Wo waren wir stehen geblieben?

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„Einige Kritiker werfen Ihnen vor, dass Ihre Ideale und Versprechungen lediglich leere Phrasen sind. Wie können Sie diese Bedenken entkräften und Ihre Glaubwürdigkeit als politischer Akteur untermauern?"
Ich seufzte leise. Diese Art von Fragen könnten mich schneller zum Fall bringen, als das diese Blutsauger diese Dinge mir unterstellen. Das Wichtigste ist jetzt schnell zu überlegen, wie ich antworten sollte.
„Leere Phrasen? Nun, das ist eine interessante Einschätzung. Ich finde es bemerkenswert, wie schnell einige Menschen bereit sind, den Pessimismus zu umarmen und in allem nur das Negative zu sehen. Aber seien wir ehrlich, meine Damen und Herren, in der Politik gibt es immer eine gewisse Portion an Rhetorik und diplomatischen Ausschmückungen. Man nennt es wohl auch die Kunst des politischen Geschicks."
Ich setzte eine gezielte Pause. Die Journalisten von den großen Zeitungen schrieben fleißig mit. Im Gegensatz dazu waren die großen Kameras des mittlerweile größten und einzigen Fernsehsender, auf mich gerichtet waren. Ich leckte mir noch einmal über die Unterlippe, die sich anfühlte wie eine Wüste. Mit einem kurzen Räuspern setzte ich wieder an weiterzumachen.
"Was meine Glaubwürdigkeit betrifft, so lasse ich lieber Taten sprechen. Denn am Ende des Tages sind es nicht die Worte, die das Leben der Menschen verändern, sondern die konkreten Handlungen und Entscheidungen, die wir treffen. Verurteilen Sie mich also bitte nicht vorschnell aufgrund von Vermutungen und Vorurteilen."
Das Licht der Scheinwerfer blendete mich leicht und ich musste blinzeln. Von der Hitze was diese riesigen Dinger ausstrahlten wollte ich gar nicht reden. Das Glas auf dem Podest stand genau eine Handbreit weg vom Mikrofon. Solche kleinen Dinge halfen mir die Ruhe zu bewahren in solchen schrecklichen Zeiten wie einer Pressekonferenz. Wie Aasgeier saßen sie da und warteten auf einen Fehltritt. Ein junger Journalist, vielleicht Anfang zwanzig erhob sich um eine neue Frage zu stellen.
„Herr Crowe, es gibt jedoch einige Stimmen, die behaupten, dass Sie Ihre neue Position nur durch den tragischen Tod von ihrem Freund Nikolai Reichenbach erlangt haben. Was können Sie dazu sagen?
Im ersten Moment war ich mir nicht sicher, ob ich mich vielleicht verhört hatte. Die Blutsauger werden immer dreister. Ich sollte mit Arnold darüber sprechen. Das hat aber Zeit für später, jetzt muss ich erstmal das Problem hier lösen.
Der Druck der Anschuldigung stand im Raum und alle Augen waren auf mich gerichtet. Ein letzter tiefer Atemzug dann begann ich mit ruhiger Stimme zu sprechen:
"Ich verstehe, dass es Spekulationen und Gerüchte gibt, die behaupten, dass meine neue Position mit dem tragischen Tod von Nikolai Reichenbach zusammenhängt. Doch ich möchte klarstellen, dass solche Behauptungen vollkommen unbegründet und spekulativ sind."
Erneut ein tiefer Atemzug, es verschaffte mir Zeit meine Worte richtig zu wählen.
"Der Tod von Nikolai Reichenbach war ein schmerzlicher Verlust, und ich trauere um seinen Tod wie jeder andere auch. Aber es wäre falsch und unfair, den Versuch zu unternehmen, eine Verbindung zwischen seinem Tod und meiner aktuellen Position herzustellen. Das sind zwei völlig separate Ereignisse, die nicht miteinander verknüpft sind."
Ich machte eine kurze Pause, um meine Worte zu unterstreichen und gleichzeitig einen Schluck zu trinken. Meine Kehle fühlt sich an, als ob sie von Sandpapier umhüllt war. Das Glas setzte ich wieder genau da ab, wo es vorher auch war, bevor ich weiter fortfuhr:
"Meine jetzige Position habe ich aufgrund meiner eigenen Fähigkeiten, meines Engagements und meiner Vision erreicht. Ich habe hart gearbeitet, um hier zu sein, und ich werde weiterhin meine Verantwortung als Vertreter der Menschen erfüllen."
Die letzten Worte klangen wahrscheinlich ein wenig hart. Das konnte ich in ihren Gesichtern ablesen. Auch merkte ich selber, dass sich mein Puls beschleunigt hatte und eine unbändige Wut in mir aufgekommen ist. Das passierte öfters, wenn Leute mir Dinge unterstellten, dass ich es nur durch vitamin B dahin gekommen bin, wo ich jetzt bin.
Eine unangenehme Stille breitet sich aus. Verunsicherte Blicke der Reporter, wer jetzt weiter machen sollte. Es war klar, dass ich die Situation irgendwie zu retten hatte.
„Entschuldigen Sie, ich habe mich wohl ein wenig mitreißen lassen."
Ein Schmunzeln auf meinen Lippen, als wäre es nur ein kleiner Ausrutscher. Jetzt muss ich definitiv mit Arnold über heute sprechen.
„Wo waren wir stehen geblieben?"

Es war ein befreiendes Gefühl nach mehr als drei Stunden endlich den Raum zu verlassen. Die weiteren Fragen konnte ich Gottseidank mit etwas politischen Bla Bla abspeisen. Ein wenig flunkern dort, ein wenig untertreiben hier, schon sollten meine Umfragen steigen. Ich konnte es kaum erwarten aus dem Gebäude rauszukommen. Das gesamte Gebäude wirkte falsch. Man hatte mitten in den größten Park der Stadt diesen Klotz aus Marmor gestellt in Anlehnung an Tempel im antiken Rom oder Griechenland. Das wohl lustigste war, dass in dem „Zentrum der Macht" außer selten mal Abstimmung, in welchen die Öffentlichkeit dabei ist, nicht genutzt wird. Öffentlichkeitsarbeit und ein Prestigebau für Steuergelder wo einem schlecht werden könnte. Aber alles vor meiner Zeit. Gott, vor meiner Geburt. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mir kein Paparazzi gefolgt war. Trat ich vorsichtig durch die schwere metallene Tür, die mit der warnenden Aufschrift "Nur für Mitarbeiter! Lebensgefahr!" versehen war. Der Raum dahinter war in gedämpftes Licht getaucht, und ein komplexes Sicherheitssystem umgab den Eingang zum Machtpfad. Ich folgte den Anweisungen, gab meinen speziellen Zugangscode ein und legte meinen Finger auf den Scanner. Ein leises Klicken signalisierte, dass das System meine Identität erkannt hatte, und die nächste Tür glitt geräuschlos auf.
Als ich den sogenannten Machtpfad betrat, wurde ich von einem Labyrinth aus Gängen, Treppen und Türen empfangen. Das gedämpfte Licht und das leise Summen der Belüftung verliehen dem Ort eine geheimnisvolle Atmosphäre. Während ich meinen Weg durch das Sicherheitssystem bahnte, schweiften
"Der Machtpfad", dachte ich bei mir. "Ein unterirdisches Netzwerk, das die wichtigsten politischen Gebäude miteinander verbindet. Ein Ort, der nur wenigen bekannt ist, ein Geheimnis, das die politische Macht im Verborgenen lenkt. Und diese wenigen sind auf keinen besseren Namen als Machtpfad gekommen. Da sieht man halt wieder, dass viele Politiker nicht gerade kreativ sind.

Ich ließ meinen Blick über die korridorförmigen Gänge schweifen, die mit zahlreichen Hinweisschildern und Wegweisern versehen waren. "Hier unten sind die wahren Machtspielchen im Gange", murmelte ich vor mich hin. "Abseits der grellen Bühne der politischen Inszenierungen, wo die Entscheidungen wirklich getroffen werden."

Während ich weiter durch die verwinkelten Wege des Machtpfads navigierte, kamen wieder Gedanken und Erinnerungen an die alte Zeit hoch. Als ich das erste Mal hier war, war ich stundenlang hier unten, weil ich mich verlaufen hatte. Damals war noch nicht alles so ausgeschildert, dass ein Schimpanse sich hier unten zurecht findet. Eine Wache hatte mich gefunden mich dann zum richtigen Gebäude gebracht. Aber das Problem war, dass ich trotzdem mehrere Stunden zu spät kam. Bis heute ist mir diese Geschichte peinlich.
Die dunklen Wände und das gedämpfte Echo meiner Schritte erinnerten mich daran, dass die politische Welt nicht immer so glamourös und strahlend war, wie sie oft dargestellt wurde. Hier unten, in diesem unterirdischen Labyrinth, offenbarten sich die wahren Absichten und Intrigen der Politik.
Mit jedem Schritt, den ich im Machtpfad vorwärtsgehe, fühle ich die Last der Verantwortung auf meinen Schultern und spüre den unbezwingbaren Drang, den Lauf der politischen Geschichte mit meinen eigenen Händen zu formen.

Wenn die Fassade bröckelt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt