Kapitel 43 Robert im Pueblo

27 3 0
                                    

Der Plan stand, das Dorf wusste Bescheid. Alle waren vorbereitet.
Am Morgen des übernächsten Tages meldeten die Späher, die Winnetou seit seiner Rückkehr ausgesandt hatte, dass sich einige Bleichgesichter nähern und etwa zur Mittagszeit ankommen würden. Sofort wurden alle Krieger der Apachen und der Assiniboins informiert, sich auf ihre Posten zu begeben. Die Frauen und Kinder sollten in den Tipis bleiben, schließlich wusste niemand, was genau beim Eintreffen von Robert passieren würde.
Es dauerte nicht mehr lange, als mehrere dunkle Punkte am Horizont erschienen. "Das dürften sie sein, wenn ich mich nicht irre!" erkannte Sam.
Auf dieses Stichwort hin schickte Winnetou Ribanna zu einigen Squaws ins Zelt des Medizinmannes, in dem sich auch dessen Frau Hakana befand. Widerwillig folgte sie seiner Aufforderung, schließlich ging es um sie, doch andererseits war sie froh darum, nicht direkt mit Robert aufeinander treffen zu müssen.

Die Ankunft der zwanzig Weißen war unspektakulär. Robert, gefolgt von den zwei Leutnanten, die Old Shatterhand im Fort überwältigt hatte und noch einigen weiteren Männern, stoppten ihre Pferde vor dem Häuptling, der ausdruckslos vor dem großen Holzstapel in der Mitte des Pueblos stand.
Robert stieg von seinem Pferd und sein Gefolge tat es ihm gleich. "Winnetou!" säuselte er. "Mein Freund, wie geht es dir?"
Der Apache reagierte nach wie vor nicht.
"Okay, Winnetou will nicht reden. Winnetou, der große Häuptling. Winnetou, der Held aller Indianer."
Robert trat nun näher an ihn heran.
"Also, wo ist Ribanna?" fragte er in einem so ernsten aber kaum hörbaren Ton, dass vermutlich niemand anderes diese Frage verstanden hatte.
Doch wieder ignorierte Winnetou ihn, was ihn offenbar wütend machte.
"HE! rief er. "Winnetou!"
"Robert möge mit dem Häuptling der Apachen in dessen Tipi gehen." antwortete er monoton.
Nach kurzem Zögern folgte Robert ihm.

Im Zelt setzte sich Winnetou um das kleine Lagerfeuer, das er zuvor in der Mitte angezündet hatte und deutete mit einer Handbewegung an, dass auch Robert sich setzten sollte. Ihnen folgten Old Shatterhand und Tah-scha-tunga, die sich ebenfalls am Feuer niederließen.
Die vier saßen sich nun im Kreis gegenüber und alle schauten lautlos in das Feuer. So verging einige Zeit, ohne dass etwas geschah.
"Winnetou." durchbrach Robert irgendwann die Stille. "Ich möchte nicht lange um die Sache herum reden. Meine Männer und ich sind nach wie vor auf der Suche nach meiner geliebten Frau Ribanna. Wir haben Hinweise, dass sie sich hier aufhalten könnte." Er bemühte sich merklich, möglichst freundlich zu klingen.
"Woher habt Ihr diese Hinweise?" hakte Winnetou nach, ohne ihn direkt anzusehen.
"Ist das wichtig?"
Der Apachenhäuptling erhob sich und sah seinem Gegenüber nun das erste mal seit dessen Ankunft im Pueblo in dessen leuchtend blaue Augen.
"Winnetou hält es für wichtig, wenn die Frau eines Bleichgesichts von dessen Männern widerwillig festgehalten wird."
"Festgehalten?" fragte Robert gespielt überrascht und hob die Augenbrauen. "Robert ließ Winnetou durch seine Männer einen Pfeil in seine Schulter schießen. Er ließ Ribanna vom Ufer durch das Wasser zum Fort bringen, um keine Spuren zu hinterlassen. Er schickte einen jungen Halbblutindianer ins Lager der Assiniboins um sie zu beschatten und als er dachte, David er hätte ihn verraten, stieß er ihm Winnetous Messer in den Leib." Bei jedem einzelnen Satz verzog der Apache keine Mine, Roberts dagegen verfinsterte sich zunehmend.
Old Shatterhand sah zwischen den beiden hin und her. Er glaubte Unsicherheit im Blick des ehemaligen Leutnants zu erkennen, die Augen seines roten Bruders dagegen strahlten komplette Selbstsicherheit aus. Er wusste, was er tat.
"Ich hätte Ribanna nie etwas getan oder sie entführt." Er versuchte, Ruhig zu klingen.
"Dein Mund lügt, du sprichst mit gespaltener Zunge." antwortete Winnetou prompt.
"Nein, Winnetou. Du siehst das alles falsch. Schließlich war unsere Hochzeit ein Zeichen des Friedens zwischen den Weißen und den Roten."
"Wie viel ist der Friede wert, wenn die Menschen, die ihn wahren, unglücklich sind?"
Mit diesm Satz hatte Ribanna Winnetou bereits verblüfft, als sie von ihrer Flucht aus Fort Niobrara berichtete und auch bei Robert schien er seine Wirkung nicht zu verfehlen. Der Apache, der nach wie vor stand, verließ nun sein Tipi, Old Shatterhand folgte ihm. Kurz darauf traten auch Tah-scha-tunga, der bisher nur verschwiegen zugehört hatte, und Robert hinaus ins Freie, wo Winnetou mit verschränkten Armen stand.
"Ribanna wird entscheiden, was sie möchte. Howgh."

Winnetou und Ribanna I. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt