun wirklich nichts an!", murmelte er und kehrte ihr den Rücken zu, „Lass uns zurückgehen. Wir hätten den anderen Tunnel nehmen müssen!"
„Aye, aye!"
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Returning Memories
FanfictionWas macht man, wenn man weder weiß wer man ist, noch woher man eigentlich kommt? Für Kiyan liegt es auf der Hand. Er muss seine Antworten auf dem Meer suchen. Doch wer weiß, auf was er dabei alles stößt. Und was hat es mit dem alten Notizbuch, sein...