Wäre es nicht grausam, wenn man in Vergessenheit stirbt? Von dieser Welt geht, ohne, dass sich jemand an einen erinnert? Das wäre für mich das schlimmste Übel. Während ich entspannt am gedeckten Frühstückstisch sitze und meinen frisch gebrühten Kaffee genieße, schwirren diese Gedanken wie lästige Mücken durch meinen Kopf. Mir gegenüber sitzt meine wunderschöne, sehr junge Ehefrau. Während ich mit 55 bereits die Mitte meiner Lebenszeit überschritten habe, trifft dies auf meine 29 jährige Ehefrau Marie nicht zu. Wo die Liebe hinfällt, was? Aufs Geld natürlich.
Ich betrachte sie, wie jeden Morgen, interessiert. Sie hat jeden Tag einen neuen Look. Heute trägt sie ihre rabenschwarzen Haare offen. Sie ist, wie immer, stark geschminkt, was ihre stechend blauen Augen zum Ausdruck bringt. Nicht zu schweigen von ihren blutroten Lippen, die aussehen, als hätte sie die ganze klischeehaften Vampirfilme nachgespielt.
Als Millionär hat man es nicht schwer, jemanden zu finden, der einen des Geldes wegen liebt. All das Geld habe ich durch meine jahrelange Arbeit als Bankenchef verdient. "Woran denkst du gerade, Liebling?", fragt mich Marie gespielt liebevoll. Sie hätte Schauspielerin werden sollen. Da wäre ihr Talent wesentlich besser aufgehoben, als in der Marketingabteilung meiner Bank. Was soll's. "Ach, meine üblichen Gedanken.", erwidere ich beiläufig und nippe an meinem schwarzen Kaffee. Sie nickt lächelnd und schmiert sich ein Brot mit ihrem Diät-Zeug. So ein Nonsens..
Ich habe auch noch eine Tochter. 18 Jahre alt. Sie entspringt meiner vorherigen Ehe. Ihre Mutter ist an Lungenkrebs gestorben. Ein Jammer. Mittlerweile ist dies 8 Jahre her und Jasmin, meine Tochter, ist mittlerweile in der Lage damit umzugehen. Gerade hat sie sich Geld geborgt und ist mit ihren Freundinnen shoppen gegangen. Typisch. Ich lächele und betrachte die aktuellen Todesanzeigen in der Zeitung. Arme Teufel. Ein kleiner Artikel bezeugt ihren Tod. Verwandte werden kurze Zeit trauern und dann...weiterleben. Die Toten werden vergessen. Ein mir bekanntes Stechen in meiner Brust erinnert mich daran, dass auch meine Zeit begrenzt ist.
"Was hast du heute vor, Paul?", fragt mich meine Frau. Was ist nur los mit ihr? Seit wann ist sie so redebedürftig. Normalerweise frühstücken wir zusammen, ohne dass wir viel reden. Danach gehe ich meinen Hobbys nach, während sie eifrig ihren "Yoga-Kurs" absolviert. Das bedeutet so viel wie, dass sie den Yoga-Lehrer flachlegt. Interessiert mich nicht. Sex ist mir mittlerweile nicht mehr wichtig. Meine Tochter wird eh alles erben. "Ich gehe meinen Hobbys nach, wie immer.", erwidere ich nach einer Weile, stelle meine leere Kaffeetasse auf den Tisch und erhebe mich.
"Bis bald.", verabschiede ich mich von meiner noch essenden Frau, der ich noch einen Kuss auf die Wange geb, bevor ich mich außer Haus begebe. Die Sonnenstrahlen dieses Frühlingsmorgens lassen selbst die grauen Seiten der Gegend in einem helleren Licht erstrahlen. Der Himmel strahlt in so einem hellen blau, dass sich meine Augen eine Weile an die Helligkeit gewöhnen müssen. Ohne, dass ich es kontrollieren kann, schleicht sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen. Die Wärme lässt mich in meinem schwarzen Anzug schwitzen. Hätte mich anders kleiden sollen. Egal.
Mein Weg führt mich zu einem Bürogebäude, dass direkt an einer stark befahrenen Hauptstraße liegt. Jedenfalls war es mal eines, bevor die Firma, die hier ihren Sitz gehabt hat, Bankkrott gegangen ist. Dafür, dass es bereits einige Jahre her ist, hat sich das Gebäude passabel gehalten. Nun gehört dieses Gebäude der Bank. Also mir. Niemand kümmert es, dass ich dieses nun leer stehende Gebäude betrete. Wenn man die Flure betrachtet, kommt man nicht auf den Gedanken, dass das hier nicht mehr benutzt wird. Eher, dass es hier frisch erbaut wurde. Die Flure sind sauber, abgesehen von Staubansammlungen und Spinnenweben. Die Wände sind keinesfalls eingefallen und die Fenster sind komplett intakt. Selbst der Strom funktioniert noch. Dafür habe ich gesorgt.
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Des Lords Creepypastas
HororWillkommen in meiner unheiligen Sammlung von all meinen bisherigen und noch kommenden Creepypastas. Tauche ein, in die finstersten meiner Gedankengänge und erfreue dich des Augenblickes, in der diese auf dich übergehen! Viel Freude....und....Erzähl...