Nach meinem Telefonat mit Jordy schnappe ich mir meinen Seesack und packe ihn langsam aus. Meine Klamotten werfe ich ohne zu schauen in den Kleiderschrank, aber als ich zu einigen persönlichen Dingen komme, merke ich wie wieder die Tränen in meine Augen treten.
Das Bild von meiner Clique und mir stelle ich auf das Fensterbrett und erinnere mich mit einem Lächeln an den Tag an dem es aufgenommen wurde. Wir haben damals die Schule, wie so oft, geschwänzt und sind mit Jordys Auto zu einer stillgelegten Fabrik gefahren. Dort haben wir Musik gehört, getanzt und gelacht und irgendwann ist Trev auf die Idee gekommen auf den stillgelegten Schornstein zu klettern, da man von dort oben die beste Aussicht auf die Stadt hatte. Und auch wenn ich sonst die große Klappe habe, so war mir in dem Moment wirklich mulmig zumute. Aber ich bin dennoch dort hoch geklettert und es hat sich gelohnt. Die Aussicht war bombastisch und als dann irgendwann die Sonne unterging, schnappte ich mir das Handy und machte dieses Selfie.
Wieder im Hier und Jetzt angekommen, räume ich meine anderen Dinge aus meinem Seesack und aus dem Koffer. Im Laufe der nächsten Tage werde ich mich darum kümmern, dass das Zimmer eine persönliche Note bekommt, aber jetzt werde ich erst einmal meine Mitbewohnerinnen kennenlernen. Also verlasse ich mein Zimmer und stehe wieder in dem kleinen Flur. Gegenüber von meinem Zimmer befindet sich eine weitere Tür und ich frage mich, wohin diese führt? Hatte Stephanie nicht gesagt, dass wir nur fünf Mädchen wären in dieser Wohngemeinschaft?
Im Wohnzimmer angekommen, sehe ich das Stephanie auf einem der Sofas sitzt und ihr Handy in der Hand hat. »Hey. Mal 'ne Frage. Wem gehört das Zimmer gegenüber von meinem?«
Stephanie sieht von ihrem Handy auf und strahlt mir entgegen. »Na du. Ich hätte gedacht, du verkriechst dich für den restlichen Tag in deinem Zimmer. Und um deine Frage zu beantworten: Das ist das Zimmer von Miss Walker. Aber merk dir eins: Betreten verboten!« Mahnend erhebt Stephanie ihren Zeigefinger und sieht mich finster an, doch kurz darauf tanzen ihre Sommersprossen wieder über Gesicht als sich ein strahlendes Lächeln auf ihren Mund schiebt.
Kopfschüttelnd gehe ich auf eines der Sofas zu und lasse mich mit einem tiefen Schnauben in die Kissen fallen. Ich spüre Stephanies neugierigen Blick auf mir und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Na komm. Starte deinen Fragerunde.«
Wieder lacht sie, schnappt sich ein kleines Kissen und hält es sich vor ihren Bauch. »Wir kennen uns noch nicht mal eine Stunde und du kannst schon in meinem Gesicht lesen. Wie soll das nur das restliche Jahr ablaufen?« schmunzelt sie und strahlt mich an. Auch ich kann mir ein leises Lachen nicht verkneifen und mache mit der Hand eine Geste, mit der ich andeuten will, dass Stephanie mir ihre Fragen stellen kann.
Doch zu meiner Überraschung schüttelt sie mit dem Kopf und fragend schaue ich sie an.
»Wir machen das heute Abend. Ich werde für uns alle kochen, dann können auch die anderen Mädels ihre Fragen los werden und du musst nicht alles doppelt und dreifach erzählen.« Ich halte das für eine gute Idee und bin schon gespannt, welches Essen sie kochen wird. Denn ich kenne nicht viele Achtzehnjährige, die kochen können und relativ selbstständig sind. Und da es bis zum Abendessen noch ein bisschen Zeit ist, ziehe ich mich dann doch noch etwas in mein Zimmer zurück. Denn auch wenn bisher alle sehr nett zu mir sind und ich scheinbar einer guten Gruppe zugeteilt wurde, wird mir das Ganz gerade ein wenig zu viel. Ich verabschiede mich von Stephanie und schlurfe den kleinen Flur entlang in mein Zimmer.
Dort angekommen, lasse ich mich auf mein Bett fallen, krame nach meinen Kopfhörern und schalte meine Lieblingsplaylist bei Spotify an. Als die ersten Töne von Marianne Faithfull erklingen, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten. Denn obwohl ich mich nicht so schnell von irgendetwas unterkriegen lasse, überfordert mich die jetzige Situation extrem. Ich vermisse meine Freunde, mein altes Lebens so sehr, dass es mir körperliche Schmerzen bereitet.
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Green Manor School
RomanceVon ihren Eltern aufs Internat abgeschoben, beginnt für Jamie das letzte Schuljahr. Auf der Green Manor School füttern sie einen nicht nur mit Wissen, sondern wollen die Schüler auch auf ein selbstständiges Leben vorbereiten. Anders als gewöhnlich i...