Des Schöpfers Schöpfung

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Kugelschreiber trifft auf Papier. Für einen Autor nichts Unnormales. Es beginnt mit einem leichten Zögern, bevor mir ein guter Anfang einfällt. Der Anfang fällt mir persönlich immer am schwersten. Das Übrige der Geschichte ist bereits in meinem Kopf eingespeichert. Worum es geht. Wie die Wendungen ausfallen werden. Der Höhepunkt. Das Ende. Und sobald der Anfang geschafft ist, läuft die gespeicherte Geschichte wie ein in Eigenregie gedrehter Kinofilm in meinem Kopf ab. Wann immer ich will, kann ich diesen Gedankenblockbuster anhalten. Aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Weiter abspielen und zur Not auch teilweise oder ganz verändern. Seit ca. acht Jahren schreibe ich nun. Angefangen mit wahrhaft miserablen Gedichten und Liedtexten. Mit der Zeit sind mir immer mehr und vor allem, immer bessere Ideen für Geschichten gekommen.


Seit einem Jahr, habe ich mein dunkles Herz an die finstere Welt des Horrors verloren. Besonders gruselige Kurzgeschichten haben es mir komplett angetan. Im Internet existieren einige Plattformen, in denen ich fertige Kurzgeschichten veröffentlichen kann.


Und hier sitze ich jetzt. In der Schule und arbeite konzentriert an meinem neuesten Werk. Der Anfang ist bereits geschafft. Vielleicht noch einige Nachbearbeitungen, wenn ich fertig bin. Der Unterricht, in dem ich momentan sitze, ist so öde und monoton, dass es nicht im geringsten auffällt, dass ich gedanklich abwesend bin. Der übergewichtige Lehrer kümmert sich überhaupt nicht darum, ob die Schüler seinen Worten lauschen. Daher sitze ich, mit vom Bass vibrierenden, In-Ear-Kopfhörern in den Ohren da und tue das, was ich am besten kann. Schreiben.


Meine gutaussehende, dunkelbraunhaarige, tätowierte Banknachbarin kennt mich mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ich beim Schreiben meine Ruhe haben möchte. Der Tag verläuft verdammt schleppend. Mein Weg, nach der Schule, führt mich direkt zum Fitnesscenter. Mittwochnachmittag. Brechend voll. Viel zu viele Menschen. Menschenmassen lösen in mir heftige Unwohlsein aus. Meine Therapeutin würde mich jetzt mit unzähligen "Warum ist das so", Fragen ausquetschen. Bei diesem Gedanken schleicht sich ein verschmitztes Lächeln auf mein Gesicht. Ein wenig mehr als eine Stunde intensives Training. Abgesehen von der ekelhaft hohen Anzahl an Menschen geschieht hier nichts wirklich aufregendes. Ziehe mich nach dem harten Training verschwitzt und bekämpfe den Schweißgeruch mit Deo. Ich wünschte, dass das Deo genauso gut das penetrante Geruchsgemisch, das in dem Raum gerade vorherrscht, bekämpfen würde. Schweiß. Testosteron. Muffige Sportsachen. Ich bekomme jedes Mal starke Kopfschmerzen, von diesem Gemisch.


Nach dem Umziehen fällt mein Blick in den Spiegel des Umkleideraums. Mit einer Hand richte ich meine rückenlangen, straßenköterblonden Haare zurecht. Für einen Jungen habe ich wohl wirklich lange Haare. Gefällt mir. Meine grün-grau-blauen Augen, die einen gelblichen Kreis um den Pupillen aufweisen, beobachten meine Handbewegungen

"Hi, Dicker.", begrüßt mich eine bekannte Stimme von der Seite. Ein sportlicher, breit grinsender Kerl, mit kurzen bräunlichen Haaren und gleichfarbigen Vollbart betritt gerade den Umkleideraum des Fitnesscenters. Tino. Wir schlagen ein. Mein Blick wandert erneut in den Spiegel.

"Was zur Hölle!", stoße ich erschrocken hervor. Ich blinzele mehrmals, in der Hoffnung, dass das, was ich da gerade sehe dadurch weggeht. Tatsächlich. Nachdem ich einmal für kurze Zeit länger die Augen geschlossen gehalten habe, ist alles wieder normal. Für den Moment davor sah es so aus, als hätte sich eines meiner Augen auf unnatürliche Weise verfärbt. In ein leuchtendes Grün. Wahrscheinlich eine Einbildung. Eine Hand legt sich auf meine Schulter.


"Alles in Ordnung?", fragt mein Kumpel, Tino, vorsichtig. Ich drehe mich zu ihm um und nicke nachdenklich, während ich meine Sporttasche schultere. "Muss los. Bis morgen!", sage ich kurzangebunden und verlasse eiligen Schrittes den Umkleideraum.

Des Lords CreepypastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt