#50 Versuchen wir es

160 14 1
                                    

Zero

Ein kurzer Schrei entkam mir, als meine Tür am Morgen aufgerissen wurde. Emilio sah abgehetzt aus, als er auf mich zukam. Zügig rückte ich an das Kopfende meines Bettes.

„Oh nein, du wirst dich jetzt nicht unter deiner Decke verstecken", riss Emilio mir besagten Stoff aus der Hand. „Lio", hauchte ich.

Ich war mit seiner Anwesenheit mehr als überfordert. Seine harsche Art überraschte mich, wodurch ich die Sorge hatte, dass ich wirklich alles verbockt hatte. Unsicher schaute ich in seine Augen, aber wendete den Blick sofort ab. Zu vieles spiegelte sich in dem Braun wieder. Wut, Liebe, Sicherheit, Sorge, aber auch Angst.

„Zero, ich verstehe dich nicht. In dem einem Moment sagst du mir noch, dass du mich liebst, aber dann verändert sich alles mitten in der Nacht. Habe ich irgendwas falsch gemacht? Ist irgendwas passiert? Liebst du mich doch nicht? Rede mit mir, bitte", Emilios Stimme klang so verzweifelt.

Es versetzte mir einen Stich ins Herz. Ich wollte ihm nicht das Gefühl vermitteln, dass ich ihn nicht liebte. Mir war viel zu sehr bewusst, dass ich wieder Schuld für die Situation war. Obwohl Emilio es nicht musste, war er derjenige, der auf mich zukam.

„Du willst es unbedingt wissen? An dem Abend hatte ich Sex mit jemanden mit dem ich es nie wieder wollte. Wenn du es noch genauer wissen willst, ich habe mich ekelhaft gefühlt. Das einzige, was es erträglich gemacht hat, war, dass ich mir vorgestellt habe, dass du es wärst. Und verdammter Mist, ich liebe dich. Mehr als mich und meine abscheuliche Art und Weise."

Meine Gefühle waren wie meine Stimme ein auf und ab. Einerseits war ich froh, dass ich es endlich gesagt hatte, aber andererseits fühlte ich mich grottig. Trotz meiner Worten breitete sich auf Emilios Gesicht ein Lächeln aus. Ein Lächeln, welches ich zu gerne sah, besonders wenn ich es auslöste. Bevor ich etwas weiteres sagen konnte, hatte er sich auf mich gestürzt, um mich zu küssen. Ohne zu zögern erwiderte ich es. Ein wohliges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.

„Lio", hauchte ich, als wir uns voneinander lösten. „Möchtest du mit mir einen Schritt weiter gehen? Eine Beziehung?", fragte Emilio unsicher. „Ich weiß nicht, ob das funktionieren wird", antwortete ich ehrlich.

Sanft lächelte Emilio mich an, obwohl ich ihm soeben eine Abfuhr erteilt hatte. Entweder er hatte damit bereits gerechnet oder es verletzte ihn nicht. Eventuell deutete ich es auch falsch und redete mir seine Reaktion absichtlich schlecht.

„Wovor hast du Angst?", wollte Emilio wissen. „Allem?", kam es von mir. „Nennst du mir ein paar Beispiele?", fragte er liebevoll nach. „Ich dir nicht genug bin, ich dich mit meiner Art verletze, wegen meiner Arbeit, du mich nur als Spielzeug benutzt, dich zu verlieren", zählte ich auf.

Mit einem Nicken nahm Emilio meine Worte auf. Ich hätte ihm noch viel mehr aufzählen können, aber das waren meine größten Ängste. Sachte nahm er mein Gesicht in die Hand, damit ich gezwungen war ihn anzusehen. Noch immer lag dieses sanfte Lächeln auf seinen Lippen.

„Ich kann nicht sagen, dass ich du mich nicht schonmal verletzt hast, aber trotzdem sitze ich hier. Du bist mir mehr als genug. Deine Arbeit hat mich bis jetzt nicht gestört und wird es in Zukunft auch nicht. Zusätzlich wolltest du aufhören, wenn Amber weg ist, sofern sich das nicht geändert hat. Ich könnte dir noch tausendmal sagen, dass du kein Spielzeug für mich bist, womit ich kein Problem habe. Zwar kann ich es nicht versprechen, aber in so schneller Zukunft habe ich nicht vor dich zu verlassen. Ich liebe dich", versuchte Emilio mir die Ängste zu nehmen.

Kurz vor den Tränen beugte ich mich zu ihm, um meine Arme um ihn zulegen. Wie ein Raubtier krallte ich mich in seinen Pullover. Bevor ich überhaupt anfangen konnte zu weinen, streichelte er mir bereits beruhigend über den Rücken. Alle schlechte Gedanken, Ängste und Befürchtungen schienen für den Moment verschwunden zu sein. Sachte schob Emilio mich von sich weg, damit er zum mir hinab schauen konnte.

„Versuchen wir es?", wollte Emilio wissen. „Gerne", brachte ich ein Lächeln zustande. „Ist es denn für dich in Ordnung, wenn ich meinen Namen noch immer nach und nach erst erfahren möchte?", ging ich sicher. „Vollkommen in Ordnung, ich werde mich schon sehr auf den Tag freuen, an dem du ihn mir verrätst", ließ er mich wissen.

Das war auf jeden Fall eine Erleichterung für mich, da ich mich nicht dazu drängen lassen wollte. Ich war so dankbar, dass Emilio so viel Verständnis für mich aufbringen konnte, denn es war nicht selbstverständlich. Viel zu oft hatte ich ihm schon Gründe geliefert, um mich links liegen zulassen.

„Ich hoffe, dass es nicht zu viel verlangt ist, aber ich würde dich darum bitten, dass du versuchst besser mit mir über deine Gefühle zu kommunizieren", schaute Emilio mich ernst an. „Ich verspreche dir, dass ich es versuche. Sei mir bitte nur nicht böse, wenn es nicht direkt funktioniert", bat ich ihn. „Werde ich nicht", versicherte er mir.

Mir war bewusst, dass ich es mit Emilio schaffen könnte. Er vermittelte mir das nötige Gefühl von Sicherheit, welches ich dafür brauchte. Es konnte nur für uns beide nur gut sein. Ich würde mir weniger einen Kopf um unnötige Szenarien machen und er könnte sich weniger Sorgen machen. Emilio musste dann nicht mehr daran zweifeln, ob er etwas falsch gemacht hatte.

„Und du hast nicht das Gefühl, dass ich dich betrüge, wenn ich das hier noch zwei Monate durchziehe?", hakte ich nach. „Solange du keine Geschlechtskrankheiten anschleppst, nein", versicherte Emilio mir. „Wenn es für dich ein Problem ist, kann ich auch mit Liz reden. Sie hat bestimmt Verständnis dafür", zeigte ich ihm eine andere Möglichkeit auf. „Zero, es ist deine Entscheidung und ich werde hinter dir stehen", verdeutlichte er mir.

Dankend lächelte ich ihn an, da es sein Vertrauen zu mir widerspiegelte. Leider war diese Entscheidung für mich ein Zwiespalt, wodurch ich es lieber gehabt hätte, wenn er mir diese abgenommen hätte. Erneut lehnte ich mich gegen Emilios Brust, wobei ich seinen Duft einatmete.

„Danke", wisperte er gegen meine Haare. „Wofür denn?", hakte ich verwirrt nach. „Dass du uns eine Chance gibst", erklärte Emilio kurz. „Mache ich gerne", lächelte ich gegen den Stoff seines Pullovers.

Sachte streichelte er mir durch die Haare, was mir ein zufriedenes seufzen entlockte. Die paar Minuten, die wir so verweilten, genoss ich vom ganzem Herzen. Er ließ mich sicher und geborgen fühlen.

„Soll ich dich später abholen oder möchtest du die Nacht alleine verbringen?", fragte Emilio. „Dein Bett würde sich sehr attraktiv anhören", antwortete ich, wobei ich zu ihm hoch schaute. „Das höre ich gerne", schmunzelte er, bevor ich seine Lippen auf meinen spürte.

ZeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt