𝑲𝑨𝑷𝑰𝑻𝑬𝑳 𝟏𝟕

4 0 0
                                    

Dylan

𝓩𝔀𝓮𝓲𝓮𝓲𝓷𝓱𝓪𝓵𝓫 𝓑𝓵𝓾̈𝓽𝓮𝓷 𝔃𝓾𝓿𝓸𝓻

Die Stadt der Sternenlichter liegt dunkel und still da, als Casimir, Kennard, Irina, Cyrian, Leyla, Kieran, Samira und ich die Straßen der Hauptstadt, welche den gleichen Namen trägt, entlanggehen. Das Bild von Alessa, welches Irina einer Heilerin und diese es Aliva später beim Magischen Clanturnier gegeben hat, halte ich in meiner Hand, da wir uns hier in der Hauptstadt nach Alivas leiblicher Mutter durchfragen wollen.
»Hoffentlich hält Alessa sich überhaupt in Ravacyn auf«, murmelt mein Zwillingsbruder.
»Das stimmt«, meine ich. »Aber wenn sie sich nicht in der Hauptstadt aufhält, können wir ja noch den Rest Ravacyns abklappern.«
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Samira ihren Onkel heimlich beobachtet, der sich nicht an unserem Gespräch beteiligt. Denkt er gerade an seine Frau, die er bald wiedersehen wird? Oder denkt die Magische Seele an Aliva, die sich vermutlich noch immer in Lorath befindet?
Gerade, als Samira ihn offenbar danach fragen will, spaziert ein älterer Mann an uns vorbei. Rasch eile ich auf ihn zu, halte ihm die Zeichnung unter die Nase und frage hastig: »Entschuldigt, Rheo, aber ich habe eine Frage an Euch. Erkennt Ihr diese Frau?«
Der ältere Rheo betrachtet das Bild einen Moment, ehe er den Kopf schüttelt. »Die kenne ich nicht«, antwortet er. »Warum sucht Ihr sie, Rheo?«
»Ich und meine Begleiter wollen bei ihr...Unterschlupf suchen«, antworte ich.
»In ganz Ravacyn kennen sich nur die wenigsten Leute untereinander. Ich bezweifle, dass Ihr und Eure Freunde bei anderen etwas über diese Hübsche herausfinden könnt«, erwidert der alte Mann und geht davon.

Nach einer Blüte sind wir nicht viel weiter gekommen. Zwar haben wir noch einige Leute gefragt, doch der alte Rheo hat offenbar recht: Nur wenige kennen sich hier in Ravacyn untereinander.
»Die Herumfragerei können wir vergessen«, meint Cyrian. »Wir müssen es anders versuchen.«
»Und wie«, meint Casimir gepresst, »denkt Ihr, Cyrian, sollten wir weitermachen? Wir sind alle müde und wollen an unserem Ziel ankommen.«
Damit hat er völlig recht.
»Verzeiht, Fremde«, hören wir eine männliche Stimme hinter uns, »aber seid ihr zufällig die Freunde der jungen Rhea Aliva, welche Alessas einzige Tochter ist?«
Wir wenden uns um. Hinter uns stehen drei Männer in Rüstungen. Der, der gesprochen hat, hat schwarze Augen.
»Die sind wir«, antwortet Irina eilig. »Und Ihr seid?«
»Leutnant Laerik, Anführer der Truppe, die die Freunde von Alessas Tochter zu ihrer Mutter bringen soll, Rhea«, salutiert der Mann.
»Wir kommen mit Euch, Leutnant Laerik«, sagt Kennard sofort.
Der Leutnant nickt. »Dann folgt uns.«

Genau das tun wir. Nach einer kleinen Weile, in der wir durch verschiedene Gassen gegangen sind, stehen wir vor einer Mauer. Leutnant Laerik legt eine große Hand an die Mauer, schließt die Augen und einen Herzschlag später gleitet ein Teil der Mauer zur Seite. Der Leutnant tritt zurück, damit meine Gefährten und ich zuerst hindurchgehen konnten. Nachdem auch der kleine Trupp hindurch war, schließt sich die Mauer wieder. Zwar befinden wir uns auch hier in einer Gasse, aber Laerik lässt sich nicht davon beirren und führt uns die Gasse entlang, und dann über einen großen Platz zu einem Tempel hin.
»Ihr wartet hier«, teilt uns der Leutnant mit. »Ich informiere Alessa, dass ihr eingetroffen seid. Ihr, Seneros und Telarius, werdet bei ihnen bleiben. Haben wir uns verstanden?«
»Aye, Leutnant Laerik«, salutiert einer der Männer und nickt ihm zu.
»Gut«, erwidert der Leutnant und einen Moment später ist er verschwunden.
Ich und meine anderen Reisegefährten starren uns an, sagen aber nichts. Nicht einmal Kennard, Samira oder Irina. Kurz räuspert sich Kennard, aber noch immer sagt er nichts. Dafür aber merke ich, dass er sehr angespannt ist und nun begonnen hat, auf und ab zu gehen. Fast schon muss Kieran neben mir auflachen, verkneift es sich aber, als ich ihn in die Seite stoße. Zwar ist es nicht lustig, aber trotzdem begreift er offenbar nicht ganz, wie man in einer solchen Situation auf und ab gehen kann. Ganz anders als ich. Und ich kann Alivas leiblichen Vater vollkommen verstehen.
»Es freut mich sehr, dass ihr nun in Ravacyn eingetroffen seid«, durchbricht eine helle, sanfte Stimme das Schweigen und wir drehen uns um.
Hinter uns, in der Eingangstür des Tempels, steht das lebensechte Ebenbild von Aliva: Eine Frau mit langen, lockigen, dunkelbraunen Haaren, einer schlanken und hochgewachsenen Statur, vollen Lippen und dunkelbraunen Augen. Die Augen jedoch sind das Einzige, was an Alessa anders ist, denn Aliva hat die hellblauen Augen ihres Vaters geerbt. Rasch kommt sie die Stufen des Tempels hinunter und als sie vor uns stehen bleibt, starrt sie uns nur an. Sie hat die Hand vor ihren Mund geschlagen, als sie ihren Ehemann, ihre Zwillingsschwester und ihre Nichte erblickt.
Leyla räuspert sich. »Es freut mich sehr, dich wiederzusehen, Alessa, und ja, wir sind auch sehr froh, endlich am Ziel unserer Reise angekommen zu sein«, begrüßt sie Alessa, die sich ihr augenblicklich zuwendet, sich kurz vor ihr verneigt und dann höflich antwortet: »Es freut mich ebenso, dich wieder zu treffen, Prinzessin Leyla vom Meeresreich Dyralion. Aber kommt doch erst einmal mit rein. Ihr könnt euch alle frisch machen und dann können wir uns weiter unterhalten«, fügt sie an uns alle hinzu und bedeutet den beiden Soldaten, die noch immer bei uns stehen, mit einer Handbewegung wegzutreten. Dann folgen wir Alivas leiblicher Mutter in das Innere des Kapitols.

Als Samira, Kieran, Leyla, Irina, Cyrian, Casimir und ich uns frisch gemacht haben und uns nun im Salon von Alessas Heim in Sesseln niederlassen, treten Alessa und ein Diener herein. Der Diener stellt ein Tablet mit acht dampfenden Bechern Bonifieur, acht Tellern, einem Brotkorb, sowie ein weiterer Teller mit Wurst und Käse auf einem der Beistelltische ab, die sich hier im Salon befinden, ehe er sich kurz vor uns verneigt und dann verschwindet.
Alessa indes setzt sich in den Sessel, der unseren nun gegenübersteht, da sie ihn kurz zuvor offenbar dorthin gestellt hat. Als sie sich einen der Becher mit Bonifieur genommen hat, lächelt sie uns an. »Nehmt euch doch auch etwas«, fordert sie uns auf und weist auf das Tablet mit Essen und den Bonifieur-Bechern.
Irina, Casimir, Kennard und Kieran tun ihr den Gefallen. Leyla, Samira und ich jedoch nicht.
»Ihr habt keinen Hunger?«, fragt Kennard uns drei und wir schütteln die Köpfe.
»Also«, lächelt Alivas leibliche Mutter. »Nun erzählt mal. Wie war eure Reise hierher?«
Ich und Samira fangen aus heiterem Himmel an, zu lachen.
»Was gibt da zu lachen?«, fragt Kennard ernst. »Meine Ehefrau hat uns allen eine ganz normale Frage gestellt. Sagt uns, was daran so komisch sein soll.«
»Ihr wisst es doch selbst«, antworte ich Alessa, als ich mich beruhigt habe und sehe ihr offen in ihre dunkelbraunen Augen.
»Ihr wollt mir damit sagen, dass ich schon über die ganzen Abenteuer Bescheid weiß, die ihr bis hierher bestritten habt?«, erwidert sie und blickt mir forschend ins Gesicht.
»Wenn Ihr es so nehmen wollt, Rhea, dann ja«, bestätige ich ihr offen. »Ich und die Elfenprinzessin sind nicht dumm. Obwohl die Prophezeiung uns sagt, dass wir Euch von unserer bisherigen Reise erzählen sollen, ist es nicht notwendig. Ihr wisst bereits alles darüber.«
Samira nickt zustimmend. Sie glaubt genau dasselbe. Und auch Luna, die mit geschlossenen Augen eingerollt auf ihrem Schoß liegt, öffnet eines und blinzelt zur Bestätigung, ehe sie es wieder schließt und genüsslich schnurrt.
»Ihr habt recht, Dylan«, sagt Alessa leise. »Jedoch habe ich nicht damit gerechnet, dass ich für Euch und Samira so leicht zu durchschauen bin.«
»Nicht nur du bist es, Tante Alessa«, erklärt Samira genauso leise. »Denn deine einzige Tochter ist es ebenso.«

𝓖𝓮𝓱𝓮𝓲𝓶𝓷𝓲𝓼𝓿𝓸𝓵𝓵𝓮 𝓑𝓵𝓾̈𝓽𝓮 𝟑 - 𝓓𝓲𝓮 𝓢𝓽𝓪𝓭𝓽 𝓭𝓮𝓻...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt