𝕶apitel Vier

6 2 0
                                    

𝕯ie gedrückte Stimmung in der Stadt verfolgt uns auch noch am nächsten Morgen, wo wir uns geradezu überschwänglich von Eunice verabschieden. Mit einem verschwörerischen Lächeln drückt sie mir, als ich bereits fertig zum Aufbruch auf Levana sitze, noch ein kleines, eingewickeltes Päckchen in die Hand.

»Eine süße Kleinigkeit für unterwegs.«, lautet ihr Kommentar, begleitet von einem Zwinkern. Die Erinnerung an die Szene in der Küche ist nur noch verschwommen, überdeckt von Müdigkeit, aber dennoch habe ich ihre Worte nicht vergessen. Erfreut lächele ich jedoch und bedanke mich, ganz meiner Erziehung entsprechend.

Es beginnt erneut zu schneien, dieses Mal nicht nur ein leichter Schauer, sondern ein anhaltender Schneefall. Während wir immer weiter reiten, kuschele ich mich in meinen warmen Mantel, aber selbst der kann nicht verhindern, dass ich nach kurzer Zeit beginne zu zittern.

Ich hasse Schnee.

Es ist weniger, dass es kalt ist, als das Schnee mich einfach nur unwohl fühlen lässt. Selbst ich, die ich abgeschottet wie sonst keiner aufgewachsen bin, weiß, dass die meisten Menschen Schnee mögen. Wie das Weiß alles andere übertüncht. Wie man sich darin fallen lassen kann und Figuren machen kann, Schneeballschlachten und so weiter. Aber ich sehe Schnee und es erinnert mich an Kälte, nicht nur außerhalb meines Körpers sondern jene Art von Kälte, die sich in einem selbst ausbreitet und einen von innen heraus lähmt. Es erinnert mich an das Gefühl, komplett einsam und verloren zu sein.

Es erinnert mich an diesen einen Tag, der für mich der schlimmste meines Lebens war.

Deshalb schenke ich der an uns vorbei stürmenden Kompanie auch zunächst keine wirkliche Aufmerksamkeit. Aber selbst durch den Schnee hindurch kann ich das Abzeichen auf ihren grauen Satteldecken und Uniformen erkennen.

»Macht den Weg frei für die Garde der Krone!«

Unwillkürlich verstärke ich den Griff um Levanas Zügel, als ich diesen Ausruf höre. Meine Stute schnaubt unwillig und reißt den Kopf hoch und ihr Unmut über meine Handlung stürzt auf mich herein.

»Savá, Leva.«, murmele ich und lasse die Zügel wieder locker, mit den Gedanken jedoch noch immer bei diesem Begriff.

Garde der Krone.

Es gibt keine Garde der Krone in Prilias. Und obwohl mich das beunruhigen sollte, fühle ich mich teilweise erleichtert, denn dann kann es nicht meine Mutter gewesen sein, die diese schrecklichen Befehle gegeben hat. Ich wende mich Corian zu, der seinen Phylilos hinter mich gelenkt hat, um den Weg freizumachen, und nun wieder langsam an meine Seite reitet. Sein Blick folgt noch immer der Kompanie, die sich immer weiter von uns entfernt, und an seiner gerunzelten Stirn kann ich ablesen, dass er einen ähnlichen Gedanken haben musste wie ich. Und dieser beunruhigte ihn.

Diese Unruhe hat ihn noch immer nicht verlassen, als wir am Nachmittag endlich Illedon erreichen. Er wirkt abgelenkt während er sich um Zimmer für uns kümmert, und selbst dort scheint er auf der Hut zu sein.

»Wenn du möchtest, Lyca, kannst du dich gerne ein wenig in der Stadt umsehen.«, sagt er dann zu mir und ist halb aus der Tür heraus.

»Warte! Was ist mit dir?«, halte ich ihn auf.

»Ein alter Freund von mir lebt hier und ich würde ihm gerne einen Besuch abstatten. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Illedon ist sehr sicher. Wenn du dich bedeckt hältst, kann dir auch nichts passieren. Und der Schnee hat inzwischen auch wieder aufgehört.« Corian lächelt mich an, aber das Lächeln erreicht seine Augen nicht ganz. Ich nicke dennoch, den in meinem Kopf beginnt sich ein Plan zu formen.

»Wir sehen uns beim Spätmahl,« verabschiedet sich Corian, »geh und genieße deine kurzzeitige Freiheit.« Die Tür fällt hinter ihm zu und ich höre wie sich seine Schritte entfernen. Ich warte, bis ich das Knarzen der Treppenstufe höre, das mir schon beim Hochgehen aufgefallen ist, bis ich die Tür ganz behutsam öffne und hindurchschlüpfe. Bewusst lasse ich die knarzende Stufe aus, als ich hinter dem Hauptmann leise die Treppe hinunter gehe, am Fuß der Treppe kurze warte, und dann rasch zur Tür eile, die auf die Straße führt. Corian ist zum Glück noch gut erkennbar.

Chroniken der Götter - Das Vermächtnis des KristallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt