#40 Karten offen legen?

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Zero

Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich eine Hand an meiner Hüfte. Ich wollte schon nach hinten treten, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich ins Emilios Bett lag.

Nach dem langen hin und her meiner Gedanken so wie Zweifel hatte ich mich dazu entschlossen die ganze Situation mit Emilio zu klären. Als ich in die Wohnung gekommen war, war er nicht da gewesen, wodurch ich es mir auf der Couch bequem gemacht hatte. Die Müdigkeit hatte mich eingeholt, wodurch ich mich ins Bett zurückgezogen hatte.

Nun lag ich vor Schock schweratmend neben ihm. Ich konnte die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, ganz genau spüren. Sie erfüllte mich mit einem wohligen Gefühl, welches ich die letzten Tage vermisst hatte. Sanft, aber vorsichtig zugleich legte er mir meine Haare aus dem Gesicht.

„Du bist hier", seine Stimme war so leise, dass ich ihn kaum verstand.

Es war, als ob Emilio Angst hätte, dass ich mich in Luft auflöse, wenn er zu laut wäre. Grummelnd drehte ich mich zu ihm, um ihn ansehen zu können. Das Mondlicht leuchtete durch das Fenster auf uns hinab, wodurch ich die kleine Platzwunde an seiner Stirn erkannte.

„Teufelchen", legte Emilio eine Hand auf meine Wange. „Hasst du mich?", war die einzige Frage, die ich herausbekam. „Was? Nein, auf gar keinen Fall. Wie kommst du auf so einen Blödsinn?", setzte er sich geschockt auf. „Du hättest jeden Grund dafür", seufzte ich seltsam erschöpft.

Fest von seiner Meinung überzeugt, schüttelte er den Kopf. Ein von Schmerz geprägtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Es schien, als ob Emilio eine Erkenntnis hatte.

„Hast du dich von mir ferngehalten, weil du dachtest, dass ich dich hasse?", fragte Emilio unsicher nach. „Unteranderem", gab ich leise von mir.

Ich konnte seinem Blick nicht mehr standhalten ohne weinen zu wollen, wodurch ich mich von ihm wegdrehte. Neben mir senkte sich die Matratze, wobei er seinen Arm um mich schmiegte. Obwohl ich es vermeiden wollte, flüchtete ich mich in seine Berührung. Mein Körper rückte noch näher an ihn.

Jede Faser meines Körpers füllte sich mit Unsicherheit, als ich überlegte Emilio über meine Vergangenheit zu erzählen. Ich wollte es so sehr, aber ich bekam mich nicht überwunden. Zumindest noch nicht.

„Sag mir, welchen Grund ich haben sollte, um dich zu hassen?", ertönte Emilios Stimme gegen meinen Nacken. „Mein Verhalten bei deinen Eltern. Ich wollte einen guten Eindruck machen, obwohl ich nicht mitkommen wollte", erklärte ich. „Du hast dich gut geschlagen und es war nicht deine Schuld. Fabio hat dich bloßgestellt", stellte er klar.

Es war mir wirklich wichtig gewesen einen guten Eindruck zu machen. Sie sollten mich akzeptieren, wie ich als Mensch war. Ohne das Wissen meines Berufes. Durch Fabio war natürlich genau das Gegenteil eingetreten, aber vielleicht hatte es etwas Gutes. Emilio interessierte es wahrscheinlich noch nichtmal, weil er selber mit seinen Eltern nicht klar kam.

„Hast du die Platzwunde von ihm?", fragte ich, obwohl mir die Antwort bewusst war. „Ja, aber er sieht schlimmer aus", ich konnte mir sein schadenfrohes Grinsen vorstellen ohne mich umzudrehen. „Jetzt versuch zu schlafen", drückte er mir einen Kuss in den Nacken.

Von einem süßlichen Geruch, der sich in der Wohnung verteilt hatte, wurde ich wach. In der Küche stand Emilio singend vor dem Herd. Den Pfannenwender benutzte er als Mikrofon. Schmunzelnd genoß ich den Anblick. Wie beim letzten Mal warf er den Pfannkuchen in die Luft, damit er diesen mit der Pfanne auffangen konnte.

„Guten Morgen", krächzte ich noch immer verschlafen. „Wie lange stehst du schon da?", ließ Emilio den Pfannenwender fallen. „Lange genug, aber ich kann dir sagen, dass sich dein Gesang unter der Dusche besser anhörte", lief ich auf ihn zu. „Du bist ein Idiot", zog er mich an seine Brust.

Seinen Duft einzusaugen war wie auf einer Wolke zufliegen. Sachte, aber zugleich unsicher legte ich meine Arme um seinen Oberkörper. Emilio schob mich erst weg, als er merkte, dass etwas in der Pfanne anbrannte. Damit ich ihn nicht weiter störte, setzte ich mich im Schneidersitz auf die Ablage.

Auf einmal spürte ich, wie Emilio mir Mehl an die Wange schmierte. Ein zufriedenes Grinsen legte sich auf seine Lippen, aber das verrutschte schnell. Ohne Vorwarnung hatte er ebenfalls Mehl in seinem Gesicht. Nach ein paar Minuten war mehr Mehl in der Küche und auf uns verteilt als in Emilios Teig.

„So war das nicht geplant", schüttelte Emilio seine Haare aus, um das weiße grobe Getreide loszuwerden. „Das glaube ich dir", klopfte ich mir über den Pullover. „Bei deiner Hautfarbe macht das Mehl noch nichtmal einen Unterschied", witzelte er.

Lachend kam er auf mich zu, um seine Hände auf meine Oberschenkel abzulegen. Lächelnd blickte ich die wenigen Zentimeter zu ihm hinab. Ich konnte nicht widerstehen Emilio durch die Haare zu wuscheln.

„Du hast jetzt zwei weitere Tage keine Termine, oder?", wollte Emilio wissen. „Was möchtest du?", zog ich meine Augenbrauen skeptisch zusammen. „Ein wenig Gesellschaft von dir", säuselte er liebevoll. „Wenn du mich ertragen kannst, gerne", beugte ich mich zu ihm herunter. „Dieses Mal nur wir beide. Kein Familienessen oder ähnliches", versprach er mir indirekt.

Innerhalb weniger Sekunden hatte der braunhaarige die letzten Zentimeter zwischen uns überwunden. Ich legte meine Beine um seine Hüfte, damit ich ihn noch näher an mich ziehen konnte. Sofort merkte ich, wie seine Mundwinkel nach oben zuckten.

Obwohl dieser Kuss nicht auslösen sollte, dass sich Fragen bildeten, passierte es dennoch. Zugleich forderte mein Gewissen mich auf, dass ich ehrlich sein musste. Die Karten offen auf den Tisch legen sollte. Für mich schien der Zeitpunkt nicht der richtige, wodurch ich mich dazu entschied meine Unsicherheiten auf später zu verschieben.

Mittlerweile begann ich erneut daran zu zweifeln einen Lebensabschnitt abzuschließen. Etwas neues anzufangen. Emilio runzelte seine Stirn, wobei er mir mit der Hand vorm Gesicht herumzufuchteln, was mich zurück in die Realität holte. Wahrscheinlich war das zu meinem besten, bevor ich zu viel nachdenken würde.

„Worüber denkst du nach?", wollte Emilio wissen. „Können wir später darüber reden?", ein Hauch von Unsicherheit schwappte in meiner Stimme, was er zum Glück nicht bemerkte. „Wenn du möchtest, natürlich. Aber du brauchst dich zu nichts gezwungen fühlen", erinnerte er mich.

Zögerlich nickte ich, da ich überrascht war, dass er mich daran erinnerte. Mittlerweile war mir bewusst, dass er mir meine Zeit ließ. Selbst, wenn er nicht wusste, worüber ich reden wollte.

„Danke", lächelte ich ehrlich. „Wofür?", fragte Emilio verwirrt nach. „Für die letzten Wochen. Obwohl ich nicht einfach bin, hast du mich nicht alleine gelassen. Du warst für mich da, was nicht selbstverständlich war", erklärte ich. „Kein Problem, little star", gab er mir einen sanften Kuss gegen die Stirn.

Bei dem Kosenamen konnte ich mir das Grinsen nicht verkneifen. Das Gefühl, welches er mir damit vermittelte, war unbeschreiblich. Nicht wie in den meisten Fällen ein schlechtes, sondern ein Gutes.

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