Kapitel 8 🩸 Planänderung

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Der Abend verlief großartig. Ungezwungene Gespräche, fantastisches Essen und köstlicher Wein. Elijah bezahlte für uns beide und schenkte dem Kellner mindestens hundert Dollar Trinkgeld. Der überforderte junge Mann traute seinen Augen kaum, als Elijah ihm einen Bündel Geldscheine in die Hand drückte, die er nicht einmal abzählte.

Beim Hinausgehen entdeckte ich ein schwarzes Klavier, dem ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte. Sehnsüchtig strichen meine Finger über das glatte Holz, dann wandte ich mich an meinen Begleiter. ,,Spielst du?"

Elijah nahm auf dem gepolsterten Hocker hinter dem Flügel Platz. Seine dunklen Augen lagen nur auf mir, als komponiere er die Melodie eigens für mich. Der Urvampir spielte fantastisch. Neugierige Köpfe reckten sich in unsere Richtung. Elijahs geübte Finger flogen mühelos über die Tasten. Ebenso leicht klang die Melodie, die er erschuf. Leicht und doch kompliziert zugleich. Glücklich, aber gekennzeichnet von den Spuren eines Kampfes.

Ich liebte jede Sekunde und als er den letzten Ton spielte, applaudierte ich am lautesten.

•••

,,Welches Lied hast du gespielt?", fragte ich auf dem Weg zum Auto.
Elijah vergrub seine Hände in der Hosentasche und schmunzelte leicht. ,,Ich habe gespielt, wonach ich mich fühlte. So gesehen bin ich der Komponist."

Fassungslos starrte ich ihn an. ,,Du hast das eben erfunden? Niemals!"

,,Es käme mir nicht in den Sinn, dich anzulügen, Alisa."

Aber ich lüge dich an.
Ich schluckte mein schlechtes Gewissen hinunter, als mir schlagartig klar wurde, dass Esther das Leben ihres Sohnes in zwei Tagen beenden würde.

Um den Umschwung meiner Stimmung zu überspielen, wechselte ich schnell das Thema. ,,Welches Jahrhundert war dein liebstes?"

Mittlerweile saßen wir in seinem Auto. Mein Handy kündigten ununterbrochen Nachrichten von Damon an die ich gekonnt ignorierte. Ab und zu hatte ich ihm geschrieben, aber ganz bestimmt nicht jede halbe Stunde.

,,Das ist nicht einfach zu beantworten. Sie alle hatten ihre Annehmlichkeiten. Im 12. Jahrhundert zum Beispiel lebten wir in der Toskana. Du kannst dir sicher vorstellen, dass die Architektur, die Kultur und die kulinarische Küche zu diesem Zeitpunkt ganz besonders vorzüglich war. Oder nehmen wir das 18. Jahrhundert. Wusstest du, dass meine Geschwister und ich im Jahre 1722 die Hafenstadt New Orleans einnahmen und zu dem errichteten, was sie heute ist."

Ich staunte in der Tat nicht schlecht. Ich selbst war noch nie aus dieser verdammten Kleinstadt rausgekommen. ,,Das klingt unglaublich! Und als du noch ein Mensch warst? Woher kommst du?"

,,Du stellst viele Fragen."

,,Ich möchte dich eben kennenlernen."

,,Meine Eltern stammen aus dem Norden Europas, heute Norwegen genannt. Mein Vater war ein Wikinger und hat Dörfer in Schutt und Asche zerlegt, bevor er sich in Mutter verliebte", antwortete Elijah nach einer längeren Pause. Ich merkte sofort, dass er nicht oft darüber sprach. ,,Dann starb meine älteste Schwester Freya kurz vor meiner Geburt an einer seltenen Krankheit. Dieser Verlust schmerzte so sehr, dass meine Eltern beschlossen, nach Amerika auszuwandern. Genau genommen bin ich wie du in Mystic Falls aufgewachsen, wenngleich es früher nicht so hieß. Niklaus, Kol und Rebekah sind hier geboren."

Ich erinnerte mich an Rebekahs Geständnis, sechs Geschwister zu haben. Damit erübrigte sich meine Verwirrung darüber, was mit den anderen geschah. Freya starb noch vor Elijahs Geburt und Esther erzählte mir von Henriks Zusammenstoß mit den Werwölfen. Zum Schutze ihrer anderen Kinder verwandelte sie diese in die ersten Vampire. Langsam verstand ich ihre Motive dahinter. Esther hatte nur ihre Familie vor weiteren Verlusten bewahren wollen.

Der Klingelton meines Handys brachte mich um eine Antwort. An diese neumodischen Dinger hatte ich mich immer noch nicht gewöhnt. Ohne aufs Display zu sehen, nahm ich den Anruf an. ,,Du nervst, Damon."

,,Alisa? Ich bitte dich..."

Ich erstarrte.
Elijahs Vollbremsung drückte mich unsanft in den Gurt. Der Motor rauchte.

Im Handumdrehen entriss er mir das Handy in und hielt es an sein Ohr. ,,Wie erfreulich, deine Stimme zu hören, Mutter. Ich werde auf die Frage verzichten, dich zu fragen, warum du auf Alisas Handy anrufst. Sie wird mir sicher gleich eine Erklärung liefern."

Ich schluckte. Elijah schaffte es binnen weniger Momente, dass ich mich machtlos fühlte.

Esther legte auf. Wutembrannt starrte ich das Handy an. Diese verdammte Hexe hatte offenbar nicht einmal den Anstand mich aus den Klauen ihres Sohes zu retten, obwohl sie doch diejenige war, die mich in diese unangenehme Situation brachte.

Reflexartig schnallte ich mich ab und hastete aus dem Auto. Woher hatte Esther überhaupt meine Nummer? Woher hatte diese verdammte wiederauferstandene Hexe überhaupt die Fähigkeit, ein Handy zu bedienen?

Als ob das nicht ausreichte, erkannte ich den Springbrunnen wirder, der den Innenhof des Mikaelson Anwesens zierte. Wollte Elijah mich nicht nach Hause fahren?

Ich prallte gegen etwas - oder jemanden. Erschrocken stieß ich einen Schrei aus. Elijah.

Der Blick, mit dem er mich bedachte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ohne die warme Freundlichkeit vom Abendessen. Unberechenbar. ,,Ich gebe dir noch eine allerletzte Chance mir zu erzählen, was meine Mutter und du vorhaben", kam er ohne Umwege auf den Punkt.

,,Das habe ich dir bereits..." Eine abwegige Handbewegung seinerseits ließ mich verstummen.
,,Du hast mich belogen. Zweimal", fasste er zusammen. ,,Bis jetzt bin ich überzeugt davon, dass du etwas verheimlichst. Du hast Kontakt mit meiner Mutter und auch Finn ist seit dem Ball überragend gut gelaunt dafür, dass er 900 Jahre erdolcht in einem Sarg gelegen hat."

,,Ihr sperrt euren eigenen Bruder 900 Jahre in einen Sarg und werft ihm vor, gute Laune zu haben?", fragte ich und lachte bitter. ,,Elijah, hörst du dir selbst zu? Wenn man eine Familie wie deine hat, braucht man keine Feinde mehr."

Ich zog die Jacke fester um meine Schultern und entfernte mich von Elijah. Meine Schritte verschnellerten sich. Gegen einen Urvampir hatte ich nicht den Hauch einer Chance. Es ärgerte mich, dass ich den Abend so sehr genossen hatte. Elijah und seine Geschwister waren furchtbar. Wie konnte ich auch nur für einen Moment glauben, dass er ein Gentleman war? Seit wann war ich mit einem noblen Abendessen und ein bisschen Klaviergeklimper so leicht zu beeindrucken?

Ein Schrei entfuhr mir, als eine weitere Gestalt vor mir auftauchte. ,,Hallo Liebes", sagte Klaus Mikaelson grinsend. ,,Elijah ist überzeugt davon, dass du mit unserer Mutter unter einer Decke steckst. Sehen wir doch mal, was davon wahr ist."

Klaus hatte eindeutig zu viel Spaß daran, mir zu drohen.

,,Du hast Damon dein Wort gegeben, mir nichts anzutun", erinnerte ich Elijah, der aus dem Nichts neben uns auftauchte.

Klaus grinste. ,,Ja, mein Bruder ist gut darin, sein Wort zu geben. Was haben wir doch für ein Glück, dass er kein Wort darüber verloren hat, was ich mit dir mache."

Finster starrte ich Elijah an. ,,Dafür das Abendessen? Um mich hinterher an deinen kleinen Bruder auszuliefern?"

,,Nein. Das Abendessen war aufrichtig. Eigentlich hatte ich gehofft, das in einem zivilisierten Gespräch zu klären. Alisa, wenn du eines heute Abend gelernt haben solltest, dann, dass ich meine Familie um jeden Preis beschützen werde."

Und dafür konnte ich ihn nicht einmal verurteilen.

Whisper of Deathᵗʰᵉ ᵛᵃᵐᵖⁱʳᵉ ᵈⁱᵃʳⁱᵉˢWo Geschichten leben. Entdecke jetzt