Kapitel 20 das Gespräch

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Ribanna hatte sich irgendwann zurückgelehnt und lag nun am hinteren Ende des Tipis direkt am Lagerfeuer. Winnetou saß immer noch schweigend da. Er schien wie mit dem Feuer verschmolzen zu sein, so tief schaute er in die glimmende Glut hinein.
"Bist du nicht müde?" frage Ribanna nach einiger Zeit.
"Winnetou muss Wache halten." sagte er kühl ohne sich vom brennenden Holz abzuwenden.
Ribanna setzte sich auf und legte ihre Arme vorsichtig von hinten über seine Schultern. Er legte seinen Kopf in den Nacken, nur kurz, direkt schien er wieder fokussiert.
"Wir sind auf einen Ausflug gegangen, damit Ribanna sich entspannen und die Freiheit spüren kann. Doch was ist mit Winnetou? Er tut so viel für mich. Nun soll auch er zur Ruhe kommen." sprach sie mit sanften Worten und zog ihn langsam an seinen Schultern nach hinten. Sie wusste, dass der Häuptling in ihm sich dagegen sträubte, doch er ließ es geschehen und lag kurz darauf neben Ribanna, die sich ebenfalls wieder auf ihrer Decke niederließ.

Das kleine Feuer nahm immer mehr ab, bald waren nur noch Umrisse und das Leuchten der Augen zu erkennen.
So lagen sie nun nebeneinander, unsicher sich zu bewegen und doch so vertraut.
Im Nachhinein hätte vermutlich keiner von ihnen sagen können, wie lange sie so da gelegen hatten. Irgendwann nahm Ribanna die Decke, die nach wie vor neben ihr lag, und breitete sie vorsichtig über ihr und Winnetou aus. Sie war sich nicht sicher, ob er bereits schlief. Zwar war seine Atmung ruhig und gleichmäßig, doch glaubte sie nicht daran, dass er sich einfach hinlegen und einschlafen konnte. Und sie behielt recht, denn er nahm die Decke an, zog sie über sich hinüber und dann um Ribanna. Sein rechter Arm legte sich über sie, als er die Decke an ihrem Rücken sanft abstreifte. Seinen Arm ließ er dort verweilen und so lagen sie beide seitlich zueinander gewandt da.
"Der Ausflug war eine gute Idee!" Flüsterte Ribanna nach einiger Zeit.
"War es das?" fragte er ernst. Sie merkte, dass ihn etwas bedrückte, doch sie wollte ihn nicht so direkt fragen. Stattdessen nickte sie. "Es war ein sehr schönes Geh-she-ngk."
Winnetou musste lachen, als er an Old Shatterhands Erklärung für den Ausflug dachte. Doch es schien gewirkt zu haben.

"Und wann ist Winnetou das letzte Mal zur Ruhe gekommen?"
Er schwieg. Nicht, seitdem Ribanna bei ihm war, doch das konnte er ihr nicht sagen. Er wollte nicht, dass sie sich als Last für die Mescaleros sah, denn er war wirklich froh um ihre Anwesenheit.
"Ein Häuptling hat keine Zeit dazu." sagte er nur.
"Dann nimmt er sich jetzt die Zeit."
Die beiden lagen sich so nahe, dass sie ihren gegenseitigen Atem in ihren Gesichtern spüren konnten. Winnetous Arm verweilte auf ihrem Rücken, kaum merklich war sie noch etwas näher an ihn herangerutscht. Fast konnten sich nun ihre Nasenspitzen berühren. Ribanna, die seitdem hauptsächlich ihren Blick nach unten gewandt hatte, sah ihm nun direkt in die Augen, die sie ebenfalls anschauten. Geradeso reichte das schwache Mondlicht, das durch die kleine Luftöffnung am oberen Teil des Tipis scheinte, damit sie seine funkelnden Pupillen erkennen konnte.
"Was bedrückt Winnetou?" fragte sie nach einiger Zeit.
"Sein Herz ist leicht, solange Ribanna in seiner Nähe ist, doch sobald sie fort ist, wird es schwer und dunkel, so wie die Zeit zwischen den letzten Wintern." Nicht einmal hatte sich sein Blick verändert, es war, als seien seine Augen fest auf den ihren verankert.
"Wer sagt, dass Ribanna fortgeht?" fragte sie nun mit ruhiger aber eindringlicher Stimme.
"Ribanna vermisst ihre Familie, ihren Stamm." Er schien noch nicht fertig gesprochen zu haben, doch nutzte sie seine Sprechpause. "Ribannas Herz ist glücklich, wenn sie bei Winnetou ist. Ihre Familie kann sie besuchen."
"Doch Ribanna ist auf der Flucht."
Nun fiel auch ihr nichts mehr ein. Er hatte Recht. Sie war geflohen vor ihrem weißen Mann. Sie, eine Rote. Doch sie konnte dem Schauspiel nicht länger standhalten.
"Ich werde zu Tah-scha-tunga gehen. Mit ihm reden, ihm alles erklären. Er ist mein Vater, er wird es verstehen. Verstehen müssen."
"Howgh."

Winnetou und Ribanna I. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt