𝕶apitel Sieben

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𝕯ie Insel erscheint am Horizont früh am zweiten Tag auf See. Dennoch legen wir erst nach Mittag an dem kleinen Hafen im Südosten der Insel an.

Die jüngsten Kinder werden hier von einem der zuständigen Professores erwartet, der Schüler wie Eltern begrüßt, bevor sich letztere verabschieden und ihre Kinder der Obhut der Akademie überlassen. Während ich beobachte, wie sich Tys neuen Freunde Fariza und Raivo von ihren Eltern vorerst ein letztes Mal umarmen lassen, frage ich mich unwillkürlich, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich bereits vor fünf Jahren an die Akademie gegangen wäre. Ob meine Mutter wohl hier mit mir und Elodie gestanden hätte und uns umarmt hätte, uns viel Glück gewünscht hätte und uns gesagt hätte, wie stolz sie auf uns sei.

Nevaeh muss meine Wehmut bemerkt haben und berührt mich leicht am Arm.

»Komm, Sera. Noch sind wir nicht angekommen.«

Das jahrtausende alte Schloss, welches die Akademie bereits seit seiner Erbauung beherbergt, liegt im Inselinneren, nicht unweit der silbernen Bucht, weswegen wir noch eine letzte Etappe auf den Phylilen zu bewältigen haben, ehe wir die Akademie erreicht haben.

Das weiße Schloss trägt seinen Namen nicht ohne Grund. Strahlend weiß mit rot gedeckten Dächern thront es auf der Anhöhe. Das einzige Indiz seines Alters sind die dunkelgrünen Ranken, die sich am gesamten Gebäude hinauf schlängeln. Die würdevolle und erhabenen Ausstrahlung lässt mich den Imperialen Palast schmerzlich vermissen.

Etwas versteckt hinter dem Schloss schmiegen sich die Akademieställe als ein heller, flacher Gebäudekomplex an den Hang. Es ist etwas seltsam, Levana einfach vorerst hier zu lassen, nicht sicher wann ich sie das nächste Mal sehen würde. Dennoch stehe ich wenig später ohne Phylilos und mit meinen Taschen über der Schulter auf dem Vorplatz der Akademie.

Mit hellen Steinen gleichmäßig gepflastert und gesäumt von zwei großen Bäumen zu je einer Seite, bildet ein großer, runder Springbrunnen den Mittelpunkt des Vorplatzes. Auf dem fünfzackigen, steinernen Stern, der auf der Säule inmitten des Brunnens steht, ist das Akademiewappen und eine Inschrift eingraviert.

ADEMIAS ADÁ STELLEÁI

»Hast du etwas gesagt, Sera?« Ich wende meinen Blick vom Brunnen ab und schüttele den Kopf auf Nevaehs Frage hin. Vermutlich habe ich laut gedacht, aber auch wenn Nevaeh weiß, wer ich bin, möchte ich ihr nicht erklären müssen, wie es dazu kommt, dass ich diese verlorenen Sprache nicht nur lesen kann sondern auch perfekt beherrsche.

In der Eingangshalle, deren hohen Decken bis ins dritte Stockwerk reichen, verabschieden wir uns vorerst von Harris, Zephyra und den Haivards, die sich zunächst bei der Professore, die an einem langen Tisch am Eingang sitzt, eintragen und anschließend ihre neuen Anhänger erhalten, bevor sie über die beiden geschwungenen Treppen zu beiden Seiten der Halle in Richtung der Schlafräume verschwinden – Antheya mit doppelten Gepäck, da sie Nevaehs Sachen bereits mitnimmt. Ich stehe etwas befangen neben Nevaeh, während sie sich ihren eigenen Anhänger geben lässt. Wie bereits vermutet teilt die Professore mir nur mit, dass ich mich zuallererst bei meiner zuständigen Professore melden soll, von der ich meine Sachen erhalten würde.

So führt mich Nevaeh in einen der beiden Bogengänge, die von der Eingangshalle abgehen. Während zu unserer Linken große Fenster Ausblick auf den Vorplatz ermöglichen, befinden sich zu unserer Rechten mehrere Türen, bis der Gang nach der fünften Tür schließlich endet. An der weißen Wand hängt ein Gemälde des Schlosses im Winter. Ich kann es mir nicht genauer ansehen, da Nevaeh bereits vor der allerersten Tür stehen bleibt und anklopft. An der Tür ist eine Plakette auf der »Professore Hestia« steht.

»Die Zimmer hier und in dem anderen Bogengang gegenüber sind alles Arbeitszimmer der Professores, die jeweils für einen Lehrsommer zuständig sind. Die Arbeitszimmer der übrigen Professores befinden sich im akademischen Flügel des Schlosses, falls du sie einmal brauchen solltest.«, erläutert Nevaeh noch, bevor sie auf ein sanftes »Herein.« aus dem Inneren des Arbeitszimmer die Tür öffnet und eintritt.

Chroniken der Götter - Das Vermächtnis des KristallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt