Süße Bedrohung

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Erste Schneeflocken erreichen den kalten Boden, auf welchem ich meinen Weg nach Hause gehe. Ein weiterer Schultag erfolgreich hinter mich gebracht. Den Schal eng an meinen Mund angelegt, erinnert mein Gang mehr an eine zitternde Fortbewegung, denn eines sicheren Schrittes. Bass lastige Musik dröhnt aus meinen weißen In-Ear-Kopfhörern und sorgen wenigstens für etwas Unterhaltung während meines monotonen Heimweges. Meine Gedanken wandern zurück zu den Erlebnissen des heutigen Tages. Laborunterricht. Chemie-Übungen. Habe versucht mit einem Filtrierbehältnis, das per Wasserschlauch am Waschbecken verbunden ist, zu arbeiten. Die attraktive Lehrerin hat meine Aufmerksamkeit etwas zu lange in ihren Bann gezogen. Das Resultat meiner Unachtsamkeit zeigt sich durch das unnatürliche Aufblähen des Wasserschlauches, welcher mittlerweile die Form eines kleineren Wasserballons hat. Noch ehe ich den Fehler zu beheben vermochte, habe ich eine ordentliche Dusche abbekommen und nach dem seltsam mädchenhaften quietschenden Geräusch zu meiner linken zu urteilen, ist es meiner Lehrerin nicht sonderlich anders ergangen.

"Himmel, war das peinlich", murmel ich in die kühle Luft hinaus, welcher meine Worte durch einen durchsichtigen Atemrauchschleier in die Weite befördert. Viel zu kalt. Eigentlich bin ich eher so ein Freund des Herbstes, aber leider habe ich als mickriger Mensch keinen allzu hohen Einfluss auf das Wettergeschehen.
Von meinen Gedanken abgelenkt, merke ich nur oberflächlich, dass ich bereits den ersten Schritt in mein trautes Heim gemacht habe.
Mit kurzen Worten des Grußes, lasse ich meine Mutter wissen, dass ich Daheim bin. Kurzerhand steige ich die Wendetreppe des Hauses zu meinem Zimmer hinauf. Lasse mich schwer seufzend auf mein weiches Bett nieder. Augenblicklich lassen mich meine Beine wissen, dass ihnen der Tag auf die Muskeln gegangen ist. Ohne hinzuschauen, schalte ich mein Radio an, welches hinter meinem Bett auf der Fensterbank steht.

"Und hier die Nachrichten um 15 Uhr.", beginnt eine männliche Moderatorenstimme im üblichen gleichgültig klingenden Tonfall zu berichten.
"Die Serie der Süßigkeiten-Drohungen nimmt weiter ihren Lauf. Die Polizei erhält täglich neue Berichte von mutmaßlichen Drohpaketen. Die Opfer bekommen meist ein Paket, in welchen sich Süßigkeiten befinden und am Boden ein Zettel. Auf diesem Zettel (stehen) sind allerleih Drohschriften zu finden. Von Forderungen einer bestimmten Person nicht näherzutreten, bis hin zu Morddrohungen. Sollten auch Sie davon betroffen sein, so melden Sie dies augenblicklich der Poli-"

"Markus!", unterbricht der laute Ruf meiner Mutter den durchaus interessanten Radiobericht. Grummelnd erhebe ich mich vom Bett und gehe der gleichzeitigen Aufforderung zum Erscheinen widerwillig nach.
"Guck mal im TV. Da gibt es wohl schon ein erstes Todesopfer von diesem Süßigkeiten-Mist.", sagt meine dunkelhaarige, im dicken Pullover steckende Mutter missbilligend. Herrje. jetzt wird sie vermutlich die nächsten Tage panisch verbringen. Ich zucke mit den Schultern. So groß ist mein Interesse daran dann doch wieder nicht.

Am selben Abend noch geschieht das, was bei solchen präsenten Thematiken unausweichlich scheint. Auf sämtlichen Sozialen Netzwerken entbrennen endlose Diskusionen. Ich werde gefühlte fünfzig Mal auf diese ganze Scheiße angesprochen.
Gerade meine beste Freundin, Janine, scheint wie wild auf dieses Thema versessen zu sein. Sie will meine Meinung zu alldem wissen. Genau wie ein guter Freund seit Kindheitstagen, Leon.
"Menschen. Sensationsgeile Geier. In ein paar Tagen regen sie sich wieder über Typen auf, die niedliche Katzen gegen die Wand hauen.", lamentiere ich völlig entnervt vor mich hin, schalte mein Smartphone auf stumm und lege mich ins Bett.

Gefühlte fünf Minuten später hallt ein greller Schrei durch das gesamte Haus. Tiefster Schreck in meinem Innersten. In einer, fast fließenden Bewegungen, springe ich aus dem Bett. Sprinte einige Stufen auf einmal nehmend, die Wendetreppe herunter. Meine Mutter hat aus der Küche geschrien. Als ich die geöffnete Tür des Raumes erreiche, sehe ich mich meiner vor Panik zitternden Mom gegenüber. Sie hält eine braune Pappschachtel in der Hand.
"Was ist los!?", keuche ich atemlos und versuche das, was ich gerade sehe in einen für mich logischen Zusammenhang zu bringen.
"Wir haben...Post bekommen.", sagt sie mit schwacher Stimme, ihr Blick weiterhin in das offene Paket gerichtet. Ich ahne Schlimmes. Da sehe ich direkt neben ihr ein zweites Paket. Meine Mutter braucht mir nicht zu sagen, für wen die andere Post ist. Mein schlechtes Gefühl sagt mir, dass ich der Empfänger sein soll.

Des Lords CreepypastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt