Kapitel 6

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In den letzten Tagen habe ich die meiste Zeit mit Oliver verbracht und irgendwie haben wir es uns zur Aufgabe gemacht die Abwesenheit der Direktorin auszunutzen und haben versucht jeden Winkel des Internats zu erkunden. Wir fanden zum Beispiel den Raum, in dem die alten Requisiten der vergangenen Theaterstücke aufbewahrt werden. Es gibt sogar ein altes Löwenkostüm, welches Oliver sich übergezogen hat. Das sah so witzig aus, dass ich mir auch irgendein Kostüm angezogen habe und wir haben all das mit unseren Handys festgehalten. Einen anderen Tag hat Oliver mir das Freizeitzimmer gezeigt. Dort gibt es unter anderem ein Billardtisch, aber die Queues werden vom Drachen eisern bewacht und man muss sich das Privileg verdienen um sie benutzen zu können. Das finde ich wirklich total dumm. Man kann schließlich nicht vierundzwanzig Stunden am Tag lernen. Man braucht doch auch mal Freizeit.

Emilia nimmt ihre Aufgabe jeden Abend sehr ernst und geht immer pünktlich ihre Runde. Dadurch das ihre Route aber dann bekannt ist, kommt es immer wieder vor, dass sich Schüler immer zu anderen schleichen. So auch Oliver. Er kommt jeden Abend nach Emilias Runde zu mir in die WG und wir schauen uns entweder einen Film an oder quatschen die ganze Zeit. So auch heute. Just in dem Moment, in dem Emilia um die Ecke gegangen ist, kam Oliver aus der anderen Richtung angerannt, in der Hand wie immer ein paar Tüten Chips.

»Wow! Du rennst ja fast lautlos. Ich bin beeindruckt.« grinse ich, schiebe ihn in die WG und schließe die Tür. »Nun ja, in den letzten Tagen hatte ich ja genug Übung.« Lachend wirft Oliver sich aufs Sofa, legt die Füße auf den Couchtisch und startet Amazon Prime. »Also Jams, was schauen wir heute?« Er zappt bereits durch sämtliche Genres, während ich noch fix in die Küche laufe und uns was zu trinken hole. »Du weißt, ich mag den Spitznamen nicht. Kann ich mir keinen anderen aussuchen?« Seit er gemerkt hat, dass ich mich über diesen Namen aufrege, nennt er mich mit größter Vorliebe so. Aber so sehr ich den Spitznamen auch hasse, irgendwie habe ich mich daran gewöhnt. »Einen Spitznamen sucht man sich nicht aus. Den bekommt man verliehen. Und da ich dir diesen Namen verliehen habe, gehört er dir für alle Ewigkeit.« Ein freches Grinsen legt sich auf seine Lippen, fehlt nur noch dass er diabolisch lacht.

»Na gut, du Quälgeist. Du nennst mich wie du willst, dafür darf ich aber den Film aussuchen.« Damit schnappe ich mir die Fernbedienung und gebe in der Suchleiste den Filmtitel ein. Als Oliver erkennt, welchen Film ich schauen möchte, rollt er mit den Augen und atmet genervt aus. »Im Ernst? Pitch Perfect? Was ist an dem Film so besonders?« Ich drehe meinen Kopf zu Oliver und frage spöttisch: »Sag bloß, du hast ihn noch nie gesehen?« Nachdem er den Kopf geschüttelt hat, freue ich mich noch mehr darauf den Film zu schauen. Denn ich weiß, dass Oliver ihn toll finden wird. Bei mir war es genau so. Am Anfang habe ich nicht verstanden, was die ganzen Leute an dem Film so toll fanden. Aber mittlerweile habe ich den Film gefühlte hundert Mal geschaut. Und am Anfang hatte ich sogar einen kleinen Crush auf Chloe.

»Na dann starte den Film. Ich bin gespannt.« Oliver gibt mir mit einer wedelnden Handbewegung zu verstehen, dass ich den Film anmachen soll. Gesagt, getan. Ich drücke auf Play, lege die Fernbedienung zur Seite und schnappe mir eine der Chipstüten.

Der Film läuft nun schon eine Weile und immer wenn ich meinen Kopf leicht zu Oliver gedreht habe, hab ich jedes Mal ein Grinsen auf seinem Mund erkennen können. Und als die Mädels nach ihrer Versöhnung in dem alten Pool Bruno Mars' Just the way you are singen, kann ich sehen, dass er auf den Armen eine Gänsehaut bekommen hat. Ich wusste es. Er steht auf den Film. Der Film endet und ich schalte den Fernseher aus. »Und? Wie fällt dein Fazit aus?« frage ich neugierig und bin unfassbar gespannt, was Oliver sagen wird. Mit gerunzelter Stirn schaut er mich an, legt Daumen und Zeigefinger unter sein Kinn und brummt vor sich hin. Und da ich nicht die größte Geduld besitze, boxe ich ihm gegen die Schulter. »Autsch! Warum?« belustigt zieht er eine Augenbraue hoch und reibt sich die Stelle, an der ich ihn getroffen habe. »Sei froh, dass ich dir nicht auf den Hinterkopf geschlagen habe. Denn bekanntlich erhöht dass das Denkvermögen. Also was jetzt? Bekommen Teil zwei und drei eine Chance bei dir?« Oliver fängt an zu lachen, nickt und meint: »Der Film ist super. Und ja, die Fortsetzungen bekommen eine Chance beim nächsten Filmabend.« Ich recke eine Siegesfaust in die Luft und grinse wie ein Honigkuchenpferd. »Ich wusste es einfach.« lache ich und lehne mich wieder in die Sofakissen zurück.

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