Kapitel 41 im Pueblo

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Erst als es bereits fast komplett dunkel war, schlug die Truppe ihr nächtliches Lager auf.
Sam war am Nachmittag mit fünf Kriegern losgeritten, um mit Tah-scha-tunga und einigen weiteren Assiniboins zum Lager der Mescaleros aufzubrechen.
Ribanna riss sich die Leutnantsuniform von Körper, warf die Stiefel daneben und schlüpfte in ihre Mokassins hinein. "Wie können diese Bleichgesichter nur solche Klamotten tragen?" fragte sie und machte ein abwertendes Gesicht in die Richtung des Stapels, auf den nun auch Old Shatterhand und Winnetou ihre Verkleidungen warfen. "Tragen die Männer so etwas auch dort, von woher Old Shatterhand stammt?"
Er musste lachen. "Manche. Es gibt Jobs, in denen man Uniformen trägt, jedoch sind sicherlich nicht alle so unbequem wie diese hier."

Die Nacht verlief unauffällig. Bereits am nächsten Nachmittag erreichten sie nach einem langen Ritt das Pueblo. Alle Apachen empfingen sie freudig, nicht nur ihren Häuptling, auch seinen weißen Bruder und allen voran Ribanna. Sie hatten es geschafft!
Wie bereits in der Zeit, nachdem Winnetou sie im Wald gefunden und mit ins Dorf gebracht hatte, kam sie mit in sein Tipi.
Wantuka, der Medizinmann, hatte natürlich direkt die Wunde an Winnetous Schulter entdeckt und diese versorgt. Er hatte sie glücklicherweise die gesamte Flucht über kaum bemerkt, erst jetzt, als er langsam aber sicher etwas zur Ruhe kam, meldete sich der dumpfe Schmerz wieder.
Ribanna hatte sich bereits zeitig zurück gezogen, Winnetou kümmerte sich um die Wachposten, die wie damals nun vermehrt und noch aufmerksamer als sonst schon patrouillieren sollten. Nach dem Abendessen ging auch er in sein Tipi. Er hatte noch etwas gekochtes Bisonfleisch und Wurzelsalat mitgenommen, für den Fall, dass sie Hunger hatte. Schließlich wusste er nicht, wann sie das letzte mal etwas zu Essen bekommen hatte.
Im Zelt war es ruhig, daher legte er das Essen neben den Holzstapel in der Mitte und legte sich ebenso wie Ribanna auf seinen Schlafplatz. Es war bereits dunkel geworden, doch Winnetou lag immer noch hellwach da. Eigentlich hätte er todmüde sein müssen, nach allem was in den letzten Tagen passiert war. Doch in ihm wollte kein Schlaf Einzug halten.
An den Atemgeräuschen Ribannas erkannte er, dass es ihr nicht anders zu gehen schien. Zu oft hatte er das sanfte, gleichmäßige Ein- und Ausatmen nur wenige Schritte neben ihm in den letzten Monaten gehört und in den vergangenen Tagen so sehr vermisst, als dass ihm jetzt nicht aufgefallen wäre, dass ihr Atem nun deutlich schneller und tiefer war.
"Winnetou wusste nicht, dass Ribanna auch im Fort gefangen gehalten wurde." flüsterte er irgendwann in die Dunkelheit hinein.
"Auch Ribanna wusste es nicht." antwortete sie so leise, dass sie fast nicht zu hören war. "Aber sie ist froh, dass Old Shatterhand sie und Winnetou gefunden hat."
Er setzte sich nun auf, jedoch etwas zu ruckartig, sodass ihm ein stechender Schmerz durch seine Schulter fuhr. Er stieß einen kaum merklichen Laut aus, doch Ribanna hatte ihn gehört.
"Was ist?" fragte sie besorgt und setzte sich nun ebenfalls auf. Vorsichtig krabbelte sie zu ihm hinüber und setzte sich auf das Feldbett neben ihm. "Deine Verletzung, oder?"
Vorsichtig tastete sie dem rechten Arm nach, dessen Hand auf seiner linken Schulter lag.
"Nicht so schlimm," tat er schnell ab "es ist nicht der erste Pfeil in Winnetous Körper gewesen."
"Aber der erste Pfeil aus Ribannas Stamm..." Sie klang so, als fühlte sie sich schuldig. Als wäre alles, was die letzten Tage geschehen war, ihre alleinige Schuld.

Ohne etwas zu sagen stand sie auf, ging auf den Holzstapel in der Mitte des Tipis zu und fühlte nach den Feuersteinen. Winnetou beobachtete sie, er erkannte gerade so ihre Umrisse in dieser Nacht, die fast vollständig von Wolken abgedunkelt wurde. Doch Ribannas Handgriffe wirkten so sicher, als hätte sie nie etwas anderes getan. Nach wenigen Augenblicken flackerten die ersten kleinen Flammen im Tipi des Häuptlings, welche die Umgebung nun erhellten.
Sie lächelte Winnetou zu, wollte gerade wieder zu ihm gehen, als sie auf den Boden zeigte. "Wieso steht hier Essen?"
"Winnetou möchte nicht, dass Ribanna Hunger hat. Ihr soll es bei ihm gut gehen." antwortete er ebenfalls mit leicht gehobenen Mundwinkeln.

Winnetou und Ribanna I. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt