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Der Mann, der einen dezent gepflegten Bart besaß, stand soeben auf und hielt sein Blick auf mich, indes ich mich am liebsten hinter irgendjemanden verstecken möchte. Sie waren stechenden, sodass ich davonlaufen wollte.

,,Die berühmte Zélia Carsodo, die meine Männer um den Verstand bringt und sechs Jahre lang auf einer einsamen Insel verweilen musste." Er näherte sich mir und nahm meine Hand zu sich, worauf er mir einen Kuss gab. ,,Ich bin Ramiro Barão, der Kopf bei dem, was du gesehen hast."

,,Also warst auch du die Person, die mich hinter vier Wänden einsperren ließ und ist die erste Nacht auf dem Betonboden schlafen musste." Er ließ von mir ab und sah mir in die Augen und fing an, leicht zu grinsen. ,,Eine Dame auf dem Boden schlafen zu lassen? Wo bleiben eure Manieren?" Sah er Tiago und Mauricio an, die nicht erfreut schienen.

,,Ich kann dir versichern, dass ich dieses nicht angeordnet habe. Zudem ich selbst nicht einmal weiß, was mein Cousin und mein enger Freund mit dir vorhaben." Ramiro bat mich neben sich Platz zu nehmen, indessen eine Bedienstete das Essen servieren ließ.

,,Wie war das Meeting mit den Marokkanern?" Ramiro lachte auf und sah Tiago an, der ein Glas Wein zu sich nahm. ,,Solange die Zahlen stimmen und sie die Ware erhalten, sind die mir egal. Sie stehen eng mit Kolumbien in Verbindung, was dem zu Verhängnis werden kann. Schließlich haben wir die Insel eingenommen, die reichlich an Kokapflanzen besitzt."

,,Da kommen wir auch schon zum Thema, und zwar, die Insel." Begann Tiago und sah mich an. ,,Dann klärt mich auf und ihr werdet eine Antwort erhalten." Lehnt sich Ramiro zurück, als er ruhend seine Handfläche auf meinen Oberschenkel platzieren ließ.

,,Zélia kennt sich besser auf der Insel aus, als wir. Sie soll mit uns die Insel durchsuchen, im Gegenzug sie die Freiheit erhält und wir ihre Eltern finden." Ich sah zu Ramiro, der mal zu mir sah und dann zu Mauricio und Tiago.

,,Und du möchtest also Freiheit haben? Gefällt es dir nicht bei uns?" Ich sah ihn ernst an und zog die Brauen zusammen. ,,Jedenfalls nicht, solange ich bei denen bin." Sein Mundwinkel erhob sich und nahm seine Hand von mir.

,,Was heißt denn bei denen? Du musst nicht bei ihnen sein. Das Herrenhaus ist groß genug, um jemanden wie dich einzuladen." Ich bemerkte die unbestimmten Augen von Mauricio und Tiago im Augenwinkel.

,,Sie ist verwildert." Meinte Mauricio, der von Ramiro und mir gleichzeitig scharfsinnig angesehen wird. ,,Sie hat euch echt an den Eiern." Lachte er auf.

,,Verwildert? Bei dem, was sie erlebt hat und um das Überleben kämpfen musste, nennt ihr verwildert? Schaut sie euch an, was ist an der hübschen Dame verwildert? Sie hat Widerworte und bringt euch auf die Palme, was zuvor niemand tat. Sie kann sicherlich mit einem Messer besser umgehen, als manch anderer in der Mafia, nicht wahr Tiago?" Ramiro sah zu seinem Oberschenkel herab und schmunzelte.

,,Vor dir kann man nichts verbergen." Maulte Tiago, der seinem Glas bis auf den letzten Tropfen austrank. ,,Was denkst du von mir, Tiago? Dass ich vor allem dann nicht mitbekomme, wenn eine Frau dir den Oberschenkel demoliert?" Mauricio lachte ebenfalls, was Ramiro ihn gleich tat.

,,Halts maul, Ramiro." Verdreht Tiago die Augen und sah mich warnend an. ,,Also Schönheit von der Insel, was sagst du zu den beiden Angeboten? Du schläfst in einem großen Bett, was du so gar nicht kennst und dazu bekommst du die Freiheit, ebenso finden wir deine Verwandte auf, im Gegenzug du ein wenig uns Gesellschaft auf der Insel leistest?"

Ramiros Augen und meine trafen aufeinander, indessen wir uns lange ansahen. ,,Unter anderem ich nicht weiterhin sexuell belästigt werde." Ich sah zu Tiago, der vor Wut platzen könnte.

,,Mauricio und Tiago nehmen sich alles, solange es bei drei nicht auf den Bäumen ist. Allerdings ist dies eine Kleinigkeit, die ich annehmen werde und du meinen Schutz bekommst." Ich war zufrieden, weswegen ich mit Ramiro einen geschäftlichen Handschlag den Deal versiegeln ließ.

,,Morgen früh werden wir aufbrechen. Du wirst Kleidung erhalten, die dir passen." Wir unterhielten uns normal und auch wenn Ramiro nett erscheint, wirkt er einschüchternd, was das Verhalten von den Bediensten mir bestätigen ließ.

,,Wie viel Kokablätter wurde bislang von der Insel entnommen?" Mauricio kratzte sich verlegen an den Hinterkopf. ,,Nicht allzu viel, weswegen Zèlia uns bei der Suche nach Kokablättern helfen soll." Ramiro wollte alles andere hören, außer das.

,,Wir brauchen den Stoff, um das Geschäft am Laufen zu halten! Sieht zu, dass wir schnellstmöglich an die Kokablätter kommen." Wurde dieser zornig und schlug mit Gewalt auf dem Tisch, was mich zusammenzucken ließ

,,Ramiro, wir geben unser Bestes. Du wirst es selbst sehen, inwiefern die Insel geplagt von Affen ist und wie dicht all dies ist." Beschwert sich Mauricio, der ebenfalls wütend aussah.

Tiago lehnte sich entspannt in seinen Stuhl zurück und verfolgte das hitzige Gespräch zwischen den beiden, was ich ihn gleich tat. ,,Von mir aus, reißen wir jeden verdammten Affen die Kehle raus, damit die Männer dort arbeiten können." Ich wünschte den Affen einiges, vor allem, was sie mir häufig antaten, jedoch nicht den Tod. Sie unterhielten mich in der Einsamkeit, wofür ich dankbar war.

Das geschäftliche Thema wurde anschließend beiseitegelegt, worum es ausschließlich um das Privatleben ging. Es war interessant zu hören, inwiefern sie ein anderes Leben besaßen, ohne Gewalt. Sie trennten stets das Privatleben mit ihrer Arbeit. Sowie es Tigao und Ricardo mir Befahlen, hielt ich weiterhin den Mund, damit sich der Zorn von Tiago in Grenzen hielt.

,,Wie geht es Valentina auf der neuen Schule?" Fragte Ramiro und sah Tiago an. ,,Solange sie sich wohlfühlt und ihr nichts zu stößt, ist mir der Rest egal. Es ist schwieriger, eine 14-jährige Schwester alleine aufzuziehen, indessen ihr Bruder alles dafür tut, damit es ihr gut geht." Tiago wurde weicher, als es um seine Schwester ging. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er in der Lage dazu wäre, jemanden alleine aufzuziehen. ,,Wenn ihr mehr Geld benötigt, dann sag es mir. Du weißt, dass wir deine Familie sind und das Geld für uns keine Rolle spielt."

,,Und wie geht es meiner Cousine?" Sah er Mauricio an, der alles andere über die Frage erfreut schien.

,,Sowie immer. Jede Nacht gehe ich in ihrem Schlafzimmer, zerre irgendeinen Typ von ihr runter und bedrohe ihn mit einer Waffe. Sie montiert sich zu einem Flittchen und das in unserer Familie, Ramiro." Ramiro zeigte sich ebenfalls nicht erfreut.

,,Sie kann sonst etwas machen, solange es den Ruf unserer Familie nicht beschädigt. Ich will, dass sie langsam in das Geschäft einbezogen wird und sich nicht jede Nacht ihre Löcher mit Schwänzen vollstopfen lässt." Schlagartig verschluckte ich mich an das Wasser, was ich zu mir nahm.

,,Vielleicht muss sie mal auf einer einsamen Insel ausgesetzt werden, worin sie Struktur und Disziplin erlernt." Ramiro sah mich an und erkannte, wie unangenehm das Thema für mich erschien.

,,Noch nie ein Schwanz gesehen, beleza (Schönheit)?" Meine Augen weiten sich und rückte offensichtlich mit dem Stuhl von ihm. ,,Ich meine, ihr müsst euch in ihre Lage hinein empfinden. Sie ist die Cousine oder die Schwester von zwei Mafiosi, die oftmals ein Auge auf sie haben. Ihre provokative und rebellische Art könnte euch dazu bewegen, solange ihr von ihr ablässt und sie sich weiter entfalten kann." Ramiro und Mauricio zogen ihre Brauen zusammen. ,,Sie ist 18 Jahre alt und mittlerweile muss sie sich aufgefaltet haben."

Ich verdrehte die Augen. ,,Das kannst auch du hervorragend beurteilen, da du unter der Beobachtung einer Mafia stehst." Mauricio sah mich finster an. ,,Misch dich nicht in Angelegenheiten ein, wenn du nicht zur Familie gehörst!" Wurde er lauter und ballte seine Hand zur Faust.

,,Ihr habt mich von der Insel verschleppt,-." Ramiro zog mein Kopf in den Nacken, sodass mein Gesicht zur Decke gerichtet war. ,,Du zeigst keine Angst, was mir äußerst gefällt, allerdings solltest du Respekt erweisen, sonst landest du auf der nächsten dreckigen Insel, beleza."

Schlussendlich verstummte ich komplett, auch wenn es mir sichtlich schwerfiel, da ich in den sechs Jahren zuvor niemand hatte, mit dem ich reden konnte. Wieder den Mund zu halten, war kaum auszuhalten, weshalb ich mit meiner Fingerspitze leicht in den Oberschenkel kniff.

Sie unterhielten sich weiterhin und war dementsprechend nur als Deko vorhanden, was mir nicht gefiel. Vor einer Woche hatte ich kaum Bekleidung, wenig zu essen und zu trinken, soeben sitze ich in eins der hochwertigen Kleider, in denen ich lauter essen und trinken vor mir sah.

Trotz der Tatsache, dass mein Magen sich daran gewöhnen muss, richtiges Essen zu verdauen, blieb es in Maßen. Ebenso konnte ich nicht viel aufnehmen, da ich mich sonst hätte übergeben müssen.

Zélia CarsodoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt