Hain der Geister...
Ein Blick zu dem ewigen Weiß und der grauen Krone ließ meinen, dieser Ort war nie etwas anderes als der Eisige Wald. Aber es täuschte und die Geschichte wusste es besser. Alte Schreine, alte Legenden, alte
Geister. Einst war dieser Wald all das. Der Hain der Gester. Nur war außer der Sagen nichts davon übrig geblieben.Remy überlegte angestrengt während sie so zu dem Wald sah. Vielleicht wäre er heute wunderschön, dachte sie. Ein Wald wie so viele andere nur älter und voll der Magie.
Sie lehnte an der Westwand ihres Grenzpostens, während die Sonne sich hinaufmachte alles unter sich mit Wärme zu liebkosen.Goldene Strahlen brachen durch den blauen Himmel, der hier vor dem ewigen Grau des Waldhimmels wie aus einem Gemälde gerissen erschien.
Das junge Licht schmeichelte über Remys rundes Gesicht und ihre Blässe. Ein Geschenk ihrer Mutter. Wohingegen das nussbraune Haar jenes ihres Vaters war. In Wellen reichte ihr es zu den Schultern und wurde von nichts weiter als einem purpurnen Tuch in Form gehalten.
Kupferne Fäden schimmerten darauf im gleißenden Schein und gaben eine grobe Ahnung auf das, was sich in Ornamenten über das ganze Tuch und damit über Augen und Haar erstreckte.Remy sog den Rest Wärme aus dem Holz und schnürte ihren blutroten Mantel zusammen. Der Wind biss heftig und seit Tagen heulte er ohne
Unterlass. Dass einmal die milde Sonne herauskam, war ihr eine willkommene Abwechslung, von welcher sich der Wind aber keinesfalls beirren ließ.Remy zog ihren Gürtel enger und richtete ein letztes Mal ihr Schwert, ehe sie ihren Weg fortsetzte. Sie schob die purpurne Scheide unter das schwarze Leder, band die Kordel neu, damit ihr die Klinge auch ja nicht verrutschte und sie trotzdem sofort herankam. Nicht, dass sie sie jemals gebrauchen musste. Sie dankte den Elementen dafür, aber sie war nun einmal eine Schwermagierin und als solche gehörte es zu ihrem Auftreten ihre Waffe immer griffbereit zu haben. Ebenso wie die Farbe ihres Mantels oder die Binde mit dem Wappen Kitors an ihrem Ärmel.
In Gedanken strich Remy den purpurnen Griff und die rote Zierschnur entlang. Der Schwertgeist reagierte sofort, ließ Wärme in ihre Finger
treten und zauberte ihr ein Lächeln über die Lippen.
„Sei gegrüßt Blutmond" sagte sie sanft.
Remy zog die Finger zurück, versteckte ihre Hände in den Taschen und setzte ihre Runde fort.
Es war der dritte Rundgang, seit den Morgenstunden.
Für den Rest des Tages würde sie das Gleiche machen. Wie die letzten vier Wochen. Und so wie die nächsten zwölf, die am Eisigen Wald auf sie zukamen.Remy seufzte. Die fernen Linien der schneebedeckten Bäume, die sich wie ein langer weißer Wattebausch unter dem Horizont erstreckten, glitten an ihr vorbei, während auf der anderen Seite eine freundlichere Aussicht lockte. Grüne Hügel waren dort. Satt und weich anzusehen, wie übergroße Kissen. Ein Augenschmaus, nur leider verlor diese Landschaft nach kurzer Zeit schnell an Reiz.
Sie ging weiter und kam zur zweiten Ecke des Postens. Er war nur zwanzig Schritt lang und genauso breit. Remy hatte es oft genug ausgezählt. Allein heute dreimal. Geradeaus in Richtung Südwest lag ihr Sandplatz, den sie und all die Vorgänger dieses Ortes für Übungen nutzten. Es war nicht mehr als ein Viereck, von dem das Gras fernblieb.
Sanden und eingerahmt von den Resten lange verwitterter Baumstämme. Remy lief daran vorbei und kam vor einem einfachen Verschlag zu stehen. Er war nicht annähernd so groß wie der Posten und
der Geruch von Heu und Pferd drängte sich ihr sofort auf. Das Innere war dunkel, aber noch ehe Remy versuchte, die Finsternis zu durchdringen kam schon die helle Schnauze eines Pferdes zum
Vorschein.Remy lächelte „Hast du mich vermisst" fragte sie und kraulte dem stattlichen Fuchs kurz hinter den Ohren. „Nun Igel, ich für meinen Teil, habe dich vermisst". Zufriedenes Schnauben kam aus seinen Nüstern und der Wallach ließ freudig jede weitere Berührung über sich ergehen, als Remy durch seine drahtige Mähne fuhr.
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IdKdN - Weltenwanderer (Leseprobe)
FantasyDer Kontinent Efferia, die Heimat der magischen Reiche, droht von Konflikten überwältigt zu werden - alte Streitereien flammen auf, die Magier sehen sich nicht länger an der Seite der Sterblichen und während die Reiche in Unruhen versinken, wandeln...