Kapitel 34 Eskalation

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David lief zunächst in einem Bogen ein Stück von Winnetou und Old Shatterhand weg, um von etwas weiter flussabwärts auf das Fort zuzulaufen. Fällt es nicht auf, wenn ich da ohne Pferd auftauche?
Je näher er kam, desto unruhiger wurde er, doch er bemühte sich, so gelassen wie möglich zu wirken. Doch zu seinem Erstaunen traf er auf dem Gelände niemanden an. Normalerweise würden die Frauen im Hof, geschützt von den Gebäuden rundherum, gerade die Wäsche aufhängen oder die letzten Vorbereitungen für das Mittagessen treffen. Doch das Fort schien verlassen.
Er ging zum Eingang des Hauptgebäudes, sein Blick haftete jedoch an der Koppel, dessen Gatter offenstand und ebenso verwaist war. Sein Schritttempo erhöhte sich, er rannte durch das komplette Lager, doch er traf niemanden an. Alles schien, als würden alle sofort zurückkehren. Doch er wusste, dass etwas nicht stimmte.

Eilig hastete er geradezu auf das Versteck zu, in dem Winnetou und Old Shatterhand verharrten. Sie erhoben sich, als David rennend auf sie zu kam.
"Es ist niemand da!" rief er nach Luft schnappend, als er endlich vor ihnen zum Stehen kam und seine Arme auf den Knien abstützte.
"Keiner?" fragte Old Shatterhand verblüfft. "Sicher?"
"Ja, ganz sicher. Sie sind alle weg." Allmählich beruhigte sich seine Atmung wieder. "Aber wohin?"
Winnetou und Old Shatterhand sahen sich gegenseitig an und dachten offenbar dasselbe.
"Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Das war eine Falle!" rief Winnetou, dessen Ton leicht wütend klang. Er lief auf und ab, als würde sich auf diese Weise jedes Problem von selbst lösen.
"Wir müssen zum Lager der Assiniboins." bekräftigte Old Shatterhand die Gedanken seines roten Bruders.
David sah nur verwirrt zwischen den beiden hin und her. "Eine Falle?"
Ohne eine Antwort zu erhalten wurde er bereits in Richtung der Pferde gezogen und fand sich kurz darauf hinter Old Shatterhand auf Hatatitla wieder.
Im Galopp flogen sie über die Prärie. Einen Nachtstopp konnten sie sich nicht leisten, daher ritten sie sogut es ging die Nacht durch. Glücklicherweise war der Himmel klar und der Mond erhellte die Umgebung soweit, dass man zumindest den Weg erkennen konnte. Somit gewannen sie Zeit und kamen bereits am frühen Vormittag am Rande des Assiniboin-Gebiet an. Bereits von weitem war Lärm zu hören. Gebrüll, Schüsse. Wo ist Ribanna?

Sie ritten näher heran und kamen am Rande des Schauplatzes zum Stehen. Was sich hier bot, hatte sowohl Winnetou als auch Old Shatterhand häufig erlebt, doch bewirkte der Umstand, dass sich Ribanna irgendwo in Mitten des Speltakels befinden musste, Unbehagen bei Winnetou. Trotz allem musste er nun seine Gedanken sortieren.
"Die Bleichgesichter greifen die Assiniboins an. Weshalb?" fragte er in den Lärm hinein.
"Entweder, David lügt und der Pfeil, der Winnetou traf, wurde wirklich von einem Indianer abgefeuert oder..." er stockte.
"Oder das Bleichgesicht spricht die Wahrheit und Robert steckt hinter dem Angriff und der Entführung. Doch wieso sollte er dann die Assiniboins angreifen?" führte Winnetou den Gedanken fort.
"Um von sich abzulenken." mischte sich nun auch David ein. "Er will alles auf die Indianer schieben, um zu bezwecken, dass du dich von Ribanna fernhälst." Er redete vollkommen monoton.
Winnetou schwang sich nun von seinem Pferd, ging festen Schrittes auf David zu, zog ihn ebenfalls auf die Erde und packte ihn am Kragen. "David weiß, wo Ribanna ist?" schrie er ihn nun beinahe an.
"Ich... sie muss... sie können sie nur hier versteckt haben. Im Fort war niemand, ich..."
Winnetou schlug David mit der Faust ins Gesicht, sodass er zu Boden sackte. "Wo sollen sie sie hier denn verstecken?" rief er und machte eine ausladende Habdbewegung. Old Shatterhand hielt seinen Blutsbruder zurück und beruhigte ihn. Das passte nicht zu ihm, zum großen Häuptling der Apachen. Er war noch nie so unbeherrscht gewesen. Nicht, solange es nicht um Ribanna ging.

"Das Bleichgesicht redet mit gespaltener Zunge. Er wird bekommen, was Manitu für ihn bereit hält, doch zuerst müssen wir Ribanna finden und das Blutvergießen stoppen. Mein Bruder wird zum Lager reiten und schlichten. Winnetou sucht die Umgebung ab. Falls wir uns verlieren, treffen wir und so bald wie möglich im Pueblo. Howgh."
Mit diesen Worten sprang der Apache auf seinen Mustang und ritt davon.

Winnetou und Ribanna I. TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt